Zukunft Wohnen
Wie können wir ressourcenschonender bauen und wohnen?
Welchen Einfluss hat die zunehmende Landflucht auf unsere Umwelt und inwieweit können Förderungen dazu beitragen, nachhaltiger zu bauen und zu wohnen? Die zunehmende Urbanisierung, die steigende Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum, das beinahe Aussterben von kleinen Gemeinden und der drohende Klimawandel sowie seine Folgen machen das Thema Wohnen nicht nur aus gesellschaftlicher, sondern auch aus ökologischer Perspektive zu einer der größten Herausforderungen der kommenden Jahre. Wie wir in Zukunft leben und wohnen, hängt von Entscheidungen ab, die schon heute getroffen werden.
»Wir wissen, die Gesellschaft wird immer älter und mobiler, die Anzahl der Singlehaushalte steigt, die Umweltanliegen spielen eine immer wichtigere Rolle und es gibt neue digitale Arbeitsformen.«
Johanna Mikl-Leitner, Landeshauptfrau
In Niederösterreich wohnen aktuell rund 1,7 Millionen Menschen, das Bundesland wächst weiter, vor allem in den Städten und rund um Wien. An den nördlichen und südlichen Rändern verliert Niederösterreich allerdings zunehmend BewohnerInnen. Dass es die Menschen in Ballungsräume zieht, ist keine neue Erkenntnis und entspricht einem weltweiten Trend. Der damit einhergehenden Herausforderungen ist man sich auch in der niederösterreichischen Landesregierung bewusst, wie Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner erklärt: »Wir wissen, die Gesellschaft wird immer älter und mobiler, die Anzahl der Singlehaushalte steigt, die Umweltanliegen spielen eine immer wichtigere Rolle und es gibt neue digitale Arbeitsformen.« Laut dem Österreichischen Institut für Raumplanung wandern die meisten Personen zwischen dem 15. und 35. Lebensjahr ab. Vor allem für kleinere Gemeinden wird die Landflucht zunehmend zum Problem – während die BewohnerInnenzahl sinkt, steigt gleichzeitig das Durchschnittsalter der verbleibenden Bevölkerung. Die sinkenden EinwohnerInnenzahlen sorgen für ein geringeres Budget in den Gemeindekassen und für eine schlechter werdende Infrastruktur, zudem finden gerade junge Menschen schwieriger Arbeit in der Umgebung.
Landflucht frühzeitig entgegenwirken
Um dieser Negativspirale entgegenzuwirken, setzen einige Gemeinden Gegenmaßnahmen. Waidhofen an der Ybbs ist Mitglied des Vereins Zukunftsorte, der ländliche Kommunen vernetzt und es sich zum Ziel gesetzt hat, eine hohe Lebensqualität für GemeindebürgerInnen zu schaffen. Das passiert durch überregionale Zusammenarbeit, durch aktive Kommunikation mit den EinwohnerInnen und durch das Nutzen von eigenem, kreativem Potenzial. Die Gemeinde Waidhofen an der Ybbs entschied sich aktiv gegen ein Einkaufszentrum vor den Toren der Stadt und sorgte stattdessen für eine belebtere Innenstadt durch eine Verbesserung der Bausubstanz. Von 2400 Quadratmetern leerer Verkaufsfläche blieben nur knapp 500 übrig. Zudem kümmert sich ein Planungsbüro um das Leerstandsmanagement und bringt dafür HauseigentümerInnen aus der Innenstadt, PolitikerInnen und das Stadtmarketing an einen Tisch, um Wohnraum, Arbeitsflächen und Handelsflächen zu schaffen. Ein eigener Innenstadtkoordinator führt seit 2005 potenzielle VermieterInnen und MieterInnen zusammen. Direkt in der Stadt entsteht am ehemaligen Bene-Werk aktuell der sogenannte Beta-Campus. Neben einem im vergangenen Jahr neu eröffneten Co-Working-Space sollen bis 2023 dort auch eine Schule, Labore und Werkstätten, Eventspaces und neue Wohnmöglichkeiten geschaffen werden. Auf dem neuen Gelände findet etwa das Polytechnikum Waidhofen einen neuen Standort und setzt zukünftig auf Synergien mit ansässigen Firmen. Der neu geschaffene Wohnraum soll vor allem junge Menschen ansprechen, die für Ausbildung oder Job in die Region kommen. Angeboten werden sowohl Zimmer innerhalb eines betreuten Wohnraums für Lehrlinge und SchülerInnen als auch Kleinwohnungen für Singles und Paare.
Zersiedelung führt zu Flächenversiegelung
Auf Landesebene versucht man HäuslbauerInnen ländliche Regionen mit Förderungen schmackhaft zu machen, wie Wohnbaulandesrat Martin Eichtinger erklärt: »Im Rahmen der Wohnbauförderung wird für den Neubau und für die Sanierung ein finanzieller Bonus eingeführt, um ländliche Regionen als Wohnraum attraktiv zu halten. Darüber hinaus werden auch zur Belebung der Ortskerne zusätzliche Anreize gesetzt.« Im Durchschnitt soll es für ländliche Regionen bis zu 20 Prozent mehr Förderung seitens des Landes geben, um somit einen regionalen Ausgleich sicherzustellen. Direkt in Ortskernen wird abhängig von Lage und Beschaffenheit ein Bonus von bis zu 12.000 Euro ausgeschüttet. Die Belebung des ländlichen Raums hat allerdings nicht nur wirtschaftliche, sondern auch ökologische Vorteile. Leerstände in Gemeinden und die zunehmende Zersiedlung führen zu immer mehr versiegelten Flächen. Versiegelter Boden kann keinen Niederschlag aufnehmen, zudem geht Lebensraum für Tiere und Pflanzen verloren und die fehlende Versickerungsfläche erhöht die Gefahr von Hochwassern. Dementsprechend sei es besonders wichtig, bestehende Ortskerne zu fördern, betont Daniela Trauninger, Leiterin des Zentrums für Bauklimatik und Gebäudetechnik an der Donau-Universität Krems. Trauninger ist zuständig für die begleitende Evaluierung der niederösterreichischen Wohnbauförderung und die Weiterentwicklung der Förderkriterien im Bereich energieeffiziente und nachhaltige Gebäudestandards.
»Ich denke, dass wir in Zukunft viel mehr in Richtung gesamtökologische Betrachtung eines Gebäudes gehen müssen. Derzeit legen wir den Fokus lediglich auf den Betrieb. Vielmehr müssen aber auch die Ressourceneffizienz und die Wiederverwendbarkeit der eingesetzten Baustoffe mitberücksichtigt werden.«
Daniela Trauninger, Donau-Universität Krems
Sie erklärt: »Aus meiner Sicht werden in Österreich viel zu viele Grundstücke neu aufgeschlossen. Dies führt zwangsläufig immer zu einer zusätzlichen Versiegelung durch notwendige Infrastrukturmaßnahmen, was die Allgemeinheit nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch durch Errichtung, Instandhaltung, Pflege belastet. Gleichzeitig sterben damit ganze Stadtzentren aus, weil die bestehenden Gebäude und Infrastrukturen nicht mehr nachgenutzt werden.« Um eine entsprechende Verdichtung und Nachnutzung bestehender Gebäude und Stadtstrukturen zu forcieren und gleichzeitig die Neuversiegelung in den Griff zu bekommen, müsse aber zudem auch eine überregionale Raumplanung implementiert werden, wo auch das Grünraum- und Regenwassermanagement mitgedacht werden müsse. Die Expertin evaluiert die Förderkriterien der niederösterreichischen Wohnbauförderung in Bezug auf die Umsetzung klimaschutzrelevanter Ziele im Bereich energieeffizienter und nachhaltiger Gebäudestandards. Förderung seien, so Trauninger, gerade im Bereich Nachhaltigkeit ein wichtiges Steuerungselement.
Energieeffizient wohnen, nachhaltig bauen
Dabei geht es nicht nur darum, wo gebaut wird, sondern auch, wie gebaut wird. Während Energieeffizienz schon heute ein Thema ist, gibt es im Bereich der Bausubstanz selbst noch Aufholbedarf. Voraussetzung für eine Wohnbauförderung in Niederösterreich ist aktuell etwa die Erfüllung gewisser Mindeststandards bei der Gesamteffizienz sowie der Einbau eines alternativen, effizienten Heizsystems. Seit 2019 sind Ölheizungen in Neubauten verboten, zudem wird im Rahmen des Förderprogramms »Raus aus dem Öl« auch der Umstieg auf alternative Heizkessel gefördert. Gerade in diesem Bereich zeigen sich erste Erfolge: Der Standard im Bereich der Energieeffizienz ist bei geförderten Wohnbauten im Durchschnitt schon jetzt höher als bei frei finanzierten Wohnungen.
Langfristig gesehen müsse man allerdings gesamtheitlicher denken, so Daniela Trauninger: »Ich denke, dass wir in Zukunft viel mehr in Richtung gesamtökologische Betrachtung eines Gebäudes gehen müssen. Derzeit legen wir den Fokus lediglich auf den Betrieb. Vielmehr müssen aber auch die Ressourceneffizienz und die Wiederverwendbarkeit der eingesetzten Baustoffe mitberücksichtigt werden. Eine derartige Berücksichtigung der Kreislaufwirtschaft sehe ich allerdings nicht als länderspezifische Aufgabe, sondern das sollte dringend bundesweit in die übergeordneten Richtlinien einfließen.« Entscheidend sei dann etwa auch, inwiefern ein Haus recycelbar ist. Entsprechende politische Strategien – und auch die nötigen Technologien – gibt es aktuell bereits in den Niederlanden. Das niederländische Unternehmen Daas Baksteen bietet etwa ein neuartiges Trockenbausystem an, mit dem sich Wände einfach demontieren lassen. Die einzelnen Bausteine werden wie Legosteine ohne Mörtel zusammengefügt, lassen sich trennen und können nach einem Abbau vollständig wiederverwendet werden. Lösungen wie diese könnten in Zukunft dafür sorgen, dass nicht nur das Wohnen, sondern auch das Bauen nachhaltiger wird. [
Energieautark wohnen
Wolfgang Löser ist von Mindeststandards im Bereich Energieeffizienz weit entfernt. In Streitdorf bei Stockerau verwirklichte er den ersten gänzlich energieautarken Bauernhof Österreichs. Sein Traktor verbrennt durch eine Umrüstung statt Diesel kaltgepresstes Pflanzenöl aus eigener Erzeugung, das zur Gänze aus Sonnenblumen gewonnen wird, die mit extrem wenig Dünger und völlig ohne Pestizide auskommen. Zum Heizen der Gebäude verwendet Wolfgang Löser eine Hackgutzentralheizung, das Brennholz stammt aus der Region, vom eigenen Wald oder aus Zukauf. Die Warmwasseraufbereitung erfolgt mit einer thermischen Solaranlage, die Photovoltaikanlage war die Krönung auf dem Weg zum energieautarken Bauernhof. An sonnenreichen Tagen erzeugt seine Anlage doppelt so viel Strom, wie verbraucht wird. Das sei gar nicht so schwierig, so Wolfgang Löser: »Die Möglichkeiten zum energieautarken Eigenheim, zur energieautarken Gemeinde und energieautarken Region sind für jeden von uns gegeben, es bedarf lediglich einer Loslösung von überkommenen Denkmustern, um eine lebenswerte Umwelt auch für nachfolgende Generationen zu sichern.«
BIORAMA #-4