Vom Billigprodukt zum Food-Trend: Das wundersame Comeback des Analogkäses

Echter oder doch Analogkäse? (Foto: Flickr, Roxanne Ready, CC BY 2.0)

Wer sich an den Skandal um den billigen Analogkäse vor ein paar Jahren  erinnert, wird sich über die Preise von veganem Käseersatz wundern. 

Analogkäse. Wie das schon klingt! Minderwertig. Billig. Unauthentisch. Dabei geben Veganer und Veganerinnen ganz schön viel Geld dafür aus. Bis zu 5 Euro für 100g nachgeahmten Mozarella, Cheddar und Co. Ist das Betrug oder sind diese Preise gerechtfertigt? Ist veganer Käse besser? Ist er gesünder als Analogkäse mit Spuren echten Käses? Oder ist das alles nur teurer Industrieabfall?

Vor knapp 7 Jahren galt der skandalumwitterte Analogkäse noch als Betrug an Konsumenten und Konsumentinnen, als Mogelpackung, billiger Abklatsch des Originals. Heute ist er ein fast schon luxuriöses Lifestyleprodukt, solange er „veganer Käseersatz“ heißt. Dabei ist Kunstkäse – wie er auch genannt wird – im Gegensatz zu richtigem Käse aus Milch ziemlich billig in der Herstellung und auch nicht zwangsläufig gesünder als sein Gegenspieler. Milcheiweiß wird durch pflanzliches oder bakterielles Eiweiß ersetzt, Milchfett durch Pflanzenöl. Eventuell fügt man noch Stärke hinzu, um dem Ganzen eine stabile Form zu geben und versetzt es mit Emulgatoren, Salz, Farb- und Aromastoffen für den käsigen Geschmack und das richtige Aussehen. Der Reifeprozess fällt völlig weg, was viel Zeit und Energie spart, weil keine monatelange Lagerung notwendig ist. Der Käseersatz kann unmittelbar nach der Herstellung auf den Markt gebracht werden. In Fertigprodukten wie Tiefkühlpizza oder Lasagne fällt der Unterschied kaum auf, vor allem wenn der Analogkäse mit homöopathischen Mengen echten Käses gemischt wird.

Auf dieser Pizza könnte weniger tatsächlicher Käse sein, als es den Anschein hat. (Foto: Flickr, Charley, CC BY 2.0)

2009 titelten nicht nur Boulevardmedien mit „Achtung Käseschwindel“ und „Mit diesem Produkt essen Sie falschen Käse“. Das Vertrauen der Verbraucher und Verbraucherinnen in die Produzierenden war erschüttert. Die Aufregung über uneindeutige Kennzeichnungen von Inhaltsstoffen war groß und der Ruf nach gesetzlichen Regelungen, was als Käse verkauft werden darf laut. Durch die Verschleierungstaktiken der Lebensmittelindustrie war der Analogkäse in Verruf geraten und verschwand allmählich aus den Supermärkten, doch seit einigen Jahren feiert er ein Comeback. Mit ordentlich aufgemotzten Verpackungen, die Freiheit von Laktose, Gluten und Tierleid versprechen und drastisch erhöhten Preisen zieht er wieder in die Tiefkühlregale großer Supermarktketten ein. Nur die Bezeichnung Käse fehlt diesmal, denn seit dem Inkrafttreten der EU-Lebensmittelinformationsverordnung und der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung im Dezember 2014 dürfen Lebensmittel, bei deren Herstellung Milcheiweiß durch pflanzliches Eiweiß ersetzt wird, nicht mehr als Käse bezeichnet werden. Auch nicht als Käseersatz, Kunstkäse, Analogkäse oder irgendein anderes Wort mit Käse. Stattdessen heißt der Analogkäse jetzt „Gastro-Mix“ oder „Pizzaschmelz“. Wer sagt, die EU habe nie etwas bewirkt?

Sogar in Großbritannien, wo man sich gegen so viele EU-Verordnungen wehrt, möchte man Analogkäse sichtbar machen. (Foto: Flickr, Sharyn Morrorw, CC BY 2.0)

In der Schweiz gibt es keine einheitliche Regelung für die Bezeichnung von Käsenachahmungen. daher trifft man dort in Supermärkten vermehrt auf „Cheddar-Imitationen“ oder „Spezialfrischkäse mit pflanzlichen Fetten“. Aber die Preise gestalten sich nicht viel anders, als in EU-Ländern und auch in der USA ist veganer Käseersatz recht teuer.

Die Aufregung um Analogkäse war 2009 vor allem deswegen so groß, weil die Herstellung im Vergleich zu richtigem Käse so viel billiger ist. Und billig bedeutet für Konsumenten und Konsumentinnen meistens minderwertig. Dabei muss Kunstkäse nicht zwangsläufig schlechter sein, als das Original. Er kann mit künstlichen Farb- und Aromastoffen versetzt sein, aber auch mit natürlichen in Bio-Qualität. Ob er nun aus Milchfetten und Proteinen besteht oder aus pflanzlichen spielt für den Körper keine große Rolle. Schmecken soll er und billig soll er sein. Leider erfüllen die gegenwärtig in Supermärkten angebotenen Käseersatzprodukte nur den ersten Teil ihrer Aufgabe. Über die Ursachen dafür lässt sich streiten. Liegt es an den geringen Produktionsmengen veganer Käseersatzhersteller und Herstellerinnen oder einfach an dem Hype?

Ob echt oder unecht, Hauptsache es schmeckt. (Flickr, stu-spivack, CC BY 2.0)

In Österreich werden jährlich etwa 10.000 Tonnen Kunstkäse verkauft, in Deutschland sogar das 10fache davon. Zu den Konsumentinnen und Konsumenten zählen nicht nur  vegan lebenden Menschen, da diese nur etwa 1% der Gesamtbevölkerung ausmachen. Der Großteil des analogen Käses wird gar nicht erst in Lebensmittelgeschäften, sondern im Großhandel vermarket und in Gastronomiebetrieben verwertet. Er wird mit echtem Käse vermischt und landet so wieder als billiges Ersatzprodukt auf den Tellern von Omnivoren, oft illegalerweise ohne spezielle Kennzeichnung. Ein weiterer großer Teil wird in Länder mit schwacher Milchwirtschaft exportiert. Der Rest wird in spektakuläre Verpackungen eingeschweißt und um ein Vielfaches seiner Herstellungskosten an Veganer und Veganerinnen verkauft. Ist das gerechtfertigt oder ist das wiederum Betrug? Wird sich die EU darum kümmern, wenn die Veganer- und Veganerinnenquote steigt? Einstweilen müssen wir uns mit überteuertem Analogkäsen abfinden oder unseren eigenen Käseersatz machen. Das Internet ist auf unserer Seite, denn es ist voller Rezepte. Hier ist eines davon:

  • 3 Tassen Wasser
  • 1 Tasse Hefeflocken für den käsigen Geschmack
  • 1/2 Tasse Pflanzenöl, bspw. Olivenöl
  • 3 EL Maisstärke
  • 1 EL Universalmehl
  • 1 TL Senf
  • 1 Prise Kräutersalz
  • 1 Knoblauchzehe, gepresst

Hefeflocken, Stärke und Mehl in einem Topf mischen; unter ständigem Rühren Wasser zugeben und aufkochen, bis eine cremige Konsistenz entsteht; Öl, Senf, Knoblauch und Salz einarbeiten; die Masse in eine Schüssel geben und im Kühlschrank aushärten lassen. Voila! Fertig ist der Analogkäse.

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