Besser als Kaschmir: regionale Alpaka-Wolle
Der Hype um Kaschmir lockt Fälscher und hat schwerwiegende ökologische Folgen. Öko-Pionier Reinhard Kepplinger („Grüne Erde“) setzt deshalb ganz auf Alpaka- und Yak-Wolle.
Das oberösterreichische Unternehmen Grüne Erde macht immer wieder von sich reden. Zuletzt etwa als es seine eigenen Social-Media-Aktivitäten einstellte und sich ganz von Facebook und Instagram verabschiedete. Oder als Gründer Reinhard Kepplinger im österreichischen Präsidentschaftswahlkampf den ehemaligen Grünen-Sprecher (und nunmehrigen Bundespräsidenten) Alexander van der Bellen unterstützte – und es deshalb Boykott-Aufrufe von rechten Ökos gab, die mit Norbert Hofer sympathisierten. Nun überraschte das Unternehmen mit einer Änderung in seinem Sortiment. Ab sofort führt es keinerlei Produkte aus Kaschmir-Wolle. Stattdessen propagiert man – regionales – Alpakavlies und Wolle vom mongolischen Yak. Warum? Dazu haben wir Reinhard Kepplinger befragt.
BIORAMA: Ihr Unternehmen verzichtet ab sofort auf die beliebte Kaschmir-Wolle. Was ist denn das Problem mit Kaschmir?
Reinhard Kepplinger: Die Nachfrage nach Kaschmirwolle auf dem Textil- und Fasermarkt hat sich in den vergangenen 20 Jahren mehr als verdoppelt. Auch bei vielen unserer Kundinnen und Kunden waren Bekleidungstextilien, Decken und Kissen aus dieser kostbaren Edelfaser sehr beliebt. Der weltweite Boom hatte aber fatale Folgen: Insider schätzen, dass heute drei- bis viermal so viel Kaschmirwolle auf dem Markt ist, wie der Bestand an Kaschmirziegen in China und der Mongolei hergeben würde. Der im Raum stehende Verdacht auf Etikettenschwindel auf Seite von Rohfaserproduzenten und -händlern bestätigt sich in letzter Zeit immer häufiger. Dazu kommt ein massives ökologisches Problem: Durch die in den letzten Jahren stark angewachsenen Herden von Kaschmirziegen in China und der Mongolei beginnen die ohnehin kargen Weideflächen durch Übernutzung zu versteppen, weil zu viele Tiere zu lange auf den selben Weiden verbleiben, und die Ziegen das Gras mitsamt den Wurzeln ausreißen. Die Folgen sind Kahlfraß, Bodenerosion durch den Wind und massive Eingriffe in ein ohnehin sensibles ökologisches Gleichgewicht. Aufgrund dieser Faktenlage haben wir das umstrittene Kaschmir aus allen Sortimenten gestrichen.
Insider schätzen, dass heute drei- bis viermal so viel Kaschmirwolle auf dem Markt ist, wie der Bestand an Kaschmirziegen in China und der Mongolei hergeben würde.“ (Reinhard Kepplinger)
Ihrem aktuellen Winterkatalog haben Sie ein Schreiben an die Stammkundschaft beigelegt. Darin propagieren Sie „Alpaka & Yak statt Kaschmir“ – und erklären, warum Sie künftig ganz auf Yakwolle aus der Mongolei und Alpakawolle aus Österreich und Deutschland statt auf Kaschmir-Wolle aus China und der Mongolei setzen. Gibt es schon Reaktionen seitens der Kaschmir-Fans? Kaschmirwolle ist ja überaus beliebt.
Reinhard Kepplinger: Es ist tatsächlich so, dass Kaschmir sehr beliebt ist und man damit sehr gute, kuschelige Qualität verbindet. Durch die derzeitige Situation ist es Grüne Erde aber wichtig, sich über ökologische Alternativen Gedanken zu machen und ein Zeichen zu setzen. Unsere Kundeninnen und Kunden reagieren sehr positiv, auch wenn es für die einen oder anderen sicher gewöhnungsbedürftig ist, keine Kaschmirdecke mehr im Sortiment zu finden. Wir hoffen, dass die großartigen Eigenschaften der heimischen Alpakawolle und des Yakhaars unsere Kundschaft überzeugen.
Gäbe es eigentlich auch natürliche vegane Alternativen zu Alpaka- oder Yakwolle?
Reinhard Kepplinger: Grundsätzlich muss unterschieden werden, ob die Wolle für Kissen und Decken oder Mode verwendet wird. Die Weiterverarbeitung des Rohstoffes ist in beiden Fällen unterschiedlich und auch die Ausgangsqualität – da ist die Feinheit der Faser entscheidend – nicht dieselbe! Hinsichtlich Wärmebedarf, Kuschelfaktor und Temperaturregulation gibt es keine vegane Alternative zu den Edelfasern. Bei Schurwolle könnte man im Bereich Mode auf Hanf als Alternative zurückgreifen, dazu ist allerdings zurzeit noch nicht die ausreichende Menge in biologischer Qualität am europäischen Markt vorhanden, um in Produktion zu gehen und die Feinheit der Faser ist natürlich nicht vergleichbar mit den Edelfasern von Alpaka und Yak.
Ursprünglich wurden Alpakas in den Anden gezüchtet. Sie importieren allerdings keine Wolle aus Südamerika, sondern kooperieren mit den Züchtern der Alpaca Association Austria (AAA) und einigen Tierhaltern aus Deutschland. Ist die Qualität gleichwertig?
Reinhard Kepplinger: „Vlies der Götter“ – so nannte man Alpakawolle aufgrund ihrer außerordentlichen Feinheit und Kostbarkeit in ihrer südamerikanischen Heimat. Bei aller Wertschätzung für Alpakawolle aus den Anden haben wir uns bei Kissen, Decken und Unterbetten für äußerst hochwertige Alpakawolle österreichischer und deutscher Herkunft entschieden. Dadurch werden heimische Betriebe und die regionale Landwirtschaft unterstützt, die Transportwege sind relativ kurz. Die ganze Lieferkette von der Herkunft der Faser auf den Alpaka-Höfen über die Verarbeitung bis zur fertigen Decke ist transparent, dokumentiert und nachvollziehbar.
Reinhard Kepplinger: In Österreich und Deutschland züchtet man vor allem den Alpaka-Typ Huacaya, dessen Wollfaser sich durch besondere Feinheit und gleichmäßige, starke Kräuselung – Crimp – auszeichnet. Mit einem Faserdurchmesser von 18 bis 25 Mikrometern – bei guten Tieren – ist Alpaka etwa so fein wie Kaschmir. Es wird von der AAA sehr viel Wert darauf gelegt, dass sich die Zucht auf die Verbesserung der Wollfaser spezialisiert und somit kann die Qualität auf jeden Fall mit der aus Peru mithalten. Ein Alpaka liefert bei der jährlich einmaligen Schur im Frühsommer bis zu 6 Kilogramm Rohwolle, etwa 2 bis 3 Kilo davon sind absolute Spitzenqualität. Und selbst aus weniger kostbaren Wollpartien von Brust, Hals und Beinen lassen sich immer noch die luxuriösesten Filzpatschen der Welt machen.
Die Alpakawolle für unsere Bekleidung stammt allerdings aus Peru, wo die Garne direkt vor Ort verarbeitet werden. Denn die Anzahl der Alpakas in Österreich und Deutschland ist – noch – zu gering, um ausreichend heimische Wolle in einer Qualität zur Verfügung zu haben, die für modische Bekleidung noch höher sein muss als für Kissen und Decken. Unser peruanischer Partnerbetrieb in Lima koordiniert die Produktion und zählt zu den engagiertesten Unternehmen für hochwertige, verantwortungsvoll produzierte Mode in diesem Andenstaat. Die Wolle stammt von frei lebenden Alpakas, die von Bauern und Kooperativen betreut und geschoren werden. Versponnen und gefärbt wird die Wolle von Betrieben, die nach dem strengen GOTS-Standard arbeiten. Die Wertschöpfungskette bleibt vollkommen in Peru.
Trotzdem werden in Österreich mittlerweile an die 2.500 Alpakas gehalten, in Deutschland sind es sogar 14.000 Tiere. Woher kommt denn die plötzliche Beliebtheit der Alpakas?
Reinhard Kepplinger: Die Kooperation der AAA mit Grüne Erde und damit die Wollproduktion für einen Partnerbetrieb ist ein Pionierprojekt, damit wird die Alpakahaltung auch hierzulande wirklich wirtschaftlich interessant. Zwar ist sie meist noch eher Nebenerwerb bzw. Liebhaberei, aber die Nachfrage der Textilbranche und Bettwarenerzeuger nach dieser hervorragenden Wolle ist insgesamt groß. Außerdem schätzen die Halter die „Kuscheligkeit“ der Alpakas, ihre Friedfertigkeit, die Anpassungsfähigkeit ans Klima, ihre Robustheit und die relativ einfache Haltung. Zum Teil werden sie in Österreich auch für tiergestützte Therapien eingesetzt.
Werden die Tiere auch gegessen?
Reinhard Kepplinger: Unseres Wissens werden – zumindest in Österreich – Alpakas nicht wegen ihres Fleisches gehalten. Alpakas können bis zu 20 Jahre alt werden, daher ist es bei der Zucht auch wichtig, dass man auf einen korrekten Körperbau achtet, damit vor allem die Stuten die Trächtigkeiten aushalten. Stuten können bis ins hohe Alter Fohlen bekommen und aufziehen. Es gibt immer wieder Berichte von Tieren, die mit 15 bis 19 Jahren noch Fohlen bekommen. In Österreich dürfen die Tiere normalerweise am Hof die restliche Lebenszeit verbringen, auch wenn sie nicht mehr für die Faserproduktion oder Fohlen sorgen können. Ein neuer Trend zur anderen Verwendung der Alpakafaser ist, dass sie in Seifen verarbeitet wird. Sie soll eine ähnliche Wirkung wie Seidenfaser in Seifenprodukten haben.
Sie argumentieren die Abkehr von Kaschmir auch mit der mangelnden Transparenz am Kaschmir-Weltmarkt. Werden die Alpakas und Yaks nach Bio-Richtlinien gehalten und gefüttert?
Reinhard Kepplinger: Die Zertifizierung ist nicht ganz so einfach, da alles – Böden, Futter, etc. – zertifiziert werden muss. Es gibt zur Zeit einen Prozess in diese Richtung. Die Transparenz der Tierhaltung und Weiterverarbeitung der Wolle ist auf jeden Fall gegeben. Grüne Erde kennt alle Höfe der Lieferanten und auch den Verband. Die Standards sind in Österreich und Deutschland generell sehr hoch. Alpakas sind sehr wertvolle Tiere und es besteht eine besondere Sensibilität heimischer Züchter in Bezug auf das Tierwohl und die Tiergesundheit.
In der Mongolei ist es so, dass die Wolle nicht Bio-zertifiziert werden kann, da die Tiere nicht domestiziert sind. Sie leben in freier Wildbahn und fressen das, was die Natur hergibt. Auch im Fall der Yakwolle arbeiten wir mit langjährigen, vertrauenswürdigen, uns persönlich bekannten Partnern in der Mongolei zusammen, die sich um die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Produktionskette sowie um die Einhaltung ökologischer und sozialer Standards bemühen.
So erfreulich die Kooperation für die österreichischen und deutschen Alpakazüchter ist, so unerfreulich ist diese klarerweise für die chinesischen Kaschmir-Ziegenhalter. Gab es auch Überlegungen z.B. mit Fairtrade zu kooperieren und dadurch mehr Transparenz in den Ursprungsgebieten zu schaffen?
Reinhard Kepplinger: Kaschmir ist zwar extrem beliebt am Markt, allerdings macht es die aktuelle Situation nötig, die Lieferungen ständig im Labor überprüfen zu lassen – dies ist sehr zeit- und kostenaufwendig. Zudem gibt es zurzeit am Markt kein Fairtrade-Kaschmir. Wir wollten ein Zeichen setzen und uns mit guten Alternativen auseinandersetzen. Zudem können wir die heimische Wirtschaft unterstützen und auch für Bauern neue Perspektiven für nachhaltige Landwirtschaft schaffen.
Nicht nur Kaschmirziegen, auch die Yaks werden traditionell in der Mongolei gehalten. Deren Wolle verkaufen Sie weiterhin. Ist Transparenz bei Yak-Wolle kein Problem?
Reinhard Kepplinger: Yakhaar ist etwa gleich fein wie Kaschmirwolle und bietet auch in Bezug auf Feuchtigkeitsaufnahme und Wärmevermögen durchaus vergleichbare Eigenschaften. Aber: Yakhaar ist in größeren Mengen verfügbar, daher preisgünstiger und wohl auch deshalb bisher vor Fälschungen verschont geblieben. Bis heute sind die Tiere für die bäuerliche Bevölkerung in Zentralasien von großer Bedeutung, eine wichtige Lebensgrundlage und Einkommensquelle. Nach derzeitigem Kenntnisstand beeinträchtigt die traditionelle Haltung von Yaks die Ökologie nicht. Fälschungen von Yakwolle sind uns bis dato nicht bekannt. Aber wir sind auch hier um größtmögliche Transparenz bemüht und beobachten den Markt sehr aufmerksam.
Grundsätzlich muss man sagen: Unsere Kundinnen und Kunden wünschen sich Produkte aus Edelfasern, und diesem Wunsch wollen wir nachkommen. Wir legen beim Einkauf der Fasern sehr strenge ökologische und soziale Maßstäbe an. Bei berechtigten Zweifeln, wie jetzt bei Kaschmir, streichen wir betroffene Produkte aus dem Sortiment und suchen nach funktionell gleichwertigen, ökologisch akzeptablen, nachhaltigeren Alternativen, die wir mit heimischer Alpakawolle und Yakhaar nun gefunden haben.
Gäbe es auch genügend Yak-Halter in Europa, um auch die Yakwolle statt aus der Mongolei aus der näheren Umgebung zu beziehen?
Reinhard Kepplinger: Die Bestände in Europa sind sehr klein, auch die Haltung ist in sehr niederschlagsreichen Gebieten nicht optimal. Zurzeit gibt es noch keine Möglichkeit, das Yakhaar aus Europa zu beziehen. Die Aussicht, dass europäisches Yakhaar in naher Zukunft in größeren Mengen erhältlich sein wird, ist sehr gering.