Who-is-Huhn
Ein Lexikon der Hühnerhaltung von alten Rassen bis zum Zweinutzungshuhn.
Alte Rasse
Wer Hühner nicht bloß als Hobby und fürs eigene Frühstücksei hält, steht seit den 1960er-Jahren vor der Entscheidung: Eierlegen oder Turbomast. Entweder oder. Die über Jahrtausende bewährte Nutzung von sowohl Fleisch als auch Eiern wurde in der industrialisierten Geflügelhaltung aufgegeben. Stattdessen setzt man auf effiziente Gebrauchszüchtungen (s. Hybrid). Die unzähligen robusten Hühnerrassen, die für beides gut waren, sind heute deshalb oft weitaus bedrohter als Wildtiere, die es auf Rote Listen geschafft haben. Sie stellen allerdings eine wichtige Genreserve dar, sind gewissermaßen ein Back-up für die Welternährung und Teil der kulturellen Biodiversität. Engagierte Ökobäuerinnen und -bauern und bewusste HobbyhalterInnen entscheiden sich deshalb oft bewusst fürs Sulmtaler Huhn, den Bergischen Kräher oder das Sachsenhuhn.
Bioei
Seit 2005 müssen sortierte, direkt für den Verkauf bestimmte Eier in der Europäischen Union gekennzeichnet werden. Eine Zahlen-Buchstaben-Kombination gibt Auskunft über Haltungsbedingungen, Herkunft und Ursprungsbetrieb. Klingt kompliziert, ist aber einfach zu entschlüsseln: 0 steht für Bio-, 1 für Freiland-, 2 kennzeichnet Boden- und 3 Käfighaltung. DE bezeichnet die Herkunft aus Deutschland, AT aus Österreich und PL aus Polen. Bio ist der höchste Tierhaltungsstandard, gesteht den Tieren u .a. mehr Platz zu und garantiert, dass kein gentechnisch verändertes Futter verwendet wurde.
Freilandei
Freilandhaltung garantiert lediglich Auslauf, Bodenhaltung bedeutet durchgängige Stallhaltung. Käfighaltung (die sogenannte Legebatterie) ist seit 2012 theoretisch EU-weit verboten. Praktisch ist Kleingruppenhaltung im Käfig nach wie vor erlaubt. Und flüssig im Kübel gelangen viele Eier aus Käfighaltung in die Gastronomie.
Eintagsküken
Die Aufnahmen von frisch geschlüpften männlichen Küken, die am Fließband in den Shredder-Tod befördert werden, bleiben im Gedächtnis. In der industriellen Eierproduktion spricht man von sogenannten Eintagsküken, den schwachbrüstigen Brüdern der Legehennen. Sie sind genetisch nicht auf Muskelmasseaufbau optimiert, legen keine Eier, gelten deshalb als Abfall und landen geshreddert oder tiefgefroren als Tierfutter in Zoos.
Hybrid
In der industriellen Landwirtschaft kommen mittlerweile ausschließlich sogenannte Hybridzuchten zum Einsatz. Diese sind das Ergebnis von Inzucht und entweder auf den effizienten Aufbau von Muskelmasse (Masthybrid) oder aber auch maximale Eierlegeleistung (Legehybrid) ausgelegt. Genetisch handelt es sich jedoch um keine Hybriden, sondern um Gebrauchszüchtungen.
Kapaun
Außerhalb Frankreichs ist der Kapaun weitgehend von den Speisekarten verschwunden und überlebt nur in alten Märchen und Geschichten. Im Alter von etwa zwölf Wochen kastriert gilt sein Fleisch als besonders mild, weiß und fett. Der Kapaun kräht heiserer und seltener als ein Testosterongockel und steht in der Hackordnung ganz unten, unter den rangniedrigsten Hennen. Viele TierschützerInnen lehnen die Kastration zu Genusszwecken ab – paradox, aber mit ein Grund, dass männliche Küken in der Intensivtierhaltung als Abfall gelten.
Maishuhn
Das Maishuhn ist ein Masthuhn, das fast ausschließlich mit Mais gefüttert wurde und dessen Brustfleisch als besonders schmackhaft gilt. Über Haltungsbedingungen, Herkunft des Futters oder den Einsatz von Antibiotika sagt diese Bezeichnung nichts aus.
Mobiler Hühnerstall
Mittlerweile sind die Hühnermobile am Straßenrand nicht mehr wegzudenken. Vor allem breit aufgestellten bäuerlichen Familienbetrieben bieten sie die Möglichkeit, gleichzeitig für die Sichtbarkeit ihrer Erzeugnisse zu sorgen, ihre kleinstrukturierte Tierhaltung zu kommunizieren und in der Direktvermarktung einen besseren Preis für ihre Eier zu erzielen. »KonsumentInnen akzeptieren für solche Bioeier sogar Preise von 40 oder gar 50 Cent pro Stück«, berichtet »Pro Hektar«, das Magazin der österreichischen Bauernzeitung. Die mobilen Stallsysteme vermeiden durch häufige Standortwechsel Parasitenbefall und Krankheiten. Außerdem unterbinden sie eine Bodenverdichtung und sind auch auf kleinen Flächen optimal nutzbar. Deshalb sind sie auch für landwirtschaftliche QuereinsteigerInnen eine Option. In einem Stall mittlerer Größenordnung leben in konventioneller Freilandhaltung 380 Hennen. In der Bioproduktion sind es auf derselben Fläche 290 Tiere.
Protektorziege
Der Herdenschutz ist in der nachhaltigen Landwirtschaft nicht nur notwendig, um Schafe und Rinder vor dem Wolf zu schützen. Auch Hühnern droht in der Freilandhaltung Ungemach – und zwar nicht nur vom Fuchs, sondern auch aus der Luft: von Greifvögeln. Als wirksamste »Wachhunde« zum Schutz vor dem Habicht erweisen sich vielerorts Zwergziegen. »Zwergziegen als Herdenschutz sind aber nur eine Maßnahme von vielen«, erklärt Matthias Mayr vom Tiroler Oberländerhof, »ein Miteinander von Wild- und Nutztieren muss erst hergestellt werden – fachlich und sachlich«.
Rassen
174 Hühnerrassen hat das Chicken Diversity Paneldes Friedrich-Loeffler-Instituts und der Uni Göttingen genetisch erfasst – von Wildformen über kommerzielle Masthühner bis zu lokalen Hühnerrassen. Die Daten belegen, dass die Vielfalt optisch größer erscheint, als die genetischen Tatsachen zeigen. Wirkliche Vielfalt weisen nur wild lebende Tiere auf sowie einige wenig selektierte afrikanische, südamerikanische, asiatische und europäische Rassen.
RegioHuhn
In Deutschland bemühen sich der Naturland Verband und die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft im Rahmen des Projekts »RegioHuhn« um die Erhaltung sechs lokaler, gefährdeter Hühnerrassen. So sollen etwa die robuste Ostfriesische Möwe und das Mechelner Huhn durch Kreuzungszucht so weit gebracht werden, dass ihre Haltung auch eine ökonomische Perspektive bietet. »Wir hoffen, Zweinutzungshühner zu finden, die sowohl eine gute Leistung bringen als auch einfach zu halten sind«, erklärt Naturland-Fachberater Werner Vogt-Kaute. Ziel des Projekts ist eine nachhaltige regionale Eier- und Geflügelproduktion.
Stubenküken
Stubenküken sind knapp ein Monat alte Küken, sie wiegen dann etwa ein halbes Kilo. Kulinarisch sind sie fast in Vergessenheit geraten, doch sie bieten eine Möglichkeit, auch männliche Küken zu nutzen.
Omnivor
Wer jemals gesehen hat, was passiert, wenn sich eine Maus auf den Hühnerhof verirrt hat, weiß: Das Huhn ist ein Allesfresser. Es lässt nichts liegen, nicht einmal Nacktschnecken, und liebt auch Insekten. Lediglich die kommerzielle Mast und Eierproduktion zwingt das Huhn zum Vegetarierdasein und füttert es mit Soja.
Wanderhuhn
Der Markenname der konventionellen Freilandeier der Wanderhuhn GmbH hat es erfolgreich zu überregionaler Bekanntheit geschafft und wird mittlerweile oft synonym für Eier aus mobilen Stalleinheiten (s. mobiler Hühnerstall) verwendet. Obgleich das markenrechtlich geschützte Wanderhuhn nicht die (noch) strengeren Biostandards erfüllt, setzt das Unternehmen mit einer Aufzucht der männlichen Küken (s. Eintagsküken)und dem ausschließlichen Einsatz regionalen Futters ernsthafte Schritte hin zu mehr Nachhaltigkeit.
Zweinutzungshuhn
Die Geflügelwirtschaft ist hochindustrialisiert. Sowohl die Mast als auch die Eierproduktion wird von Hybridtieren (s. Hybrid) dominiert. Diese sind entweder besonders effiziente Fleischlieferanten oder aber sie legen im ersten Jahr bis zu 330 Eier. Traditionell wurden am Bauern- und im Hinterhof die heute sogenannten Zweinutzungshühner gehalten. Sie liefern sowohl Eier als auch Fleisch. Ihre Haltung ist mittlerweile aber selbst für Ökobetriebe unwirtschaftlich geworden. Das bedroht nicht nur die genetische Vielfalt, sondern bringt auch das ethische Problem des Tötens der männlichen Küken (s. Eintagsküken) aus den Legelinien mit sich. Zwei konträre Denkansätze versuchen dieses Dilemma zu bewältigen: In Deutschland versucht die gemeinnützige »Ökologische Tierzucht« der Verbände Bioland und Demeter, »das Ökohuhn von morgen« zu züchten: ein Huhn, das sich sowohl in der Eier- als auch in der Fleischproduktion wirtschaftlich behaupten kann. In Österreich setzt mittlerweile die gesamte Biobranche auf das für sich allein genommen unwirtschaftliche Mästen der männlichen Küken, kommuniziert das Problem und lässt die Gockelmast durch etwas teurere Eier querfinanzieren.