»Tempo 30 rettet Menschenleben«

Die Umweltschutzorganisation BUND kämpft gegen die geplante Lockerung des Berliner Luftreinhalteplans an. Martin Schlegel, Verkehrsreferent des Landesverbands, über Tempo 30 und die Verkehrsberuhigung durchs Homeoffice.

Ein Verkehrsschild mit der Aufschrift »30«.
Die Stadt Berlin möchte das Höchsttempo auf Hauptverkehrsstraßen von 30 auf 50 erhöhen. Bild: Istock.com/Lolon.

BIORAMA: Teile der Berliner Stadtpolitik möchten von Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen abrücken und den Individualverkehr wieder mit Tempo 50 ermöglichen. Was spricht dagegen?
Martin Schlegel: Tempo 30 dient vor allem zur Verkehrssicherheit – es rettet Menschenleben. Dazu vermindert es nachweislich Lärm und Abgase.

Die Argumentation des Senats lautet, dass die Grenzwerte für Luftschadstoffe ohnehin erreicht werden. Gleichzeitig empfiehlt die WHO niedrigere Grenzwerte als die derzeit EU-weit vorgegebenen. Müsste man Tempo 30 aus gesundheitlichen Gründen ausbauen?
Ab 2030 müssen ohnehin verschärfte Grenzwerte eingehalten werden. Es ist eigentlich ein Fall für den Rechnungshof, wenn Schilder zunächst abmontiert und dann – wenige Jahre später – wieder aufgestellt werden müssen.

Berlin war 2008 Pionier mit seiner innerstädtischen Umweltzone, in die nur abgasarme Kraftfahrzeuge fahren dürfen. Viele deutsche Städte zogen nach, mittlerweile haben Hannover, Heilbronn oder Erfurt die Umweltzonen wieder aufgelassen, weil ein Großteil der Fahrzeuge ohnehin inzwischen bessere Abgaswerte aufweist. Wie schätzen Sie die Situation in Berlin ein?
Es gab wohl nur eine Corona-bedingte Atempause. Die neuen EU-Grenzwerte werden wieder an vielen Hauptverkehrsstraßen überschritten werden.

Welche Maßnahmen wären kurzfristig wirksam, um die Luftqualität in Berlin zu verbessern?
Die wirksame Berliner Umweltzone wurde bisher beibehalten und kann aber auch noch »verschärft« werden. Sinnvoll wäre es, Tempo 30 auch wirksam zu kontrollieren und das Homeoffice weiter zu stärken. Die Menschen, die zu Hause arbeiten können, machen auch Platz in Bus und Bahn frei für die, die dies nicht können.

Was braucht es, um im Berliner Stadtgebiet den Null-Schadstoff-Aktionsplan der EU umzusetzen?
Die Weiterentwicklung der bereits genannten Umweltzone zu einer »Zero-Emission-Zone«, in die nur noch CO2-freie Fahrzeuge einfahren dürfen sowie die beschleunigte Umstellung von Diesel-Bus auf Straßenbahn.

Weil wir es das Jahr über immer vergessen: Zu Silvester ist die Luft in den Städten immer besonders schlecht. Braucht Berlin ein Böller- und Feuerwerksverbot?
Ja und zwar stadtweit – auch damit Wild- und Haustiere nicht verängstigt werden.

Ein Portraitfoto von Martin Schlegel.

Martin Schlegel ist Verkehrsreferent des Landesverbands Berlin-Brandenburg der Nichtregierungsorganisation Bund – kurz für »Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland – Friends of the Earth Germany«.

BIORAMA WIEN-BERLIN #4

Dieser Artikel ist im BIORAMA WIEN-BERLIN #4 erschienen

Biorama abonnieren

VERWANDTE ARTIKEL