Alte Obstbäume weichen neuen Stauden

Wie wir vergangene Woche berichtet haben, sollte einer der letzten Obstgärten Wiens gerodet werden. Trotz einigen Protestes ist es passiert: etwa 50 Jahre alte Obstbäume der Höheren Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Gartenbau Schönbrunn (HBLFA) wurden gerodet, um Platz für einen Staudensichtungsgarten zu schaffen. BIORAMA hat den Direktor der Gartenbauschule an Ort und Stelle zum Gespräch über Hintergründe und Pläne getroffen und auch Petitionsinitiatorin Claudia Patricia Bernleitner zu einer Stellungnahme gebeten.

Fotos nach der Rodung der morschen Obstbäume von DI Gottfried Kellner

Fotos nach der Rodung der morschen Obstbäume von DI Gottfried Kellner

„Wir sind keine brutalen Baummörder!“, versichert Gottfried Kellner, Direktor der HBLFA und ist erpicht darauf, uns von dem ökologischen Geist der Gartenbauschule Schönbrunn zu überzeugen.

„Ich möchte mich sicherlich nicht herausreden und sagen, dass wir die Bäume fällen mussten, weil sie morsch waren. Sie waren zwar morsch, aber dass wir an Stelle dieser Obstbäume etwas Anderes machen wollen, wissen wir schon seit 2009.“

Die Höhere Bundeslehr- und Forschungsanstalt mit Hauptsitz am Rande des Schönbrunner Schlossparks, besitzt zwei Außensitze mit verschiedensten Forschungsflächen für Unterrichtszwecke. Einen in Königshof (bei Bruck an der Leitha) und einen in der Jägerhausgasse (12. Wiener Gemeindebezirk). Am Hauptstandort mit Internat befindet sich ein Schulgarten, der eine Vielzahl an Pflanzen für Übungs- und Forschungszwecke in praxisnahen Bedingungen bietet. Hier gibt es neben verschiedenen Gemüseanbau-Flächen, Gewächshäusern und dem Frühstückssaal von Sissi (der Kammermeierei), eine Fläche, die in letzter Zeit für Diskussionen sorgte: eine der letzten Obstbaumwiesen Wiens.

Vor einer Woche wurden die ca. 50 Jahre alten Marillen- und Apfelbäume mit Einverständnis von Herrn Kellner gerodet, um Platz für einen so genannten Staudensichtungsgarten zu machen. Bei der Sichtung von Gehölzen und Stauden wird nach einer mehrjährigen Beobachtungsphase ein Urteil zum Gartenwert der jeweiligen Kultur gefällt. Eine solche Versuchsfläche ist also wesentlicher Bestandteil des Lehrplans. Die Schule besitzt zwar schon in der Außenstelle Königshof einen solchen Garten, dieser muss aber nun aufgrund eines Eigentumswechsels im Jahre 2009, umgesiedelt werden. Damit die vom Bundesministerium für Land-und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft geforderte Verkürzung der Reisekosten eingehalten werden kann, suchte man vor 7 Jahren eine Fläche für diese Stauden, Sträucher und Gehölze in unmittelbarer Nähe der Schule. Eine solche Fläche hat man dann auf eben diesem (jetzt ehemaligen) alten Obstgarten-Gelände gefunden.

CityFarm Schönbrunn

Kinder spielen nun neben der gerodeten Fläche/Baustelle I Foto: Alexa Lutteri

Kinder spielen nun neben der gerodeten Fläche/Baustelle I Foto: Alexa Lutteri

Die Fläche des Obstgartens habe ohnehin niemand mehr bewirtschaftet, niemand mehr geplegt und genutzt, sagt Herr Kellner. Die einzigen, die ihn noch zu privaten Zwecken (Bewegungs-, Spiel- und Erkundungsraum) genutzt haben, seien die Leute vom Verein CityFarm Schönbrunn gewesen. Die CityFarm ist eine pädagogische, um aktive Natur-und Nachhaltigkeitsvermittlung bemühte Insitution mit einem breiten Spektrum an Gartenbildungsprogrammen für Kinder und Erwachsene.

Das historische Areal der Kammermeierei war bis 2011 nicht öffentlich zugänglich. Erst im Rahmen von organisierten Veranstaltungen der CityFarm konnte der Garten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

An und für sich hat die CityFarm einen kleinen Teil des Schulgartens der HBLFA zum Gemüseanbau gepachtet und durfte, durch einen Dienstzettel geregelt, zwei Reihen der Obstbaum-Wiese nutzen. Wenn es eine Gefahr durch abfallende Äste gegeben hätte, hätte der Verein die Fläche auch nicht nutzen dürfen. In der Vergangenheit wurde der Bereich auch immer wieder umgestaltet, junge Bäume angepflanzt und gegen einzelne alte ausgetauscht. Dass man hier und da einen alten, morschen Baum einer Obstwiese ersetzen muss, sieht Wolfgang Palme, Obmann des Vereins ein. Im Zuge der Umgestaltung des Schulgartens und der Rodung dieses Obstgartens, der den Kindern nicht nur die jahreszeitliche Fruchtfolge der Bäume näher bringen konnte, verliert nicht nur die CityFarm eine Spielwiese. Dadurch, dass sich der Verein nun ein neues Gebiet suchen muss, wird der Garten wieder gänzlich für die Öffentlichkeit gesperrt sein.

Rettet den Obstgarten, jetzt!

Nicht alle Bäume waren morsch © Claudia Patrizia Bernleitner

Nicht alle Bäume waren morsch © Claudia Patricia Bernleitner

Claudia Patricia Bernleitner, hat ihre Zuständigkeit in dieser Angelegenheit über die CityFarm zu kommunizieren abgelegt und unabhängig davon, in eigener Initiative eine Petition zur Rettung der alten Obstbäume ins Leben gerufen. „Bei jedem alten Baum gibt es morsche Äste, die schneidet man zurecht. Wenn ein Baum gänzlich krank ist, kann man ihn gegen einen jungen Baum austauschen. Das ist ein schrittweiser Prozess, das sollte keine Rodung sein“, so Frau Bernleitner.  „Die Rede ist von Common und Public Spaces, die Stadt Wien ist bemüht Obstbäume in Parkanlagen einzubauen und dennoch wird eine bestehende Fläche zu Nichte gemacht“, betont sie. Bernleitner studiert Rechtswissenschaften und befindet sich in der Ausbildung zur Mediatorin und Gartentherapeutin und beschäftigt sich eingehend mit Stadtplanung und -entwicklung unter Einbeziehung der Gesellschaft in Richtung nachhaltige, grüne Stadt. Sie findet es auch von Seite des Bildungsaspektes sehr bedenklich, dass eine Gartenbauschule keine alten Bäume mehr besitzt, „wo sollen die Schüler lernen, wie mit alten Bäumen umzugehen ist?“.

Neues Leben

Außenstelle Jägerhausgasse: Brombeeren, Obstbäume, Biotop, moderne Heizungsanlage - Fotos: Alexa Lutteri

Außenstelle Jägerhausgasse: Brombeeren, Obstbäume, Biotop, moderne Heizungsanlage – Fotos: Alexa Lutteri

Laut Schuldirektor Gottfried Kellner haben schon gleich nach der Planung der Umsiedlung und der Neuordnung der Flächen, Bemühungen begonnen, Obstbäume an einem neuen Standort anzusiedeln. Wissend, dass es einen Ersatz für die alten Bäume braucht, die gefällt würden und auch wissend, dass ein alter Obstgarten nicht innerhalb von einem Jahr wächst, wurde eine Obstbauanlage mit gleichen Baumsorten in der Jägerhausgasse eingerichtet. Diese Bäume haben zum heutigen Zeitpunkt eine Größe erreicht, die es erlaubt eine gute Lehr-und Forschungstätigkeit zu garantieren. Innerhalb des Schulgeländes gibt es neben den Obstbäumen zahlreiche Straucharten des Wienerwaldes, alte Beerensorten, Wildkräuter und sogar einen Biotop.

Die Schulgebäude an sich, bei Schönbrunn sowie an der Außenstelle Jägerhausgasse sind nach neuestem Stand der Technik gebaut worden. Photovoltaik, Solarthermie, Pelletsheizung, Pufferspeicher…es wird wirklich Wert auf eine umweltfreundliche, nachhaltige Organisation der Gartenbauschule gesetzt. “Wir sind die wirklichen Grünen“, versichert uns Herr Kellner.

Die bunt gestreifte Fläche wird 2017 zum Staudensichtungsgarten

Die bunt gestreifte Fläche wird 2017 zum Staudensichtungsgarten

Am Standort des alten Obstbaumgartens soll 2017 also der neue Staudensichtungsgarten eröffnet werden. Auch bei dessen Bau wird auf Nachhaltigkeit gesetzt. Das anfallende Material von der Obstbaumrodung wird aufbereitet und anschließend für den Bau des Staudensichtungsgartens wieder eingesetzt. „Ein alter Baum hat auch irgendwann einmal sein Lebensende erreicht“, erklärt Kellner abschließend. Dahingehend sind sich alle einig.

Frau Bernleitner meint: “Ein Strauchgarten, ist auch ein Garten. Man muss Schmerz zulassen, ihn aber auch wieder loslassen können.“

Es ist ein Grundstück von sentimentalem Wert, das verloren gegangen ist. Es gibt in Wien nicht mehr viele öffentliche Obstgärten und es ist nur eine Frage der Zeit bis am Wilhelminenberg oder an den Steinhofgründen Bauprojekte starten und auch dort eine wunderschöne Erholungsfläche verloren geht. Vielleicht gibt es in Zukunft von erfolgreichen Petitionen zu berichten.

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