Albanien, die Autos und die Malve
Nach Tag 2 der Reise mit Sonnentor in Albanien traue ich mir folgende Behauptung aufzustellen: Es gibt mindestens so viele Tankstellen wie Einwohner im Land. Diese bedingungslose Liebe für ein KfZ verstehe ich nicht ganz, Reiseleiter Martin hat dazu jedoch eine ganz pragmatische Erklärung. Das Highlight des Tages war allerdings ein Malven-Feld.
Gestern Abend haben wir noch Endrit Kullaj und seinen Mitarbeiter Ferdin Licaj kennengelernt. Gemeinsam mit ihren Kollegen sind sie Sonnentor Albanien. Endrit ist außerdem Professor für biologischen Landbau an der Uni in Tirana und Ferdin spricht nicht zur fließend Französisch, sondern kümmert sich auch um Schulungen für die Sonnentor-Bauern in Albanien. Endrit ist auch heute mit uns unterwegs und zeigt uns Anbaugebiete im Südosten des Landes. Auf dem Weg dorthin legen wir einen Zwischenstopp am Ohrid-See ein, es gibt vegetarische Vorspeisen und Lachforelle aus dem See.
Auf der Reise durch das Land sieht man: Albanien ist ein Land der kleinstrukturierten Landwirtschaft und vieler kleiner Selbstversorger. Sonnentor arbeitet in Albanien mit zehn Produzenten zusammen, die u.a. Kornblumen, Malve, Kalendula oder Sonnenblumen anbauen. Über 300 weitere Familien liefern süße Brombeerblätter oder Ringelblumen aus Wildsammlungen.
Was als Entwicklungshilfe-Projekt gemeinsam mit der ADA (die österreichische Entwicklungshilfegesellschaft) begonnen hat, hat in zwischen durch die Firmengründung von Sonnentor Albanien feste Strukturen bekommen. Auch hier geht es darum, den Produzenten ordentliche Preise zahlen zu können, die nicht von Weltmarktpreisen abhängig sind. Und trotzdem: 25% der in Albanien produzierten Mengen müssen abgelehnt werden, weil sie nicht den hohen Qualitätskriterien entsprechen. Aber: „Es wird besser“, meint Johannes Gutmann. „Qualität muss sich erst entwickeln.“
Wo das Qualitätsbewusstsein, das mit einem Bewusstsein für die Umwelt und für den Umgang mit Ressourcen einhergeht, teilweise steht, zeigt unter anderem die Selbstverständlichkeit, mit der ein alter Kühlschrank neben der Straße entsorgt wird, während wir auf dem Weg zu den Feldern sind.
Statt Kornblumen (die blühen noch nicht) besuchen wir ein Malven-Feld. Die Blüten und Blätter kommen später in den Tee, werden hier per Hand gepflückt und getrocknet. Der Pferdekarren ist hier nicht nur ein billiges und praktisches Transportmittel, viele können sich ihren geliebten Mercedes auch einfach nicht mehr leisten, denn die albanische Regierung hebt inzwischen hohe Steuern auf alte Autos ein. Reiseleiter Martin sagt, dass nach der Wende der Mercedes das Land gerettet hat. Der Stern als Ikone? Seine Erklärung ist – wie oben erwähnt – eine recht pragmatische: Nach dem Zusammenbruch der staatliche organisierten Landwirtschaft konnte sich kein Bauer neue Maschinen leisten. Einen alten Mercedes aber schon. Und so wurden die Pferdestärken des Autos kurzerhand zur landwirtschaftlichen Kraft und zogen die Erträge der albanischen Bauern sprichwörtlich aus dem Dreck. Das alles mag eine rural legend sein. Aber in einem Land, in dem auf jeden Einwohner eine Tankstelle kommt, ist wohl alles möglich.
Am Abend waren wir noch in einem Restaurant mit einer … naja, sagen wir „auffälligen“ Deko essen.
Und wer noch mehr über die albanische Seele, die Geschichte und vor allem über den Schriftsteller Ismail Kadare lernen will, dem sei >>> DIESES Interview mit eben jenem empfohlen.
Und noch was zum Schluss: James Belushi ist Albaner. Hier der Beweis: