Virus zeigt: Verdrängen globaler Probleme schadet Weltgemeinschaft

Warum in der Wirtschaftskrise das Wegschauen ein Ende haben muss, erläutert Hartwig Kirner, Geschäftsführer von Fairtrade Österreich.

Schokolade aus fairem Handel (Foto: Fairtrade Österreich)

[GASTKOMMENTAR] In Krisenzeiten wie diesen zeigt sich, was wirklich wichtig ist. Ein Gesundheitssystem, das stark genug ist, alle erkrankten Menschen ausreichend zu versorgen, eine Lebensmittelbranche, die den täglichen Bedarf deckt, eine reibungslose Energie und Wasserversorgung, bis hin zur täglichen Müllentsorgung.

Der Anfang dieser Pandemie hat uns veranschaulicht – wenn Geschäfte schließen und der Notstand ausgerufen wird, sind es keine TV-Geräte und Smartphones die gekauft werden, sondern Reis und Nudeln, Obst und Gemüse. Uns wird schlagartig bewusst, wofür die Bedürfnis-Pyramide steht und man fokussiert sich auf das Wesentliche. Und so eine Krise macht auch auf radikale Art sichtbar – wenn die Welt erkrankt, ist niemand eine Insel (noch nicht einmal Inselstaaten).

Hartwig Kirner ist Geschäftsführer von Fairtrade Österreich (Foto: Fairtrade Österreich)

»Ihr gebt einem Fußballer eine Million Euro monatlich, aber einem Forscher nur 1.800 Euro und jetzt wollt ihr ein Medikament gegen den Virus? Geht doch zu Ronaldo und Messi, sollen sie ein Medikament finden!« – Diese provokanten Worte stammen von Isabel Garcia Tejerina, einer spanischen Politikerin. Vergleicht sie Äpfel mit Birnen? Die Antwort lautet wohl jein. Hierzulande werden nun Supermarkt-Mitarbeiter als Heldinnen und Helden gefeiert. Das ist in jedem Fall verdient, aber die Frage stellt sich: Wird dieser Respekt für Menschen, die unsere sogenannte kritische Infrastruktur erhalten, von Dauer sein? Denken wir an alle Menschen weltweit, die weiterhin in diesen unsicheren Zeiten in der Landwirtschaft hart arbeiten, damit niemand hierzulande hungern muss? Dann muss es uns auch ein Anliegen sein, dass Ungerechtigkeiten in den weltweiten Lieferketten minimiert werden. Heldinnen und Helden haben sich so eine Behandlung schließlich verdient.

Globale Problemlösung erfordert globales Denken

Und daraus resultieren weitere Fragen, die uns die nahe Zukunft ebenso kritisch wie optimistisch betrachten lassen. Werden wir künftig sehen, wie wichtig es ist, unsere Nahrungsmittelversorgung gut und nachhaltig sicher zu stellen und das weltweit? Oder aber wird nach der Gesundheitskrise vor der Wirtschaftskrise sein, in der dann wieder das Recht des Stärkeren gilt, Solidarität als Schwäche betrachtet wird und im Namen des Wachstums der Umweltschutz und die Menschenrechte vielerorts mit Füßen getreten werden?

Das haben wir selber in der Hand. Die Antwort auf globale Probleme kann nur mit globalem Denken und Handeln gegeben werden. Corona zeigt uns eines: Wenn ein Land in unserer globalisierten Welt ein Problem hat, wird es ganz schnell zu einer Bedrohung für unser gesamtes globales Dorf. Nicht anders als mit einem Virus verhält es sich mit Schädlingen, Pilzerkrankungen, verschobenen Regen- und Trockenzeiten sowie steigenden Temperaturen – sie bedrohen unsere Lebensmittelernte und das weltweit und somit auch unser aller Leben.

Hinschauen erforderlich

Die Welt ist am Scheidepunkt angelangt. Eigentlich ist sie das schon länger, wenn man sich die Auswirkungen der Klimakrise ansieht und die Warnungen von ForscherInnen weltweit ernst nimmt. Es ist nur leichter, einfach weg zu sehen, wenn das Problem scheinbar weit entfernt ist und die Dinge langsam und schleichend international eskalieren.

Unser wertvollstes Gut: ein funktionierendes Ökosystem

Aber die Probleme, die uns vor dieser Krise beschäftigten, werden nach der Corona-Zeit immer noch da sein und das drängender denn je. Rohstoffpreise für Kakao und Kaffee, um nur zwei zu nennen, die oft nicht einmal die Produktionskosten abdecken, gleichzeitig aber immer unsicherere Erntemengen wegen des Klimawandels – all das beschäftigt uns bereits seit Jahren und bedroht die Lebensgrundlage von Millionen Menschen weltweit. International arbeiten Kleinbauernfamilien am Existenzlimit.

Wir müssen jetzt daran arbeiten, unseren wertvollsten Besitz zu schützen: ein funktionierendes Ökosystem. Das geht nur mit umweltschonender, kleinbäuerlicher Bewirtschaftung und genügend Menschen, die bereit sind, diese Arbeit zu verrichten.

In diesem Sinne danken wir Ihnen dafür, dass Sie den fairen Handel unterstützen und wünschen Ihnen weiterhin alles Gute und Gesundheit in der kommenden Zeit. Meistern wir diese Krise gemeinsam und nutzen wir die Chance, gestärkt daraus hervorzugehen.

VERWANDTE ARTIKEL