Wolken. Eine Anleitung für Outdoor-Aktivitäten

Wolken deuten, das Wetter vorhersagen: »Wolken und andere Phänomene am Himmel« – ein Nachschlagewerk, bei dem du nicht in »Lexikon Fatigue« verfällst.

Neben meinem Schreibtisch steht ein Regal mit Sachbüchern, die mich jeweils aktuell interessieren, damit alles immer griffbereit ist. Auf der linken Seite stehen je Thema die Bücher zum Lesen, auf der rechten die Nachschlagewerke.
Als mir »Wolken – und andere Phänomene am Himmel« von Hans Häckel in die Hände fällt und ich es auf die Schnelle durchblättere, ist mir sofort klar: ein Buch für die rechte Seite. Also ein Nachschlagewerk, das man nicht von vorn bis hinten durchliest, sondern gegebenenfalls nur das Einführungskapitel, um die Basics zu verstehen. Danach könnte man ja, sobald man zu einem bestimmten Wolkentyp etwas wissen möchte, diesen suchen und eben nachlesen.

Kleine Wolken-Physik
Hans Häckel startet mit einer Einführung in die Wolken-Physik: wie funktioniert Kondensation, wie entstehen Wolken, was ist das Kondensationsniveau, was der Taupunkt. Ich vermute mal, dass sich die meisten LeserInnen bereits vor diesem Buch mit den Grundsätzen des Wetters beschäftigt haben, ein direkter Einstieg in das Spezialgebiet Wolken ganz ohne Wettervorkenntnisse wird vermutlich nur ein Nischenpublikum interessieren. Für erstere ist jedenfalls in dem Einführungskapitel noch nicht wirklich was Neues dabei, aber es gehört natürlich zu so einem Buch, damit es vollständig ist. Ein ganz interessanter Aspekt, der in Standard-Wetterbüchern oft nicht vorkommt, sind die Erläuterungen zu »unterkühlten Tropfen«, also Wassertropfen (nicht Eiskristalle) mit einer Temperatur unter 0°C, ja sogar einige zehn Grade minus sind möglich.

Keine Wissenschaft ohne lateinische Bezeichnungen
Wenn man sich im Zuge der Auseinandersetzung mit Wetter nicht ohnehin schon mal mit den 10 Wolken-Hauptgattungen befasst hat, dann wird man hier wie auch in der Botanik und anderen Wissenschaften feststellen: Die Klassifikation ist in lateinischer Sprache. Neben den 10 Wolkengattungen (Cirrus, Cirrostratus, Cirrocumulus, Altocumulus, etc.) sind hier auch die Arten, Unterarten, wie auch Begleitwolken angeführt und kurz beschrieben. Der Autor folgt dabei dem »International Cloud Atlas« der World Meterological Organization (WMO), also ist die Basis genau das, was Meteorologen weltweit als einheitliche Klassifikation vereinbart haben – nur eben in diesem Buch für Laien verständlich dargestellt.

Eine schichtförmige, nebelartige, undurchsichtige Wolke (Stratus nebulosus opacus) im Wipptal bei Inversionswetterlage von oben. In der oberen Bildhälfte sind auch Eiswolken zu sehen. (Foto: Florian Grassl)

Wolkentyp-Steckbriefe
Im Hauptteil des Buches findet man je Wolkentyp einen einseitigen Steckbrief, mit Bild, Beschreibung, meistens einer kurzen aus dem Wolkentyp folgenden Wetterprognose, wie auch die Einordnung in die Klassifikation und das zugehörige Wetterkarten-Symbol. Oft gibt es zu einem Wolkentypus mehrere Steckbriefe und damit Bilder, um auch die Unterschiedlichkeit zu zeigen, in der der Wolkentypus auftreten kann – insbesondere im Morgen- oder Abendrot sehen einige Wolken doch sehr anders aus als tagsüber. Andererseits beschränkt sich der Autor auf die typischen Wolken, die wir in unseren gemäßigten Breiten finden. Es gibt also nicht zu allen möglichen Wolkentypen Steckbriefe – damit bleibt das Buch gut lesbar und für unsere Geografie relevant.

Apropos lesbar: Obwohl insbesondere dieser Teil des Buches mit den Steckbriefen wie ein Nachschlagewerk strukturiert ist, lädt es trotzdem zum Umblättern und Weiterlesen ein. Letztendlich habe ich das Buch doch von Anfang bis Ende durchgelesen ohne »Lexikon Fatigue« zu bekommen. Die Beschreibungen bauen aufeinander auf, ich würde sogar meinen, es hilft, das Buch vollständig gelesen zu haben, um es als Nachschlagewerk effektiv verwenden zu können, da insbesondere dadurch die Nuancen der Unterschiede der Wolkentypen klar werden.

Mittelmäßig entwickelte Haufenwolken (Cumulus mediocris) über der Nordkette, darüber Eiswolken, wenn diese so hakenförmig sind, wie ganz links oben, nennt man sie Cirrus uncinus. (Foto: Florian Grassl)

Schmankerl-Ecken
Das Buch hat ein paar Schmankerl-Ecken. Zum einen hält das Buch einige Stereobildpaare bereit. Mit etwas Übung (Anleitung im Buch enthalten), kann unser Hirn wie bei einer Art optischen Täuschung einen 3D-Effekt erzeugen, womit man einige der Wolkengebilde deutlich plastischer betrachten kann. Deswegen eine wirklich gute Idee, da es insbesondere bei Wolkenbildern häufig schwer fällt, die Tiefe zu erahnen, oder Wolkenhöhen abzuschätzen, was aber für die Einordnung wie auch folgende Wetterprognose von Belang ist.
Zum anderen beschreibt Hans Häckel die wichtigsten optischen Phänomene, die wir am Himmel betrachten können: vom klassischen Regenbogen, über die Halo-Erscheinung wie etwa Zirkumzenitalbogen, Halokreis oder auch Unter- und Nebensonnen, die auf Grund von Spiegelungen an Eiskristallen in der Luft entstehen, bis hin zu Sonnen-Kranz (und Mond-Hof) und irisierenden Wolken (das wären jene, die in Perlmutterfarben aufleuchten).

Der Autor erklärt auch „Alexanders dunkles Band“, also warum die Fläche zwischen Regenbogen und Nebenregenbogen (der größere) dünkler erscheint – wie auch die gespiegelte Farbreihenfolge des Nebenregenbogens. (Foto: Florian Grassl)

Etwas mehr Prognose-Details wären wünschenswert
Insgesamt ein sehr gelungenes Werk. LeserInnen, die primär verstehen wollen, was denn da am Himmel vor sich geht, wie die Wolken einzuordnen sind und wie sie entstehen, kommen voll auf ihre Rechnung. Für LeserInnen, die aber nicht nur wissen wollen, dass sie da jetzt einen Altocumulus stratiformis undulatus radiatus sehen, sondern sich auch fragen »Was mache ich jetzt eigentlich mit dem Wissen?«, oder für LeserInnen, die eher ein Buch zum »Nowcasten« suchen, wären etwas detailliertere Prognosebeschreibungen wünschenswert. Auch wenn in der aktuellen Auflage gemäß Autor der Anteil an Prognoseerklärungen erhöht wurde, bleiben diese weitgehend grob und überschaubar. Wer sich so wie viele Outdoor-Sportler soweit mit Wetter beschäftig hat, dass er/sie versteht, wie ein Aufgleitvorgang oder eine Warmfront funktioniert, dass aus Stratus primär nur Sprühregen/leichter Schneefall kommt, aus Nimbostratus der Schnürlegen/starker Schneefall, dass die Castellani Gewitter vorankündigen und der Cumulonimbus sie dann bringt, wird in diesem Buch in Sachen Prognose nur wenig Neues lernen.

»Nowcasting« bezeichnet übrigens die Kurzfrist-Vorhersage auf Basis von »in den Himmel schauen«, also durchaus ohne Wetterbericht und -karte – hierzu gibt es ein sehr gutes Buch: »Das Wetter in Bildern – Wettervorhersage nach Wolkenfotos« von Alan Watts, ist auf das Wesentliche reduziert, daher auch schnell gelesen

Letztendlich ist nun »Wolken – und andere Phänomene am Himmel« in meinem Bücherregal doch auf der rechten Seite gelandet. Aber nur weil ich es ja schon gelesen habe, und nachschlagen werde ich vermutlich doch auch immer wieder.

»Wolken – und andere Phänomene am Himmel« von Hans Häckel ist im Ulmer Verlag erschienen.

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