Reis, Baby

Es gibt ihn locker, duftend oder stark, mit Biss!

Reis, der bei einer Feier in die Luft geworfen wird und auf zwei Menschen fällt.
Verschiedene Gerichte verlangen nach verschiedenen Reissorten. Bild: Istock.com/Solstock.

Gaggan Anand ist einer der besten Köche Asiens. Aufgewachsen in den Slums von Mumbai, betreibt er jetzt eines der höchstbewerteten Restaurants des Kontinents in Bangkok. Welches ist hier nicht von Belang. Darum geht es nicht. Wenn man zu ihm nach Hause eingeladen wird, drängt sich natürlich die Frage, was es zu essen gibt, förmlich auf. Für die Gäste. Nicht für ihn. Für Gaggan ist die Sache kristallklar. Eine Schüssel Reis. Weil der Reis sowohl für seine Herkunft als auch für seine Idee einer herausragenden Küche steht. 

Klebreis; In rohem Zustand prall und weiß. Gekocht dann leicht transparent. Bild: Istock.com/Koichi Yoshii.


Wobei: Es gab natürlich nicht irgendeinen Reis. Mango Sticky Rice. »Klebreis«, wie er – wenig schön – ins Deutsche übersetzt wird. Gaggan hat den Reis die halbe Nacht in Wasser eingeweicht. Mit etwas Anis. Was nicht unbedingt Teil der klassischen Rezeptur ist, dem Gericht aber eine erstaunliche Frische verleiht. Eine Viertelstunde im Bambusdämpfer (da ein derartiger Dämpfer normalerweise in einem westlichen Haushalt kaum verfügbar ist, geht auch ein Reiskocher) dämpfen und mit reifen Mangos servieren. Eine große Schüssel für alle. Keine Gabeln, keine Stäbchen. Gaggan ist in Mumbai aufgewachsen. Da nahm man stets die Finger. 

Jasmin: Das Duftbäumchen unter den Körnern. Bild: Istock.com/Alasdair James.

Um sticky rice (sorry, aber die englische Bezeichnung geht viel flüssiger über die Fingerkuppen) zu kochen, braucht es beim Reis eine spezielle Eigenschaft, nämlich einen hohen Anteil an Stärke. An Amylopektin, um genau zu sein. Dieser Reis ist die Kohlehydratgrundlage in Laos, dem Norden Thailands und in Teilen Südchinas. In Japan wird der Reis so lange geprügelt, bis das süße Mochi daraus wird. Er ist dem Jasminreis gar nicht unähnlich. Allerdings ist Jasminreis in rohem Zustand leicht transparent und Klebreis prall und weiss. Sobald der Reis gekocht ist, ist das genau umgekehrt. 

China und Indien sind die – mit Abstand – größten Reisanbauländer der Welt. Beide produzieren über 130 Millionen Tonnen Reis pro Jahr.

Das vielleicht erste Reiskorn der Welt

So viel zum Einstiegsbeispiel. Dorthin musste das Reiskorn aber erst einmal kommen, seine Geschichte geht zurück bis etwa 2500 vor Christi. Zu dieser Zeit wurde Reis vorwiegend in China angebaut. Oder besser gesagt dort, wo heute das Staatsgebiet Chinas liegt. Später dann Indien, dann Sri Lanka. Europa und Amerika kamen als Anbaugebiete erst viel später dazu. 

Basmati: Die Leichtigkeit des Reises. Bild: Istock.com/Alasdair James.

Die verschiedenen Arten und Sorten sind wahrscheinlich aus den unterschiedlichen Anbau- und Klimabedingungen entstanden, unter denen der Reis wuchs. Der hocharomatische, leicht verdauliche und ausgesprochen gesunde Basmati-Reis wächst in Pakistan, dem Norden Indiens und an den unteren Hängen des Himalaya im Hochland Tibets. Er ist der Reis mit dem längsten Korn überhaupt und sein Name ist Programm. Er (der Name) leitet sich vom Sanskrit-Wort ›vasmati‹ ab, was ›aromatisch‹ oder ›duftend‹ bedeutet. Es sind intensive florale und leicht nussige Noten. Sensorisch gesehen wertet er jedes Curry, jedes Pilaw und jedes Biryani auf. Geschmortes Fleisch sowieso. 

Carnaroli: Erste Wahl für ein Risotto. Bild: Istock.com/Jirkaejc.

Wo noch gibt es Reis?

In Italien gibt es einen Klassiker, bei dem der Reis für sich steht. Hin und wieder ist Spargel im Spiel, Pilze im Herbst. Oder Trüffel. Risotto. Für Risotti gibt es nur zwei Sorten. Arborio und Carnaroli. Arborio ist nach der piemontesischen Stadt benannt, in deren Umfeld die Reisfelder liegen. Carnaroli wächst hingegen – ebenfalls im Piemont – rund um die Städte Vercelli und Biella und hat – im Gegensatz zu Arborio – eine eigene Ursprungsbezeichnung: Riso di Baraggia Bielliese e Vercellese. Und er ist auch eine Spur teurer als Arborio. Beiden gemeinsam ist der hohe Anteil an Stärke und die daraus resultierenden Bissfestigkeit nach dem Kochen. Bei Italienerinnen und Italienern al dente genannt.

Etwas weniger Biss als der Carnaroli, aber immer noch guter Risotto-Reis. Bild: Istock.com/Alasdair James.

Was übrigens für ItalienerInnen der Risotto, ist für SpanierInnen die Paella. Genau dafür haben sie ihren Bomba-Reis. Oder Arroz bomba aus der Gegend um Valencia. Wer jemals Paella mit den oben genannten piemontesischen Reissorten probiert hat, wird kläglich gescheitert sein. Die zentrale Eigenschaft der Paella ist ihre Leichtigkeit. Die Reiskörner dürfen dafür keinesfalls zusammenkleben. 
Wieder etwas klebriger, weil mit hohem Stärkeanteil versehen, ist der Japonica-Reis, die Grundlage aller Nigiri und Maki-Rollen. Den typisch säuerlichen Geschmack bekommt Japonica-Reis allerdings von außen: durch eine Marinade aus Reisessig, Zucker und Salz. 

Reisanbau wird auch in Österreich betrieben, allerdings im Trockenabau. Warum er hierzulande auch in Zukunft ein Nischenprodukt bleiben erfährst du hier.

BIORAMA #88

Dieser Artikel ist im BIORAMA #88 erschienen

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