Ökolandbau und Gastro: Ein Kommunikationsproblem
Wie Johannes Erz mit Kürbissen und Linsen eine Brücke zwischen dem Ökolandbau und der Gastrobranche bauen will.
Wir befinden uns in Alt Tucheband, einem Ort unweit der polnischen Grenze, südlich von Golzow. Hier liegt der Hof von Johannes Erz, einem jungen Ökolandwirt voller Leidenschaft. Und wenn man den öffentlichen Stimmen folgt, spiegelt sein Werdegang genau den aktuellen Zeitgeist der Landwirtschaftsbranche wider. Johannes hat in der konventionellen Landwirtschaft gelernt, wo er allerdings schon nach einiger Zeit feststellte, dass ihm die Mechanismen und die Art der Bodenbewirtschaftung nicht wirklich zusagen. Also beschloss der gebürtige Baden-Württemberger, seinen Job zu kündigen und in Eberswalde die ökologischen Möglichkeiten der Landwirtschaft zu studieren. Von dort war es nur noch ein Katzensprung ins östliche Brandenburg, wo er 2016 zusammen mit seiner Frau Hanna den Hof mit den angrenzenden zehn Hektar Land kaufte. Seitdem wird selbst angebaut. Ökologisch. Kürbis, Kartoffeln, Zucchini.
Optimierte Prozesse
Wir schlendern über den Hof und sehen wilde Natur. In der prallen Mittagssonne picken die Hühner im Klee, die Pferde produzieren fleißig Naturdünger und die Bienen arbeiten sich von Zucchiniblüte zu Distel und weiter zur Kürbisblüte. Mitten im grünen Dickicht erkennen wir leuchtend orangefarbene Kürbisse, die zur Ernte bereit sind. »Dass wir Hokkaido-Kürbisse anbauen, hat unterschiedliche Beweggründe«, verrät uns Johannes. »Zum einen ist es ein Gemüse, bei dem der Aufwand ganz gut allein realisierbar ist und man die Lohnkosten so gering wie möglich halten kann. Zum anderen haben wir in den letzten Jahren schon viel Erfahrung damit sammeln und die Prozesse optimieren können, sodass es heute einfach Spaß macht, den Früchten beim Wachsen zuzusehen.« Die reifen Feldfrüchte verkauft Johannes unter anderem an größere verarbeitende Betriebe, einzelne LebensmittelhändlerInnen, die Gastronomie und über seinen eigenen kleinen Hofladen. Der Absatz in der Gastronomie gestaltet sich dabei noch etwas schwierig.
Die Tiere helfen mit
Für Johannes gibt es kein Zurück mehr vom Ökolandbau. Dass dieser viele Vorteile hat, zeigte sich besonders in diesem Jahr. Die nachhaltige Landwirtschaft ist meist klimaresilienter als der konventionelle Bereich, da nachweislich nur kleinere Schwankungen im Ertrag zu verzeichnen sind, wenn es beispielsweise weniger regnet. Lieferengpässe gibt es in der Regel also kaum, es sei denn die Ware ist aufgebraucht. Von VerbraucherInnenseite ist auch der bessere Geschmack von Bioobst und Biogemüse ein häufiges Argument. Essenziell für Johannes ist aber die natürliche, nachhaltige und gemeinschaftliche Art der Landwirtschaft. Für den studierten Landwirt besteht der Ökolandbau nicht nur aus Sähen und Ernten. Vielmehr ist es ein in sich stimmiges System, bei dem die Tiere mithelfen, egal ob im Bereich der Düngung, Bodenbearbeitung oder Belieferung des Hofladens mit Bioeiern. »Wir produzieren Lebensmittel, dafür sind wir da. Und unsere Grundlage ist der Boden. Deshalb muss alles versucht werden, damit dieser noch viele Generationen lang fruchtbar und lebendig bleibt. Und so wird eben nicht künstlich gedüngt oder weggespritzt, was überall weggespritzt wird. Das Unkraut wird mit Pflug und Maschine bearbeitet und der Rest ist Bodenarbeit, Fruchtfolge, Geschick und Natur. Das macht Spaß. Da muss man noch nachdenken. Die konventionelle Landwirtschaft ist Grundschule dagegen«, meint Johannes lachend.
Szenenwechsel. Der Fotograf steht mit kurzer Hose im Kürbisfeld. Johannes zeigt vollen Körpereinsatz und die Kamera klickt im Sekundentakt. Die Schienbeine brennen. Ebenso die Sonne. Um der erbarmungslosen Mittagshitze zu entkommen, flüchten wir an den kühlen Küchentisch. Es ist Zeit, die ernsten Themen anzusprechen: Wie läuft denn das nun mit der Gastronomie und der Ökolandwirtschaft? Geht das gut zusammen? Gerade mit Berlin vor der Hoftür?
Es liegt nicht am Preis
»Das Gros der Gastronomie will mit Öko nichts zu tun haben. Zumindest höre ich das immer wieder von den GastronomInnen und KollegInnen«, beginnt Johannes. Das überrascht uns, wo doch der allgemeine Trend immer mehr in Richtung bio, öko, regional und lokal geht. Woran liegt es, dass die ProtagonistInnen der Gastrobranche nicht um Partnerschaften mit LandwirtInnen wie Johannes wetteifern? »Am Preis zumindest kann es nicht immer liegen, besonders wenn man einige regionale Gemüse- und Obstangebote aus dem konventionellen Anbau vergleicht. Das können wir mit Öko genauso. Das weiß nur niemand.« Für ihn ist einer der Hauptgründe der Problematik die mangelnde Kommunikation zwischen AbnehmerInnen und ErzeugerInnen. Auf der einen Seite kennen die GastronomInnen die Möglichkeiten nicht gut genug, und auf der anderen Seite können die LandwirtInnen nicht langfristig planen, da sich Wünsche und Absatz schlecht einschätzen lassen.
Planung und Kommunikation
Die Einschätzung von Johannes: »Die Ursache mag darin liegen, dass sich die Landwirtschaft und die VerbraucherInnen, darunter auch die Gastronomie, in den letzten Jahrzehnten voneinander entfernt haben. Dadurch, dass jede Ware von überall immer verfügbar ist, hat sich die Landschaft homogenisiert. In allen Betrieben wird das Gleiche mit dem Ziel des größtmöglichen Ertrags angebaut. Mais, Raps, Getreide. Das System ist kaputt. Es gibt keinen Platz mehr für Klein-Klein und Vielfalt.« Er schlägt deswegen vor, wieder intensiver miteinander zu sprechen und den Lebensmitteln ihre Wertigkeit zurückzugeben: »Wenn LandwirtInnen wissen, was sie in einem Jahr sicher verkaufen können, dann pflanzen sie gern Kürbis, Kartoffel und Zucchini an und sind auch bereit für Experimente.« Bei ungewissen Aussichten fällt es schwerer, riskante Entscheidungen zu treffen und zu investieren: »Entsprechend grau sieht dann auch die Auswahl und Verfügbarkeit für die Gastronomie aus.« Gerade eine langfristige Planung ist nur durch bessere Kommunikation möglich. Ein Landwirt wie Johannes muss ein Jahr im Voraus entscheiden, was er im nächsten Jahr anpflanzt, ohne zu wissen, ob die entsprechende Nachfrage zur Erntezeit vorhanden sein wird.
Johannes sieht eine mögliche Lösung darin, eine konkrete Abnahmegarantie und Planungssicherheit seitens der HändlerInnen und Gastronomie einzuführen. Je besser in den Küchen und Kantinen vorgeplant und der Warenbedarf an die ErzeugerInnen kommuniziert wird, desto sicherer kann auch im Landbau geplant werden. Und desto mehr Zeit bleibt, um zwischendurch mal etwas Neues auszuprobieren, wie beispielsweise den Anbau von Linsen. »Wir können nur einmal im Jahr alles richtig oder alles falsch machen. Zurückrudern oder umschwenken innerhalb des Jahres ist einfach nicht möglich. Wir arbeiten mit der Natur zusammen, und diese Zusammenarbeit braucht Zeit.« Doch bei einer durchdachten und bestenfalls mehrjährigen Planung kann man auch im Ökoanbau stabilere Erträge und Ergebnisse zu guten Preisen erreichen – noch dazu mit meist besserer Produktqualität.
Wenn es nach Johannes geht, sollten sich LandwirtInnen und KöchInnen regelmäßig zusammen an einen Tisch setzen und die grundlegenden Dinge besprechen. Er hat sich deshalb über die Kooperation mit dem Händler Transgourmet gefreut, der ihm für die Erntesaison 2020 eine feste Menge Kürbisse abnimmt. Die Kürbisse werden bei einem Verarbeiter in Brandenburg vorgeschnitten, damit sie dann unkompliziert in den Berliner Großküchen eingesetzt werden können.
Wer also gern Kürbisse, Kartoffeln, Zucchini, Linsen oder sogar bald Erdnüsse aus Brandenburg von einem engagierten Ökolandwirten kaufen möchte: Johannes freut sich über einen Anruf, eine E-Mail oder im besten Fall ein persönliches Gespräch auf seinem Acker. Kommunikation ist eben alles. Im Leben, wie in der Liebe. Und im Geschäft.