ChefIn auf Zeit
Sarah Degel und Florian Raabe haben für jeweils eine Woche die Leitung eines denn’s Biomarktes in Nürnberg übernommen. Eigentlich sind die beiden aber noch in Ausbildung.
Zwei Wochen lang haben junge Auszubildende eine denn’s Biomarktfiliale in Nürnberg geleitet. 26 »Azubis« haben in dem Projekt die Verantwortung für Personalplanung, Warenbestellung, Kundenbetreuung und Marktleitung bekommen. »Wir sind bei denn’s Biomarkt davon überzeugt, dass nur durch die Weitergabe von Vertrauen und Wissen der Gedanke der Nachhaltigkeit, sowohl in der Landwirtschaft als auch im Handel, weiterbestehen und fortentwickelt werden kann«, erklärt die Biosupermarktkette.
Die beiden Azubis Florian Raabe und Sarah Degel erzählen, wie es ihnen beim Experiment ergangen ist.
Endlich ist der/die ChefIn weg. Was wolltest du immer schon einmal bei der Arbeit machen, wenn du selbst bestimmen darfst?
Florian Raabe: Wenn ich ehrlich bin, ist es natürlich reizvoll, Aufgaben auch mal delegieren zu können. Aber mich reizt auch der Perspektivwechsel und die wachsende Verantwortung, als Marktleitung auf Zeit.
Sarah Degel: Tatsächlich finde ich die Personalplanung am spannendsten. Mein Ziel wäre es, meinen Kollegen und Kolleginnen zu ermöglichen, dass man immer zu zweit in die Pause geht. So kommt man auch mal dazu, sich abseits vom Marktalltag auszutauschen.
Warum hast du dich dafür entschieden, bei dem Experiment mitzumachen? Hattest du irgendwelche Bedenken?
Florian Raabe: Ich fand die Idee interessant, mal ein völlig neues Projekt von Anfang an begleiten zu können und viele andere Azubis kennen zu lernen.
Sarah Degel: Das stimmt – mit anderen Azubis so ein Projekt zu stemmen und das mit Menschen, die alle im selben Alter sind wie man selbst, das ist schon besonders. Und weil während der gesamten Projektzeit immer die reguläre Marktleitung und der Ausbildungsleiter als Ansprechpartner zur Verfügung standen, gab es auch keine Bedenken.
Wie lief das Auswahlverfahren? Basiert alles auf Freiwilligkeit? Gibt es auch KollegInnen, die nicht mitmachen?
Florian Raabe: Wir wurden von unseren Leitungen in den verschiedenen Märkten vorgeschlagen und im Anschluss gefragt, ob wir teilnehmen wollen. Soweit es die Personalplanung in unseren Heimatmärkten zugelassen hat, waren hier alle dabei.
Hast du dich auf das Experiment speziell vorbereitet? Wenn ja, wie?
Sarah Degel: Vor allem in den Bereichen, in denen ich noch weniger Erfahrungen hatte, habe ich nochmal meine Ausbilder gefragt. Beispielsweise habe ich mir noch einmal genau erklären lassen, wie alle Abrechnungen und Tür-Schließverfahren funktionieren, damit alles so glatt wie möglich läuft. Ich wollte nichts dem Zufall überlassen.
Im besten Fall lernen alle Beteiligten von dem Experiment. Hast du dir Gedanken gemacht, was ein »worst case scenario« sein könnte?
Sarah Degel: Der schlimmste Fall wäre für mich gewesen, wenn auf einmal fünf Leute krank sind oder ein Schlüssel gefehlt hätte. Das hätte das Arbeiten unmöglich gemacht und wir wären früh schon vor verschlossener Tür gestanden.
Florian Raabe: Am schlimmsten wäre für mich wohl ein Streit innerhalb des Teams gewesen. Dann wäre die Woche schwer durchzuhalten gewesen – weil wir das Ganze nur gemeinsam bewältigen konnten. Die Kolleginnen und Kollegen waren aber wirklich super nett und haben sich voll reingehängt.
Selber entscheiden ist ja schön und gut. Aber was, wenn du mal nicht weiter weißt?
Sarah Degel: Das kann natürlich passieren, wir befinden uns ja alle noch in der Ausbildung. Aber tatsächlich konnten wir uns oft gegenseitig helfen, weil jede und jeder in einem anderen Bereich ein echter Experte ist. Schwarmwissen eben.
Florian Raabe: Das stimmt, das war bei uns ähnlich. Zudem wussten wir ja, dass die eigentlich Marktleitung und unsere Ausbildungsleiter nie weit weg waren und in kniffligen Situationen schnell zur Stelle sind.
Was glaubst du, ändert sich in deinem beruflichen Alltag durch das Experiment? Bekommst du neue Aufgaben oder machst du einfach die gleichen Aufgaben weiter – nur jetzt allein?
Florian Raabe: Ich habe gelernt, dass eine gute Koordination für den Arbeitsalltag enorm wichtig ist. Dies kann ich gut mitnehmen und auch in meinem eigentlichen Markt umsetzen. Zudem werde ich mich an neue, größere Aufgaben und Projekte wagen, denn dass wir die Azubi-Woche so gut geschafft haben, gibt auf jeden Fall Selbstvertrauen.
Sarah Degel: Das geht mir ähnlich. So eine Aufgabe gemeistert zu haben, gibt einem einen richtigen Push für die nächsten Aufgaben. Ich möchte künftig unbedingt weiter zeigen, dass man sich auf meine Arbeit verlassen kann.
Wie sieht die Arbeitsteilung aus?
Sarah Degel: Vor dem Projekt durfte jeder seinen bevorzugten Einsatzbereich – beispielsweise Bistro, Kasse, Warenannahme oder Schließdienst – nennen. Die Einteilung wurde dann demensprechend von uns beiden Marktleitungen übernommen.
Florian Raabe: Genau. Und das Feintuning haben wir dann im Markt übernommen. Denn natürlich muss man auch vor Ort auf die Herausforderungen reagieren.
Und das Unternehmen – kannst du dir vorstellen, was dein/e ChefIn daraus lernen wird?
Sarah Degel: Ich denke, dass unsere Führungskräfte nach dem Projekt mit ihren Azubis zufrieden sein werden. Es ist eine tolle Chance für uns, in der Praxis zu beweisen, dass man im Marktalltag – auch alleine – bestehen kann.
Florian Raabe: Ich würde mir wünschen, dass denn’s Biomarkt dieses Projekt auch für die künftigen Azubis anbietet. Man lernt wirklich unglaublich viel, wenn man plötzlich beruflich auf eigenen Beinen stehen kann. Und sicher werden diese zwei Wochen für alle Beteiligten immer was Besonderes bleiben.
Sarah Degel aus dem Markt in Bayreuth
Alter: 24
Position: Marktleitung
Was erhoffst du dir von der Woche? »Ich bin gespannt darauf, meine Grenzen auszutesten und zu sehen, wie es in einem anderen Markt läuft.«
Worauf freust du dich besonders? »Ich freue mich darauf, neue Kunden und Kundinnen kennenzulernen, aber auch die Stärken der Teammitglieder zu erkennen und sie passend einzuteilen.«
Florian Raabe aus dem Markt in Kassel
Alter: 21
Position: Marktleitung
Was erhoffst du dir von dieser Woche? »Ich hoffe auf neue Erfahrungen und darauf, Verantwortung zu übernehmen.«
Worauf freust du dich besonders? »Ich freue mich darauf, zu schauen, wie sich das Team entwickelt.«