Kann Convenience Food richtig gut sein? Ja …
… sagt Ernährungssoziologe Daniel Kofahl, denn »Convenience Food ist nicht synonym zu setzen mit Junk Food«.
Als im Januar 2017 in Deutschland der Ernährungsreport vorgestellt wurde, war der mediale Aufschrei groß. Auf ZEIT Online las man »Hunger auf Fast Food«, »Junge Leute pfeifen aufs Kochen und greifen lieber zur Tiefkühlpizza« schrieb der Berliner Kurier.
Allerorten war man sich sicher, dass die eh schon im Niedergang begriffene Ess- und Kochkultur in Deutschland einen neuen Tiefpunkt erreicht hatte. Grund für die Aufregung war eine Aussage in erwähntem Ernährungsbericht: 41 Prozent der Befragten stimmen der Aussage »Ich esse gern mal eine Tiefkühlpizza oder andere Fertigprodukte« zu. Ein Jahr zuvor waren es nur 32 Prozent gewesen. Untermauert wurden die Angaben zum Verzehr von Fertigprodukten dadurch, dass sich 55 Prozent der Befragten tatsächlich eine »einfache und schnelle Zubereitung« der Speisen wünschten.
Und auch in Österreich sieht es da nicht anders aus. Von den 8,7 Millionen ÖsterreicherInnen »essen 3,6 Millionen Pizza aus dem Tiefkühlschrank und immerhin 2,2 Millionen greifen zu Fertigsugo aus dem Regal«, zeigte 2016 eine Marken-Monitoring-Studie. Der kulturkulinarische Untergang schien besiegelt. Dabei könnte man das Ganze auch mit etwas weniger Dramatik analysieren. Gut, ein bedeutender Anteil der Bevölkerung greift gern zu Convenience Food. Die dafür als Paradebeispiel medial stets herausgekramte Tiefkühlpizza ist allerdings nur ein Produkt von vielen: Dosensuppen, Gemüsepfannen, Gulasch, garfertige Pommes frites und unzubereitetes Tiefkühlgemüse aller Art gehören etwa auch dazu. Die Produktpalette ist sehr vielfältig.
Bequem und hilfreich
Das Bemerkenswerte ist, dass Convenience Food oftmals irgendwie der Ruf anhängt, es wäre Teil einer degenerierten Ernährungspraxis. Einer Praxis, die zu anderen Zeiten ja so viel besser, also so viel gesünder, so viel frischer und so viel schmackhafter gewesen wäre. Das ist wahrlich zu bezweifeln.
Schon früher wurde nicht immer gut gekocht, schon gar nicht immer mit Leidenschaft. Im Gegenteil war die nicht enden wollende Kocharbeit oftmals ein Grund für Langeweile oder gar Verzweiflung. Dass dann die Möglichkeit entstand, komplett oder teilweise vorgefertigte Speisen aus der Massenproduktion zu erhalten, kann als wahre Arbeitserleichterung verstanden werden. Gerade in Zeiten, in denen die berufliche Emanzipation der Frau dazu führt, dass diese, genau wie berufstätige Männer, ein verringertes Zeitbudget für den privaten Lebensbereich übrig hat. Es gibt auch keinen Grund, in den kulinarischen Abgesang miteinzustimmen.
Viel besser als sein Ruf
Zum einen heißt der hier und da stattfindende Griff ins Tiefkühlfach oder zur Dose keineswegs, dass nicht(s) mehr selbst gekocht würde. Im Gegenteil kann die punktuelle Entlastung durchaus dazu führen, dass in anderen Momenten mit großer Freude und Engagement die Speisen selbst zubereitet werden. Und zum anderen ist Convenience Food auch nicht synonym zu setzen mit Junk Food. Die Qualität von Convenience Food nimmt zu, auch weil VerbraucherInnen dies einfordern. Stiftung Warentest stellte bereits 2015 fest: »Tiefkühlpizzen sind oft erstaunlich gut.« Und ein Blick auf das stetig wachsende Angebot von Convenience Food auf der Biofach bestätigt, dass inzwischen auch so manches in Bioqualität dabei ist. Guten Appetit!
Daniel Kofahl ist Ernährungssoziologe und leitet das Büro für Agrarpolitik und Ernährungskultur (APEK). Er ist Dozent für Ernährungssoziologie an der Universität Wien und Sprecher der AG Kulinarische Ethnologie.