Repair-Festival in Wien: »Repair more!«

»Reparatur ist Selbstermächtigung«, meint Tina Zickler – und erklärt, warum Wien das von ihr organisierte Repair-Festival braucht.

(Copyright: Re:pair Festival)
Von 15. Oktober bis 6. November 2022 findet in Wien erstmals das Re:pair Festival statt. (Bild: Re:pair Festival)

BIORAMA: Es gibt einen vom Klimaschutzministerium ausbezahlten Reparaturbonus. Die Teuerung dürfte die Bereitschaft, Gebrauchsgegenstände nicht leichtfertig wegzuwerfen, sondern wieder gebrauchsfähig zu machen, sprunghaft erhöhen. Warum braucht Wien im Herbst dennoch ein Festival der Reparaturkultur?
Tina Zickler: Wegen der eklatanten Folgen der Klimakrise müßten wir eigentlich sofort die Stop-Taste drücken, das Zeitalter der Reparatur ausrufen und alles flicken, was wir bis dato ruiniert haben.
Der Reparaturbonus des Klimaschutzministeriums gilt ja nur für technische Geräte und speziell im Bereich Mode gibt es ein großes Potential, achtsamer mit unseren Ressourcen umzugehen, das heißt konkret mittels Visible Mending löchrige Kleidung kreativ zu flicken und weiter zu tragen. Wie sagt Vivienne Westwood so schön: »Buy less« und ich ergänze »Repair more«.

Geht es eher darum, Bewusstsein für die Reparaturkultur zu schaffen oder sollen konkrete Skills vermittelt werden?
Zickler: Sowohl als auch. Die Ausstellung »Vor der Wegwerfgesellschaft«, die im Rahmen des Re:pair Festival gezeigt wird und 25 historische, reparierte Objekte aus den Sammlungen des Volkskundemuseums vorstellt, soll jungen Menschen zeigen, dass bis vor ca. 100 Jahren Reparatur Usus war. Reparatur ist nichts neues, sondern es war früher selbstverständlich, alles zu reparieren – Kleidung, Möbel, Werkzeuge – einfach alle Gegenstände des täglichen Gebrauchs.
Um Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen möglichst viele konkrete Skills zu vermitteln, d. h. ihnen Lust und Wissen für eigenständige Reparaturen mitzugeben, bieten wir ein umfangreiches Programm an Workshops. Denn Reparatur ist Selbstermächtigung und beflügelt die Kreativität! 

Du warst lange nicht in Wien, hast in Berlin gelebt. Gibt es etwas, wofür du in Wien besonderen Bedarf siehst? Oder eine Idee, die jemand von Wien nach Berlin exportieren sollte?
Zickler: Toll wäre es, wenn in Wien ein großes, dauerhaftes Repair-Zentrum geschaffen würde, wo verschiedene Werkstätten täglich frei zugänglich und diverse Materiallager beisammen wären. Selbstverständlich sollten dort auch regelmäßig Workshops angeboten werden. So etwas gibt es auch in Berlin nicht.

Es gibt im Rahmen des Festivals Workshops zum Flicken von Kleidung und Sockenstopfen, zum Reparieren von Sesseln und Gitarren, man kann live bei der Restaurierung von Kachelöfen dabei sein, es gibt Vorträge und Lectures, etwa von Sepp Eisenriegler zur »Reparatur als Königsdisziplin der Kreislaufwirtschaft«. Vor einiger Zeit war auch ein Workshop zum Reparieren von Smartphones angekündigt. Der ist wieder aus dem Programm verschwunden. Das ist schade.
Zickler: Ja, das ist schade, aber die Reparatur von Handys ist schwierig, weil der Großteil der Handys verklebt ist. Das heißt: eine Reparatur ist von Laien meist nicht zu schaffen, weil nur Profis über die notwendigen Geräte verfügen, um die kaputten Handys überhaupt zu öffnen. Zudem braucht es dafür Erfahrung, sonst geht leicht das ganze Handy drauf.

Auch Workshops zum Thema Visible Mending finden sich im Programm des Festivals. (Bild: Tina Zickler).

Das Repair-Festival bündelt bereits existierende Initiativen der Stadt. Das Programm wird laufend erweitert. Wenn jemand das Gefühl hat, noch etwas beitragen und einbringen zu können, sind Vorschläge erwünscht?
Zickler: Es war und ist mir sehr wichtig, möglichst viele Player im Bereich Reparatur mit einzubinden. Denn es gibt ja schon viele Initiativen, die im Rahmen des Festivals auch sichtbar gemacht werden sollen. Selbstverständlich bin ich offen für weitere Aktivitäten oder Projekte. Allerdings ist unser Programm-Folder bereits gedruckt und wird jetzt verteilt, weil am 1. September die Anmeldung für die über 100 Veranstaltungen startet.

Die Festivalzentrale befindet sich im Wiener Volkskundemuseum in der Laudongasse. Warum gerade dort?
Zickler: Bereits im vergangenen Jahr habe ich im Volkskundemuseum ein Festival präsentiert – das Kulturfestival »Memento Mori«. Die Zusammenarbeit war sehr gut und unkompliziert, das Team ist großartig. Das von Matthias Beitl und Claudia Peschel-Wacha geführte Haus ist von offenem Geist für die relevanten Themen der Gegenwart.

Der Kultursender Ö1 hat seit längerer Zeit einen Schwerpunkt zum Thema »Reparatur der Zukunft«. Da verwundert es fast ein wenig, dass der Sender kein Medienpartner ist.
Zickler: Wir kooperieren sehr wohl mit dem Kultursender Ö1 und Monika Kalcsics, die die Reihe »Reparatur der Zukunft« verantwortet, wird eine Lecture mit Diskussion moderieren. Am Freitag, den 21. Oktober um 18:30 Uhr stellt Michael Jonas seine Studie »Schauplätze des Reparierens und Selbermachens & die Notwendigkeit eines Wandels der Politik« vor. Anschließend diskutieren Stadtrat Jürgen Czernohorszky, Lukas Hammer, Nina Tröger und Michael Bernhard gemeinsam über seine Vorschläge und Ideen.

Ist das Festival als einmalige Sache geplant oder soll es auch 2023 ein »Re:pair Festival« geben?
Zickler: Ja, auch 2023 soll es ein »Re:pair Festival« geben und zwar mit dem Focus Fashion. Geplant sind Werkstätten an verschiedenen Orten, wo jedeR Visible Mending lernen kann. Zudem soll in diesen Werkstätten auch die Möglichkeit geboten werden, Secondhand-Kleidung kreativ umzugestalten. Das ist ein Trend, den viele junge Menschen gerade für sich entdecken. Zum Abschluss des Re:pair Festivals 2023 ist dann eine große zentrale Ausstellung geplant, in welcher alle reparierten und umgestalteten Kleidungsstücke präsentiert werden. Ob dieses Konzept umgesetzt werden kann, hängt natürlich davon ab, ob es mir wieder gelingt, die dafür notwendigen finanziellen Mittel aufzustellen. Sponsoren und UnterstützerInnen: welcome!

Das »Re:pair«-Festival findet erstmals von 15. Oktober bis 6. November 2022 an verschiedenen Orten in Wien statt. Weiterführende Infos: repair-festival.wien

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