Soll die Freizeitjagd abgeschafft werden? Ja …

… Denn es ist allerhöchste Zeit, das »Hobby« Jagd durch ein professionelles und effektives Wildtiermanagement zu ersetzen. Ein Gastkommentar von Martin Balluch.

Eine Frage, zwei Meinungen: Hier die von Martin Balluch, Obmann des Vereins Gegen Tierfabriken. Bild: iStock.com/Dgwildlife.

Wussten Sie, dass in Österreich jährlich etwa 100.000 Fasane, Enten und Rebhühner aus Massentierhaltung – vorzugsweise aus Tschechien und Ungarn importiert – angekauft, ins Jagdrevier transportiert, ausgesetzt und wieder abgeschossen werden? Wussten Sie, dass man Feldhasen massiv mästet und die kleinen Beutegreifer in diesen Revieren ausrottet, um in fröhlicher Gesellschaftsjagd 600 Hasen an einem Tag abzuknallen? Wussten Sie, dass es noch immer 85 Jagdgatter in Österreich gibt, in denen man nach Preisliste Treibjagden auf gefangene Tiere veranstaltet, die vorher dafür gezüchtet worden sind? Wussten Sie, dass man in Österreich – auch in seinen Nationalparks – etwa 1800 Schnepfen, 3000 Wildgänse, 600 Blässhühner, 400 Auerhühner, 1500 Birkhühner, 8000 Murmeltiere und 9000 Dachse pro Jahr abknallt? Alle diese Jagdarten haben eines gemeinsam: Sie dienen ausschließlich der Belustigung einiger weniger Menschen zum Nachteil von Natur und Tieren.

Wildfütterung und Wintergatter

Der Verfassungsgerichtshof war bei unseren bisherigen Anträgen auf Jagdfreistellung von Grundstücken, deren BesitzerInnen diese Art der Belustigung aus ethischen Gründen unterbinden wollten, leider der Ansicht, dass die Jagd dennoch eine wichtige Rolle für die Gesellschaft spielt. Und zwar würde dadurch der Wald vor Verbiss geschützt. Seltsam nur, dass trotz hoher Jagdstrecken und behördlicher Abschusspläne für Wildschweine, Rehe, Hirsche und Gämsen der Wildschaden im Wald ungeheure Ausmaße angenommen hat. Der Grund ist leicht zu identifizieren: die massiven Wildfütterungen landauf, landab mit zahlreichen Wintergattern.

Naiv würde man vielleicht erwarten, dass das Füttern von Wildtieren doch eine gute Sache wäre. Dann essen sie den Wald nicht, und überhaupt käme das den Tieren zugute. Doch weit gefehlt. Zahlreiche Studien, zuletzt von der Veterinärmedizinischen Uni Wien, zeigen, dass Wiederkäuer im Winter das Verdauungssystem umstellen, woran sie die Fütterung hindert. So verbrauchen sie viel mehr Energie und werden auch magenkrank. Zusätzlich bindet die Fütterung die Tiere in die Nähe, sodass dort eine unnatürlich hohe Wilddichte entsteht, mit allen Zusatzproblemen von Krankheiten und Parasiten bis zum massiven Verbiss. 
Und natürlich füttert die JägerInnenschaft nicht aus Tierliebe, sondern um kapitale Trophäen zu erzielen, was ihnen das Kraftfutter verspricht. Alle 70 gut durchgefütterten Individuen kommt ein superkapitales Geweih zustande. Die Wilddichte ist aber dadurch fünf bis zehn Mal so hoch, wie es die Natur verträgt.

Die Lösung: Kanton Genf

Das Problem ist, dass zahlungskräftige Menschen mit Hang zu Massenabschüssen oder Trophäen völlig das Ökosystem und dessen Ansprüche aus den Augen verlieren. Im Kanton Genf, wo in den 1970er-Jahren ein Jagdverbot erlassen wurde, geht man andere Wege. Dort prüft man nach Kriterien der Ökologie und des Schadens an der Landwirtschaft, welche Maßnahmen zu treffen sind, und greift Ultima Ratio auf die Tötung zurück. Und die wird effektiv und ohne Traditions-Trara durchgeführt: Kirrung in der Nacht mit Abschuss mit Schalldämpfer und Nachtsichtgerät. Kosten: ein Häferl Kaffee pro BürgerIn pro Jahr. 

Martin Balluch ist promovierter Mathematiker und Philosoph, Mitbegründer der Veganen Gesellschaft Österreich und seit 2002 Obmann des Vereins Gegen Tierfabriken.

BIORAMA #69

Dieser Artikel ist im BIORAMA #69 erschienen

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