Die Beauftragte für Nachhaltigkeit beim ORF im Interview
Hildegard Aichberger ist die Nachhaltigkeitsbeauftragte des ORF und damit auch für die Initiative Mutter Erde und die Ausrichtung des Eurovision Song Contest als Green Event zuständig. Wir haben mit ihr darüber gesprochen, wie man den Rundfunk in den Dienst der Nachhaltigkeit stellt.
Sie sind seit ein paar Monaten die Beauftragte für Nachhaltigkeit beim ORF. Gab es diesen Job eigentlich schon vorher?
Vor mir war Birgit Schacht Nachhaltigkeitsbeauftragte im ORF. Sie hat vieles erreicht auf dem ich aufbauen kann: die erste Schwerpunktwoche im ORF zu Klima und auch der Klimaschutzpreis entstanden in Ihrer Wirkungszeit. Beim Projekt MUTTER ERDE bin ich dann ins Spiel gekommen und seit November habe ich die Rolle der ORF Nachhaltigkeitsbeauftragten übernommen. Seitdem sind vor allem die Weiterentwicklung von MUTTER ERDE aber auch der Song Contest – der ja als Green Event ausgerichtet wird – meine Hauptprojekte.
Die Initiative MUTTER ERDE wird es in diesem Jahr zum zweiten Mal geben. Wie gut hat die Aktion 2014 funktioniert?
MUTTER ERDE wurde letztes Jahr als langfristig angelegte Initiative gegründet. Die erklärten Ziele sind, mehr Bewusstsein für die Umwelt zu schaffen, Menschen zu aktivieren und Spenden zu sammeln.
Ich bin mit unserem Start 2014 recht zufrieden: Wir hatten eine umfassende und breit aufgestellte Themenwoche zu Wasser im gesamten ORF und der Kronen Zeitung, eine aufsehenerregende Initiative von Ö3 und Greenpeace zum Thema Mikroplastik und konnten 22 Projekte finanziell unterstützen.
In diesem Jahr geht es Mutter Erde um den Schutz der Bienen. Wieso eigentlich gerade Bienenschutz?
Erstens geht es den Bienen wirklich schlecht, und es muss schnell etwas passieren damit sich das ändert. Es gibt auch kaum ein Thema im Umweltschutz bei dem es so direkte Betroffenheit der Menschen gibt – immerhin sind Bienen für den Grossteil unserer Nahrungsmittelproduktion mitverantwortlich. Und drittens sind Bienen Symbole geworden für eine vielfältige und giftfreie Natur, und genau das wollen wir ja erreichen.
Im letzten Jahr gab es auch viel Kritik an der ORF-Aktion. Viele Leute aus dem Umweltschutz-Bereich fanden die Tonalität der Kampagne reichlich antiquiert, und der Slogan „Mutter Erde braucht dich“ war etwas anmaßend gewählt, schließlich brauchen wir Menschen die Erde mehr als sie uns. Was wird sich 2015 verändern?
Naja, dass eine neue Marke und Werbelinie kontroversiell diskutiert wird ist ja fast schon normal. Was die einen antiquiert finden ist für die anderen „retro“ und damit wieder positiv besetzt.
Was ich für wichtiger halte ist, dass gerade in der Umweltszene das Feedback insgesamt sehr positiv war: es gibt einen hohen Bedarf an einer übergreifenden Initiative, an einem gemeinsamen „an einem Thema arbeiten“, das wurde uns vielfach bestätigt.
Heuer werden wir einiges weiterentwickeln: Einerseits haben wir das Thema enger und konkreter gewählt. Wasser als Thema war fast ein wenig zu breit und zu abstrakt. Ausserdem setzen wir heuer stärker auf „Mitmachen“: zB mit einem Aufruf der ORF Landesstudios eigene Bienenprojekte vorzustellen. Auch dazu eignet sich die Biene sehr gut.
Im letzten Jahr hat sich Mutter Erde dem Thema Wasser gewidmet. Im Jahr nach dem UNO Jahr des Wassers. In diesem Jahr widmet sich Mutter Erde der Biene. Ein Jahr nachdem der Bienenschutz ein EU-weit großes Thema war. Dieses Jahr ist UNO Jahr des Bodens. Dürfen wir damit rechnen, dass dann Mutter Erde 2016 das Thema Boden hat?
Es gibt schon konkrete Themenvorschläge fürs nächste Jahr, aber der Beschluss wird erst im Lauf des Sommers fallen. Soviel kann ich verraten: Boden ist nicht mehr im Rennen.
Sie waren schon bei McDonald’s und Chefin von WWF Österreich. Nun managen sie für den ORF eine Kooperation von großen NGOs und Unternehmen. Wie leicht sind diese Partner in einem so großen Projekt auf eine Linie zu bringen?
Der Anfang war schwierig, weil die Strukturen erst etabliert werden mussten. Inzwischen gibt es eine Vereinsstruktur mit einem Vorstand und mir als Geschäftsführerin und das funktioniert recht reibungslos. Wir geniessen hohes Vertrauen bei unseren Partnern und das macht die Arbeit einfach.
Was schwieriger ist und die meiste Energie erfordert ist, die Aktivitäten unserer Mitgliedsorganisationen zur Biene kommunikativ zu orchestrieren: Wir machen ja als MUTTER ERDE selbst keine inhaltliche Arbeit für die Biene, sondern sind eine Plattform über die das Thema mehr Aufmerksamkeit bekommen soll. Wir müssen sehr intensiv mit unseren Partnern in Kontakt stehen, damit die Initiative dann noch ein gemeinsames Gesicht behält.
Ist Mutter Erde eigentlich dankbar für jedes Großunternehmen, das sich an den Aktionen beteiligt, oder werden auch Unternehmen abgelehnt, zum Beispiel weil ihr Engagement bloßes Greenwashing wäre?
Wir haben sehr strenge Vorgaben, von wem wir Geld nehmen und von wem nicht. Dabei werden ganze Branchen von einer Kooperation ausgeschlossen, wie etwa Öl, Atom, Gentechnik, Flugreisen, etc. Es macht ja keinen Sinn aktiv für Umweltschutz zu sein, und dann von Geschäften zu profitieren, die der Umwelt schaden.
Allerdings ist es natürlich schwierig, hier die Grenze zu ziehen und eine Kooperation muss im Einzelfall entschieden werden.
Wenn eine große, öffentliche Rundfunkanstalt wie der ORF eine große Kampagne startet, wie schützt sie sich dann eigentlich vor Kampagnenjournalismus?
Im ORF gilt per Gesetz die redaktionelle Unabhängigkeit und das ist gut so. Es entscheiden also die Redaktionen selbst ob und wie sie bei einer Initiative mitmachen.
Für einen Schwerpunkt bedeutet das, dass mein Team und ich tatsächlich jede Redaktion überzeugen müssen, bei MUTTER ERDE mitzumachen. Das ist aufwändig, allerdings entsteht dadurch ein wesentlich höheres Involvement und das Ergebnis ist dann umso besser.
Die Bienen sind erfreulicherweise ein Thema, das in der KollegInnenschaft grosse Sympathie geniesst, daher können wir uns auf viele interessante Beiträge im Rahmen der Schwerpunktwoche freuen.
Wird eigentlich im Vorfeld einer Kampagne wie Mutter Erde definiert, wann sie als erfolgreich gilt, und wann nicht, bzw. macht so etwas überhaupt Sinn?
Den Erfolg von MUTTER ERDE wird man in Wirklichkeit erst nach einigen Jahren wirklich messen können. Es dauert einfach bis man eine Marke und eine Initiative etabliert hat. Natürlich setzen wir uns jedes Jahr Ziele: 2015 geht es uns vor allem um thematische Präsenz und Mitmachen.
Tun sie persönlich etwas für Bienen?
Ich esse viel regionales, saisonales und biologisch hergestelltes Obst und Gemüse, das hilft den Bienen weil die Obst- und Gemüsebauern viel für Bienen tun; Bio ist sowieso gut weil ohne Gifte. Ich bringe meiner kleinen Tochter bei, wie interessant es ist Bienen, Hummeln und Co zu beobachten und Natur insgesamt wertzuschätzen. Und ich setze mich für jede „Gstetten“ ein, die ökologisch wertvoll ist.
Mehr Infos zu Mutter Erde gibt es hier.