Ohne Leder, ohne Plastik?

Es gibt bereits einige Lederalternativen, die in Schuhen zum Einsatz kommen. Sind darunter welche, die ohne Erdöl auskommen?

Vegane Winterschuhe
Es gibt sie, die Winterboots aus Lederalternativen, die uns trocken durch den Winter bringen. Bild: Bego5.

Lederersatzmaterialien wie Piñatex, Kautschuk oder Kork sind nicht mehr neu, inzwischen werden sie auch von einigen Fashionlabels zur Produktion vor allem von Schuhen, Taschen und anderen Accessoires eingesetzt. Bei der Herstellung von Schuhen benötigt man allerdings – besonders für die nasskalten Jahreszeiten – besonders strapazierfähige Materialien. Leider setzen hierzu viele ProduzentInnen immer noch verstärkt die klassischen Kunststoffe wie PVC und PU ein, die jetzt allerdings als vegane Lederalternativen gehandelt werden. Dabei wird laufend an neuen Werkstoffen gearbeitet, um den Anteil an erdölbasierten Kunstoffen zu reduzieren.

Ein Paar Ananas

Ananasfasern
Die extrahierten Ananasfasern werden für die Herstellung von Piñatex getrocknet und gereinigt. Bild: Ananas Anam.

Piñatex, das wohl bekannteste Material unter den Lederalternativen, wird aus Ananasblattfasern (PALF) hergestellt, die mit einer auf Mais basierenden Polymilchsäure (PLA) gemischt und in einem mechanischen Verfahren zu Piñafelt gewalkt werden. Dieser Vliesstoff bildet dann die Grundlage für alle Piñatex-Stoffe. Bisher wird das Produkt zwar noch mit einem erdölbasierten Harz beschichtet, das es besonders robust und wasserfest macht. Das Unternehmen Ananas Anam, Hersteller von Piñatex, arbeitet aber bereits an einer biologisch abbaubaren Alternative.

Wüstenschuh

Kaktusernte
Die Kaktusblätter können alle 6-8 Monate geerntet werden, ohne den Kaktus zu beschädigen. Bild: Desserto.

Das vielseitige Material mit dem Namen Desserto wird aus dem Nopal-Kaktus gewonnen. Es gilt als atmungsaktiv und widerstandsfähig. Der in Mexiko angebaute Grundstoff benötigt zum Wachsen nur sehr wenig Wasser. Bei der Herstellung wird die Pflanzenzellulose des Kaktus mit Epoxidharz zu einem Verbundstoff, der auf ein Trägermaterial aus Biobaumwolle aufgetragen wird. Dieses Epoxidharz, manchmal auch mit dem englischen Begriff »Epoxy Resin« versehen, ist ein erdölbasiertes Kunstharz, das wie bei der Herstellung von Piñatex zur Beschichtung eingesetzt wird.


Kakteen statt Avocados
Seit Jahren führt die Avocado zu massiven Umweltproblemen in den Hauptanbauländern wie Mexiko. Kakteen beispielsweise lassen sich bei geringem Wasserverbrauch kultivieren.

Koffein für die Füße

Das Sneakerlabel Nat-2, das bereits für seinen Einsatz von ungewöhnlichen Rohstoffen bekannt ist, hat 2018 einen Sneaker aus »Kaffeeleder« auf den Markt gebracht. Das patentierte Material besteht dem Label zufolge aus recyceltem Kaffee, Kaffeebohnen und Kaffeeblättern, dieses wird durch wasserbasierten Klebstoff mit einem Trägermaterial aus Flachs verpresst und so verbunden. Auch Re-Coffee, ein junges portugiesisches Unternehmen, verkauft Schuhe mit einem Obermaterial aus Kaffee als Grundstoff. Das Kaffeeleder besteht zu 50% aus Kaffeesatz und zu 50% aus recyceltem Naturkautschuk. In jedem Paar Schuhe wird der Satz von etwa 33 Espressos verarbeitet. Durch die raue Eigenschaft des Materials erhalten die Schuhe einen natürlichen Wildlederlook.

Schuhpilz

Während die meisten hier vorgestellten Rohstoffe bisher hauptsächlich von nur einem Hersteller zur oft auch patentierten Produktion von Lederalternative eingesetzt werden, gibt es bereits einige Start-ups, die Materialien aus Pilzen entwickeln. Mylo wurde von Bolt Threads entwickelt, einem Hersteller für innovative Materiallösungen. Hierfür werden Myzelien, dichte Wurzelfasern von Pilzen, die unter der Erde wachsen, mit Sägemehl und organischem Material unter kontrollierter Einhaltung der Luftfeuchtigkeit und Temperatur in einem Labor gezüchtet. Die schaumige Schicht des Myzels wird dann geerntet und zu Mylo weiterverarbeitet.

Sneaker aus Kokoswasser

Das Unternehmen Malai Eco (meist kurz »Malai«) aus Indien stellt den Hauptrohstoff für sein Lederimitat aus einer bakteriellen Zellulose her, die aus dem Wasser reifer Kokosnüsse gewonnen wird. Die aus der Fermentation entstandenen Platten sind nach 12–14 Tagen fertig und werden dann einem Veredelungsprozess unterzogen. Durch die Zugabe von Naturfasern, Gummi und natürlichen Harzen entsteht ein haltbareres und flexibleres Material. Das gleichnamige Material Malai kann zu flachen Platten in verschiedenen Stärken und Texturen oder nahtlos zu 3D-Strukturen geformt werden. Bisher hat der Stoff allerdings eine geringere Zugfestigkeit und ist daher noch nicht für alle Arten von Schuhen geeignet.

Tierisch, aber ohne Leder

Dieser neue Werkstoff ist zwar nicht vegan, unterscheidet sich aber deutlich von herkömmlichem Leder. Das innovative Material wird aus Abfällen von Meeresfrüchten wie Krabben-, Garnelen- und Hummerschalen sowie Kaffeepulver hergestellt. Die Meeresfrüchteabfälle wirken laut Hersteller antimikrobiell und antioxidativ. Mit diesem Stoff können beliebige Oberflächenstrukturen oder Designmuster nachgebildet werden. Der Hersteller empfiehlt für eine Verbesserung der Wasserbeständigkeit eine Beschichtung mit Bienenwachs. Bisher gibt es noch keine der Redaktion bekannten Schuhe aus dem neuartigen Material, das Potenzial dafür scheint aber vorhanden zu sein.

Vielversprechende Zukunft für Lederalternativen

Neben den hier vorgestellten Materialien gibt es noch einige weitere Rohstoffe und Materialentwicklungen, aus denen in den nächsten Jahren spannende Alltagsprodukte aus Lederalternativen hergestellt werden könnten. Das amerikanische Biotechnologieunternehmen Modern Meadow arbeitet beispielsweise mit Bio-Alloy und dem vorherigen Prototyp Zoa seit einigen Jahren an einem Lederersatz aus dem Labor, der durch die Kombination von ausgewählten Proteinen mit biobasierten Polymeren entsteht. Einzelne Schuh- und Bekleidungshersteller wie Veja arbeiten auch daran, den Anteil erdölbasierter Kunststoffe in ihren Schuhen durch Rohstoffe wie zum Beispiel Mais zu verringern. Es wird aber wohl noch eine Weile dauern, bis wir mit kunststofffreien Stiefeln und trockenen Füßen durch das nasskalte Wetter stampfen können.

BIORAMA #76

Dieser Artikel ist im BIORAMA #76 erschienen

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