Wasserburg am Donau-Altarm
Wie alte Burgen und Schlösser heute zeitgemäß genutzt werden
»Wir erleben gerade die dritte Blütezeit von Schloss Orth«, sagt Annemarie Täubling erfreut. Sie ist Historikerin, wohnt selbst in der Nationalpark-Gemeinde und ist seit 20 Jahren als regionale Kulturvermittlerin tätig. Wenn sie in Orth durch die dicken Mauern der mittelalterlichen Wasserburg führt – »eine sogenannte Niederungsburg, umgeben von einem Wassergraben an einem Seitenarm der Donau« –, wird Geschichte lebendig. Erstmals erwähnt wurde Orth im Jahre 1021, in einer Schenkungsurkunde von Kaiser Heinrich II. an das Bistum Weihenstephan. Das heutige Schloss wurde Grabungen zufolge zwar erst im Hochmittelalter errichtet, vor 800 Jahren. »Wahrscheinlich stand an seiner Stelle aber ein Vorgängerbau.« Die erste Blüte fand im 16. Jahrhundert statt, als die der Kaiserfamilie loyal ergebenen Grafen von Salm es zu einem Renaissance-Kastell umbauten (an das heute u. a. eine gerade frisch renovierte Wendeltreppe erinnert). Schloss Orth soll ein Zwillingsbau der damaligen Wiener Hofburg gewesen sein. Darauf lassen auch Abbildungen der alten Hofburg schließen. »Darauf gleicht die Silhouette jener des heutigen Schloss Orth«, sagt die Historikerin. Danach kam Schloss Orth ins Eigentum der HabsburgerInnen, unter denen es – allerdings erst im späten 19. Jahrhundert – seine zweite Blüte erlebte: Kronprinz Rudolf genoss hier Ruhe, Privatheit und die reichen Jagdgründe in den Donau-Auen.
Seine Ära ist im Schloss auch heute – wo seit 2005 die Verwaltung und das BesucherInnenzentrum des 1996 gegründeten Nationalparks Donau-Auen residieren – noch spürbar. Das Büro von Nationalpark-Direktorin Edith Klauser ist im prächtigen Speisesaal des Kronprinzen untergebracht. »Der Empfangsraum des Sekretariats war 1887 nach einer von Rudolfs Hirschjagden der Platz für die Tafelmusik des Quartetts der legendären Schrammel-Brüder«, sagt Täubling. Im Schlafgemach des Prinzen ist heute die Buchhaltung untergebracht. Die Infostelle und der Shop des Nationalparks sind in ehemaligen Stallungen untergebracht. Formal gehört das Schloss seit Ausrufung der Republik und Enteignung der HabsburgerInnen 1918 der Allgemeinheit. Die Burghauptmannschaft der Republik Österreich hat es zu einem symbolischen Pachtschilling der Marktgemeinde Orth überantwortet. Diese finanziert den laufenden Betrieb gemeinsam mit dem wichtigsten Mieter, dem Nationalpark. Im zweiten Stock hat die Gemeinde ein eigenes Museum eingerichtet, es gibt Seminarräume und im Veranstaltungssaal finden regelmäßig Konzerte, Ausstellungen und Tanzabende statt. Im der Straße abgewandten Teil des Schlosses gibt es aber auch Wohnungen. Von den jährlich 40.000 BesucherInnen des Schlosses merken ihre MieterInnen wenig. Jedenfalls wurde für Schloss Orth eine adäquate Nutzung gefunden, schwärmt Annemarie Täubling. »Dem Gebäude wurde seine Würde wiedergegeben.«
Schlösserreich
Vor 20 Jahren legte die Bundesregierung im »Marchfeldschlösser-Gesetz« fest, dass rund um Schloss Hof und Schloss Niederweiden, beide im Besitz der Republik Österreich, nicht nur deren »Erhaltung, Öffnung und Belebung unter Bedachtnahme auf deren historische Konzeption« erfolgen solle, sondern auch eine »historische Schlösserstraße« errichtet wird. Mittlerweile umfasst das touristisch propagierte »Schlösserreich« im Marchfeld mehrere Prachtbauten: Schloss Hof, Schloss Niederweiden, Schloss Eckartsau, Schloss Marchegg und Schloss Orth. Das in diesem Zusammenhang auch immer wieder genannte Schloss Obersiebenbrunn ist daran nicht beteiligt. Es ist seit 2001 im Privatbesitz der koptisch-orthodoxen Kirche und wird als Kloster genutzt.
Weitere Infos zum Nationalparkzentrum Donau-Auen in Schloss Orth gibt es hier.
Hier ist nachzulesen, wie andere niederösterreichische Schlösser und Burgen im Besitz der Allgemeinheit heute genutzt werden.
BIORAMA Niederösterreich #10