Kann Convenience Food richtig gut sein? Nein …
… sagt Gastronomin Denise Amann. Wenn schon Convenience, dann als Ausnahme und wenigstens in Bioqualität, meint die Köchin und Mutter.
Die wörtliche Übersetzung von »Convenience Food« lautet »Bequemlichkeitsessen«. Das sagt bereits sehr viel darüber aus, welcher Stellenwert dem Essen dabei zugedacht wird. Wobei: Würde es sich um rundum gesundes Essen handeln, ohne unnötige Geschmacksverstärker oder Konservierungsmittel, wäre ich durchaus geneigt, es für gut zu befinden, sich ein bisschen Zeit für die Essenszubereitung zu sparen – und stattdessen wirklich »Bequemeres« zu machen.
Doch genau hierbei beginnt bereits das große Missverständnis. Denn was macht man tatsächlich statt dem Kochen? Auf der Couch sitzen und fernsehen? Noch mehr arbeiten? Jedenfalls wohl in den seltensten Fällen etwas, das der geistigen oder körperlichen Gesundheit genauso zuträglich ist wie ein gutes frisches Mahl.
Neben dem Mahl selbst kann allerdings bereits dessen Zubereitung wesentlich zum Feelgood eines schmackhaften Essens beitragen – und somit zur allgemeinen Entspannung. Wer sich /die Zeit nimmt/, das Gemüse selbst zu schälen, zu schneiden, beim Anbraten die Gerüche aufsaugt, erlebt definitiv etwas Erdendes, Entschleunigendes. Der Weg zum Essen beruhigt, entstresst und ermöglicht so, dass wir die Mahlzeit dann auch intensiver genießen können, als wenn wir beim Nachhausekommen bloß einen Kunststoffdeckel aufreißen, ein Gefäß in die Mikrowelle stecken und uns zwei Minuten später damit an den Tisch setzen. Außerdem führt das Nebenbei-Zubereiten bzw. bloße Aufwärmen des Essens oft auch zum Nebenbei-Verzehr … Essen verkommt so zur teilnahmslosen Nebensache. Möglicherweise verleitet uns Convenience Food auch dazu, seltener in Gesellschaft und im Kreis der Familie zu essen. Wenn das Aufwärmen so schnell geht, kann es sich auch jedeR schnell selbst wärmen. Wer kocht, ist auch versucht, alles so zu timen, dass gegessen wird, wenn möglichst alle da sind. Allein schon das ist die Mühe wert.
Auch das Argument, Kochen brauche so viel Zeit, kann ich nur teilweise gelten lassen. Ein Beispiel: Eine nährende, wärmende Rote-Linsen-Suppe zuzubereiten dauert nicht länger als 15 Minuten – ich kann mir sogar noch rasch eine entspannende Dusche gönnen, während sich die Linsen weichschmurgeln. Beziehungsweise lässt sich für zwei Tage oder Abende vorkochen und es lässt sich viel Gekochtes selbst konservieren. Leider ist vom tradierten Wissen ums Fermentieren und Konservieren von Lebensmitteln viel verloren gegangen – sicher auch durch die schnell und überall verfügbaren »Fertigessen«. Dabei ist das – bleiben wir diesmal beim Beispiel Sauerkraut – sogar wirklich sehr gesund! Und es schafft ein gutes Gefühl: Ich komme abends heim, öffne mir ein Glas selbst eingerextes Gulasch … da steckt mit den Zwiebeln, Paprika und dem Fleisch auch noch viel Erinnerung mit im Glas – an die Zeit, die ich mir damals nahm, um etwas wirklich Gutes zu kochen.
Auch nicht außer Acht gelassen werden sollte, dass wir uns bei der eigenen Zubereitung der Speisen mit Sicherheit mehr mit den darin enthaltenen Lebensmitteln auseinandersetzen, als wenn wir uns schnell Convenience Food aufwärmen. Das darin verarbeitete Gemüse, die Eier, das Fleisch … woher stammt das alles? Wie wurde es angebaut und produziert? Bei gekauftem »Fertigessen« lässt sich das leider schwer nachvollziehen. Deshalb: Wenn uns schon einmal die Zeit davonläuft und wir allem anderen hinterher, dann gehen wir doch wenigstens zum Bioladen unseres Vertrauens und greifen dort ins (Kühl-)Regal. Denn bei Bio sind wenigstens künstliche Zusatzstoffe und Konservierungsmittel kein Thema. Und gleichzeitig nehmen wir uns vor, beim nächsten Mal die frischen Karotten, Eier oder Getreide und 15 Minuten mehr Zeit mit nach Hause zu nehmen. Für unser Feelgood!
Denise Amann betreibt das Biorestaurant Mizzitant in Bludenz. Nach Wanderjahren in den Küchen dieser Welt eröffnete sie erst in Wien, dann in Feldkirch und schließlich in ihrer Heimatstadt ein Restaurant – von Anfang an mit biologischen Zutaten.