Ulli Sima: »Immer auf Mission.«
Die Wiener Städträtin Ulli Sima im Interview zu ihrem ersten Jahr als Veganerin.
Ulli Sima, Amtsführende Stadträtin für Innovation, Stadtplanung und Mobilität in Wien, lebt seit rund einem Jahr fast ausschließlich vegan. Sie sieht sich hier auf einer kulinarischen Mission gegen Vorurteile.
BIORAMA: Frau Sima, Sie leben – mit wenigen Ausnahmen – seit fast einem Jahr vegan. Wie ist es dazu gekommen?
Ulli Sima: Mein Ausgangspunkt für diese Veränderung war ein gesundheitlicher, ich habe eine Leberentlastungskur gemacht. Das bedeutete: Kein Fleisch, kein Fisch, viel gedämpftes Gemüse. Das war für ein paar Wochen angedacht, doch ich habe schnell gemerkt, dass mir diese Ernährung gut tut und es mir besser geht. Ich habe aber auch schnell gemerkt, dass ich mir ein neues Kochbuch kaufen muss: Wenn ich koche wie gewohnt, dann gehen mir schnell die Ideen aus. Meine Wahl fiel auf »Deliciously Ella«, das Kochbuch einer britischen Foodbloggerin mit ausschließlich pflanzenbasierten Rezepten.
Bei mir kommt noch hinzu, dass ich mich wegen einer Unverträglichkeit glutenfrei ernähre und außerdem im Zuge meiner Kur beschlossen habe, zu versuchen, auch gleich auf industriell verarbeiteten Zucker zu verzichten. Das alles hat – zu einem dafür geeigneten Zeitpunkt, nämlich während der Lockdowns – zu einer intensiveren Beschäftigung mit dem Thema Kochen geführt, ich habe auch begonnen, veganen und glutenfreien Kuchen zu backen. Die auch durch Corona nochmal ins Blickfeld gerückten Verhältnisse in den Schlachthöfen haben mich dann zusätzlich bestärkt und ich war froh, kein Fleisch zu essen. Und natürlich ist vegane Ernährung auch ein Faktor beim Thema Klimaschutz.
Nach den acht Wochen Kur habe ich beschlossen, mit dieser Ernährung weiterzumachen – zu Weihnachten haben wir als Familie vegan und glutenfrei gekocht und einen Linsenbraten, den mein Sohn gemacht hat, genossen.
Das heißt, ihre Familie hat sich angeschlossen und zieht mit?
Meine Familie hat sich angeschlossen, nur mein Mann kocht sich hin und wieder ein Add-on wie ein Stück Fisch. Fisch ist auch das einzige, wo ich gelegentlich in Lokalen eine Ausnahme mache, wenn es bei veganen Speisen nur eine Auswahl mit zum Beispiel Nudeln gibt, die dann nicht glutenfrei wäre.
Ich habe mittlerweile vier vegane Kochbücher und die ungewöhnlicheren der darin genannten Zutaten bekommt man in Geschäften wie Maran Vegan (Veganer Supermarkt, Anm.). Ich musste aber feststellen, dass man für vegane Ernährung einen größeren Kühlschrank braucht – so ein Kohl ist einfach größer, kann aber zumindest im Winter auch auf dem Balkon gelagert werden. Es war sehr schön, neues Gemüse kennen zu lernen, dass ich noch nicht kannte.
Aber nicht nur meine Familie zieht mit, sondern auch im Büro wird nun einmal in der Woche vegan gekocht. Und das Thema ist auch bei meinen Eltern und im Freundeskreis angekommen. Man ist immer ein wenig auf Mission und kann anderen zeigen, dass vegane Ernährung nicht in erster Linie Verzicht bedeutet, sondern gut und schmackhaft ist.
Sie essen vermutlich viel auswärts, auch in Kantinen und öffentlichen Einrichtungen. Wie einfach kann man sich hier vegan ernähren?
Aktuell kann ich dazu nur bedingt etwas sagen, weil das auswärts essen durch Corona stark eingeschränkt ist. Ich kenne mittlerweile aber die Lokale in denen ich etwas passendes für mich bekomme: Asiaten mit Gemüsecurry und Kokos, vegane Lokale und natürlich welche mit Naturkost. Ich weiß, wo ich mich mit Leuten treffen kann und etwas für mich passendes bekomme. Nur beim Frühstück ist das Angebot noch klein – was bei mir aber in erster Linie an den Gluten liegt.
Macht es vegane, gemüsereiche Ernährung für Sie sogar einfacher keine Gluten und keinen industriell verarbeiteten Zucker zu essen?
Ja, weil man ohnehin genauer schauen muss, was man isst und man sich dadurch bewusster mit dem Thema beschäftigt.
Bei Maran Vegan sind die Lebensmittel biozertifiziert. Bedeutet vegane Ernährung nachhaltige Ernährung?
Meine Ernährung ist nicht nur politisch motiviert, aber es ist ein feiner Zusatzeffekt und ich habe nicht das Gefühl, auf etwas zu verzichten.
Gibt es etwas, das Ihnen besonders fehlt?
Mir geht so gut wie nichts ab. Eigentlich vermisse ich nur Käse, weil es bei veganem Käse noch viel Luft nach oben gibt. Ich habe aber auch schon früher nicht so viel Fleisch, sondern lieber Saucen und Beilagen gegessen. Stattdessen wurde mein Horizont erweitert und ich konnte meine Kochkünste verbessern. Also eigentlich nur Käse. Es gibt Alternativen bei Parmesan oder auch Butter, aber man muss suchen, welche einem zusagen. Was wirklich fehlt, ist Gorgonzola.
Kulinarisch steht Wien für Schnitzel, Gulasch und vielleicht noch Mehlspeisen. Kann man Wien hier neu sehen? Gerade als SPÖ mit ihrer Zielgruppe?
Nachdem ich für Mobilität und Stadtplanung zuständig bin, ist das nicht mein Hauptbereich. Einen Hebel gibt es vielleicht über das Thema Märkte.
Ich möchte mich aber auf jeden Fall des Themas Zucker annehmen. Wenn man sich dafür interessiert, sieht man erst, wo überall Zucker drin ist: in Suppenwürze, in Senf und Ketchup und in vielem anderen. Das kann ich über die Märkte im Konsumentenschutz ansprechen. Ich habe mich zuerst nur wegen meiner Kur damit beschäftigt, aber versteckter Zucker ist ein Thema.
Ein anderer Hebel wäre das Thema Lebensmittelverschwendung und ich bin sehr froh, dass sich in den Kantinen hier etwas getan hat. Es gibt mittlerweile überall zumindest eine vegetarische Alternative. Die Stadtwerke und ihre Kantinen liegen nicht mehr bei mir, aber wir konnten hier in den letzten Jahren einiges bewegen. Ich kann mit meiner Vorbildfunktion etwas tun, so sind viele meiner Bekannten interessiert und ich muss mein Kochbuch häufig verborgen und empfehlen. Es fehlt mitunter das Werkzeug, umso wichtiger ist es, dass man in Läden immer mehr Zutaten bekommt, die früher schwer zu bekommen waren. Das ist am Anfang eine Hürde. Doch es geht nicht darum, auf Ersatzprodukte umzusteigen, sondern die Vielfalt von Gemüse zu entdecken. Auch wenn ich manchmal einen Burger mit Erbsenprotein genieße. Und mit auch bei der Nachspeise gibt es viele Möglichkeiten, die bei Kokuskugeln oder Datteln erst beginnen.