Eine Mall geht noch

Das gute alte Kaufhaus bietet in Berlin nun auch Altwaren feil, aber statt Tand gibt es hier Reuse-Objekte und Upgecyceltes. Es heißt jetzt Mall und bringt vielleicht das Beste aus zwei Welten.

Die Nochmall in Berlin sieht aus, wie ein gewöhnliches Kaufhaus. Verkauft wird dort fast alles - außer Neuware. Bild: BSR.

Wer die Wertstoffsammlung einer Großstadt organisiert, bestimmt über das Ende der Dinge. Diese Machtposition über den Produktzyklus ist den 48ern, wie die Wiener Magistratsabteilung für Abfallwirtschaft, Straßenreinigung und Fuhrpark sich selbst liebevoll nennt, schon seit Langem bewusst, und sie machen auch was draus. Seit 1989 zum Beispiel den 48er-Tandler – ein städtisch organisiertes Altwarenkaufhaus für »alte, aber noch verwendbare Gegenstände«, die auf den Mistplätzen (das Wiener Pendant zu dem, was die Mehrheit der deutschsprachigen Welt inzwischen Recyclinghof nennt) der Stadt gezielt gesammelt werden. Einen Trödler im noch größeren Stil gibt es nun endlich auch in Berlin. Ein bisschen entstaubt und auf 2000 Quadratmetern umgesetzt hat das Konzept niemand geringerer als die Berliner Stadtreinigung BSR – eine der Maßnahmen zur Umsetzung des Abfallwirtschaftsgesetzes des Landes Berlin für die Jahre 2020 bis 2030. Mit der Namenswahl Nochmall klingt schon eine Ansage durch: Dem verbreiteten Glauben, dass nachhaltige Einkaufsstrukturen nur im Kleinen möglich sind, hängt man hier nicht an. »Ob Mall oder kleiner Laden, das ist aus unserer Sicht keine Kondition für Nachhaltigkeit. Es kommt auf das Sortiment an und das sind bei uns eben Dinge, denen wir und die ehemaligen Besitzenden ein zweites Leben geben wollen«, stellt Frieder Söling, Geschäftsführer der NochMall GmbH, klar. 

Nach einem offenbar erfolgreichen Pilotversuch im Jahr 2018, der durch Verkauf von Produkten aus den Recyclinghöfen über einzelne Secondhandläden das Marktpotenzial ausloten sollte, wurde im Sommer 2020 die Kombination aus Secondhand-Kaufhaus und Nachhaltigkeits-Zentrum mit interaktivem Programm eröffnet. Derzeit wird hier nur verkauft, was auf den Sammelstellen von zwei der 15 Recyclinghöfe gesammelt wird. Doch »weitere sollen – wo Platz dafür ist – dazu kommen. Seit der Eröffnung der Nochmall Anfang August kommen aber auch immer mehr Menschen direkt zur Nochmall, um ihre nicht mehr benutzten Dinge dort abzugeben«, freut sich Söling. Gefragt, was die Nochmall, abgesehen von ihrem Veranstaltungs- und Kursprogramm, vom Wiener 48er-Tandler unterscheidet, antwortet Söling: »Vieles ist so wie im Tandler auch, aber wir wollen unseren KundInnen das Gefühl geben, in einem ganz normalen Kaufhaus einzukaufen, eben nur: alles außer neu. Das heißt für uns: Alles ist sauber und übersichtlich angeordnet, das Kaufhaus ist hell und die Regale sind nicht vollgestopft. Außerdem sind für uns die MitarbeiterInnen der Nochmall wichtig, die den Kunden mit Rat und Tat freundlich zu Seite stehen.« Man hat sich bei der Konzeptentwicklung mit der Stadt Wien ausgetauscht und einen Lokalaugenschein im 48er-Tandler durchgeführt. Gut möglich, dass man dort gerade neugierig in die Nochmall schielt.

Im Sommer 2020 eröffnete die Nochmall: eine Kombination aus Secondhandkaufhaus und Nachhaltigkeitszentrum mit interaktivem Programm. Bild: BSR.

VERWANDTE ARTIKEL