Bio, regional, fair – und ich bestimme!

Wer bioregionale Produkte ohne ZwischenhändlerInnen einkaufen möchte, ohne regelmäßig alle Bauernhöfe selbst anzufahren, könnte es mit dem Modell Foodcoop versuchen. Ein Beginner’s Guide.

Foodcoops
Zusammengeschlossen zu Foodcoops können sich Haushalte nicht nur Einkaufsfahrten sparen, sondern bei großen Bestellmengen teilweise sogar Großhandelspreise erreichen. Eine faire Bezahlung für die bioregionalen Produkte ist jedoch immer zentraler Aspekt des Konzepts. Bild: iStock.com/Rudzhan Nagiev.

In einer Foodcoop, auf Deutsch »Lebensmittelkooperative«, schließen sich Privathaushalte zu einer Einkaufsgemeinschaft zusammen, um – ohne lange Lieferketten und ZwischenhändlerInnen – regionale Lebensmittel direkt von ihren ErzeugerInnen zu beziehen. Das sind zumeist kleine naturnahe landwirtschaftliche Betriebe, deren Erhalt hier gezielt gefördert werden will. 

Wie viele Foodcoops es in etwa im deutschsprachigen Raum gibt, ist nicht bekannt.  »Da die Foodcoops selbstorganisierte Systeme sind, wissen wir großteils nur von jenen, die Mitglied im Verein IG Foodcoops sind oder mit uns in Kontakt stehen«, sagt dazu Lorenz Miller für die IG Foodcoops in Österreich. Auf der Website der Interessensvertretung beläuft sich die Zahl der registrierten Foodcoops auf knapp 100, die meisten davon in Wien. In Deutschland sollen es laut Thomas Albrecht, Vorstandsmitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft der Lebensmittelkooperativen e.V., jedenfalls mehrere Hundert sein, doch auch dort gebe es keine offiziellen Zahlen oder Erhebungen. 

Wozu die Vereinsmeierei?

Jede Foodcoop ist anders. Auch ein loser Zusammenschluss von NachbarInnen, um ein Mal pro Monat gesammelt beim Biobauern zu bestellen, kann den Zweck einer Foodcoop bereits erfüllen. Es gibt also Foodcoops mit nur 15 Mitgliedern, andere haben wiederum 600. Sie unterscheiden sich nicht nur in ihrer Größe, sondern auch in ihrer Organisationsform. Um die richtige Form zu wählen, sollte man sich fragen: Was will unsere Foodcoop? Und was braucht sie, um Rechtsgeschäfte abschließen zu können? Braucht sie ein Lager oder einen Versammlungsort? Wenn ja, wer mietet an? Wer haftet? 
Ab einer gewissen Größe ist es daher sinnvoll, die Vereinigung auf rechtlich sichere Beine zu stellen. Die gängigste Rechtsform von Foodcoops in Österreich sind Vereine. Auch Vera de Hesselle, deutsche Wirtschafts- und Steuerrechtsexpertin, die seit rund 30 Jahren Foodcoops bei der Gründung berät, empfiehlt: »Für den Anfang macht ein Verein für eine Foodcoop sicherlich Sinn. Ab einer gewissen Größe wird man aber vielleicht über eine andere Organisationsform nachdenken müssen. Vor allem, wenn das Element der Gewerbsmäßigkeit ins Spiel kommt. Große Foodcoops mit 600 bis 700 Haushalten sind in Deutschland häufig als Genossenschaften oder gemeinnützige GmbHs organisiert.«

Gemüse in einem Korb
Bei einer Lebensmittelkooperative werden Lebensmittel direkt von ihren ErzeugerInnen bezogen. Bild: Pixabayx.com/congerdesign.

Wann ist die Foodcoop eine Foodcoop?

Anders als beispielsweise beim Modell der »solidarischen Landwirtschaft (CSA)«, in der man als Privatperson einen realen Anteil an der jährlichen Ernte eines Bauernhofes erwirbt, bleibt bei Foodcoops die Trennung zwischen KonsumentIn und ProduzentIn prinzipiell aufrecht. Abhängig vom Bedarf wird dem Betrieb regelmäßig eine Liste der gerade benötigten Lebensmittel übermittelt.
Auch dürfen Foodcoops nicht mit gewerblich betriebenen Handelsunternehmen und Vertriebsplattformen verwechselt werden, denn Foodcoops beziehen Lebensmittel meist nur für den Eigenbedarf und sind prinzipiell eine in sich geschlossene Bezugsgruppe. 
Gewerbsmäßig agieren können Foodcoops unter bestimmten Umständen dennoch. Ist das der Fall, muss ein Gewerbe angemeldet werden. In der Praxis wird bei einer Foodcoop Gewerbsmäßigkeit häufig dann angenommen, wenn sie aufgrund ihrer Größe Angestellte braucht, um den Betrieb aufrechtzuerhalten, und/oder öffentliche Einkaufstage einführt. Auch das Erzielen anderer Einnahmen als der für einen Verein üblichen (Mitgliedsbeiträge, Förderungen, Spenden) lässt Gewerbsmäßigkeit vermuten. Es bedarf aber einer Prüfung im Einzelfall. 

Ob eine Foodcoop gewerblich tätig ist oder nicht (abgesehen von der Meldepflicht), hat auch Auswirkungen auf die Komplexität der jährlichen Buchhaltung und die Frage, ob und wie viel Steuern für die ausgeübte Tätigkeit anfallen. 
Ist das rechtliche Konstrukt gewählt und hat man sich auf grundlegende Ziele geeinigt, dauert es ein wenig, bis alles rund läuft, so Christian Steinbichler, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit bei Salzburgs ältester Foodcoop »Salzkörndl«:  »Wie lange diese Phase des Auslotens dauert, hängt stark vom Gründungsteam und dem Know-how ab, das mitgebracht wird.« Die größte Hürde sei anfangs gewesen, ein Lager zu finden, das den Voraussetzungen entspricht und erschwinglich war: »In Salzburg sind die Mietpreise hoch, sogar für Garagen. Etwas zu finden, das auch geografisch für alle Sinn macht, hat gedauert.«

Eier, Milch und Butter
Regionalität ist das Zauberwort, das viele dazu bringt, sich in Foodcoops zu engagieren. Bild: silviarita.

Wie viel Papierkram ist zu erledigen?

Ist die Foodcoop als Verein organisiert, ist dieser zur Buchhaltung und Abgabe einer jährlichen Einnahmen-Ausgaben-Rechnung verpflichtet. Die für den Verein typischen Einnahmen, wie Mitgliedsbeiträge, Spenden und öffentliche Förderungen, sind in der Regel steuerfrei. »Ist eine Foodcoop nun gewerblich tätig, in einer Genossenschaft oder sonstigen Körperschaft organisiert, müssen unter Umständen eine jährliche Bilanz und in jedem Fall zusätzliche Erklärungen, wie etwa eine Körperschaftssteuererklärung und eine Umsatzsteuererklärung, abgegeben werden«, betont Vera de Hesselle. 

Mitbestimmung kostet Zeit

In einer Foodcoop spielen Bewusstseinsbildung für das eigene Konsumverhalten und die damit verbundene Verantwortung sowie die aktive Teilhabe an der Gruppe eine wichtige Rolle. Die meisten Foodcoops setzen daher den Willen zum ehrenamtlichen Engagement voraus: Über Produktionsbedingungen diskutieren, Bestellungen verwalten und Abholungen organisieren, das alles steht auf der Tagesordnung. Wie viel Zeit man investieren muss, hängt aber von der jeweiligen Foodcoop ab. »Neben den monatlichen Plenarsitzungen muss man bei uns rund vier bis fünf Stunden pro Monat für Putzdienste oder Kochabende einplanen«, so Antonia Mittendrein, Mitglied bei der Wiener Foodcoop Möhrengasse, die aus 70 Mitgliedern besteht. 

Keine Schnäppchenjagd

Personen, die Foodcoops als gute Möglichkeit sehen, um regionale Biolebensmittel zu Schleuderpreisen einzukaufen, müssen an dieser Stelle enttäuscht werden. Preisdumping ist in Foodcoops kein Ziel. Zwar kann man durch den Zusammenschluss von möglichst vielen Haushalten oft gemeinsam die Mindestbestellmengen für Großhandelspreise erreichen – vor allem in Deutschland gibt es einige große Foodcoops (600 bis 700 Mitglieder), die primär diesem Zweck dienen –, dennoch ist faire Bezahlung ein zentraler Aspekt des Konzepts eines umfassend wertschätzenden Umgangs mit Lebensmitteln. Durch die gezielte Abnahme von Mengen von Betrieben, die nur so viel produzieren, wie im Voraus vereinbart wurde, kann Lebensmittelmüll vermieden werden. Und kurze Transportwege, die Vermeidung von Verpackungsmüll und der Verzicht auf Spritzmittel und chemische Dünger lassen den Planeten aufatmen.

BIORAMA #71

Dieser Artikel ist im BIORAMA #71 erschienen

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