Das Gute liegt ganz nah: Super-Food-Alternativen zu Chia
Super-Food vor der Haustür: Blattsalate, Kohlsorten, Kräuter, Sprossen, Nüsse und Leinsamen als regionale Alternativen zu Chia & Co.
Noch vor wenigen Jahren waren sie in unseren Breiten völlig unbekannt – die Chiasamen. Gerade einmal 20 Kilogramm wurden 2013 in Deutschland verkauft. Ein Jahr später waren es dann 700 Kilogramm und 2015 bereits 663,8 Tonnen.
Wer Chiasamen auf das morgendliche Müsli streuen möchte, muss sich das allerdings auch etwas kosten lassen: um die 15 Euro zahlt man für die Super-Samen pro Kilo. Die kleinen, unauffälligen Körner sind also kein Schnäppchen. Dennoch, Chiasamen und andere Superfoods boomen, der Umsatz mit Superfood-Produkten erhöhte sich allein in Deutschland von 1,5 Millionen Euro 2014 auf 42,6 Millionen Euro 2016.
Verkaufszahlen für Österreich fehlen zwar, doch auch in unseren Supermärkten explodierte die Nachfrage innerhalb kürzester Zeit und machte Chiasamen zu den Bestsellern unter den Superfoods.
Die Samen der Chiapflanze, einem einjährigen Gewächs aus der Gattung der Salbeipflanzen, das ursprünglich aus Mexiko und Guatemala stammt, sind reich an mehrfach ungesättigten Fettsäuren, Proteinen, Ballaststoffen, Vitaminen und Mineralstoffen und standen der Überlieferung nach schon bei den Mayas und Azteken auf dem Speiseplan.
In Europa hingegen wurde Chia noch bis vor wenigen Jahren ausschließlich als Tierfutter verwendet. Erst seit 2013 ist der Import des reinen Samens erlaubt.
Da Langzeituntersuchungen fehlen, empfiehlt die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit eine tägliche Verzehrsmenge von maximal 15 Gramm, was etwa einem gefüllten Esslöffel entspricht. ErnährungswissenschafterInnen gehen davon aus, dass aufgrund der geringen Verzehrsmenge auch die propagierte positive Wirkung in einem überschaubaren Bereich bleibt.
Superfood – super gut?
Eine klare Definition, was ein Superfood ist, existiert übrigens nicht. Gemeint sind im Allgemeinen Lebensmittel mit besonders hoher Nährstoffdichte, also mit einem hohen Gehalt an sekundären Pflanzenstoffen, Vitaminen und Mineralstoffen. Die Wortschöpfung dient wohl vor allem als Marketingstrategie, mit der exotische Lebensmittel, verpackt in eine Geschichte über ihre Wunderwirkung, teuer verkauft werden können.
Viele ExpertInnen sehen den Superfood-Hype daher eher skeptisch. So auch die Ernährungswissenschaftlerin Andrea Fičala, die beim Tasting Forum 75 mit dem Motto „Superfood rettet die Welt“ zu Gast war und mit ihrem Fachwissen die anwesenden VerkosterInnen in ihren Bann zog.
Sie empfahl, Superfood-Versprechungen kritisch zu hinterfragen – nicht nur aufgrund der überhöhten Preise, sondern vor allem auch in Zusammenhang mit den meist äußerst problematischen ökologischen und ethischen Produktionsbedingungen in den Herkunftsländern. Daher: wenn exotische Superfoods, dann auf jeden Fall Bio und fair.
Oder noch einfacher – die Nutzung der vielversprechenden Superfoods vor der eigenen Haustür. Denn nicht nur den Chiasamen kann der heimische Leinsamen mit einem vergleichbaren Nährstoffprofil ernährungsphysiologisch die Stirn bieten. Auch zu vielen anderen der exotischen Superfood-Produkten gibt es heimische Alternativen. Blattsalate, Kohlsorten, Kräuter, Sprossen, Nüsse, Beeren und Samen sind reiche und wichtige Nährstoffquellen, die – mangels Exotik? – häufig unterschätzt werden.
Regionales Bio mit Mehrwert
In ihrem neuen Kochbuch „Super Foods – Einfach & regional“ hat Andrea Fičala die großartigen, heimischen Lebensmittel nun erfreulicherweise ins Rampenlicht gerückt. Da geht es um Geschmack, Geruch, Farbe, Textur, um Nährwerte, vor allem aber auch um Nähe, Saisonalität und ganz besonders auch um Bio.
Für das Tasting Forum 75 hat die begeisterte und begeisternde Ernährungswissenschaftlerin und Genussexpertin die Buchdeckel geöffnet und die Verkostenden in die inspirierende Welt der (regionalen) Superfoods mitgenommen.
Den Verkostungsreigen eröffneten die erstaunlich scharfen Sprossen von Radieschen, Senf, Ruccola, Erbsenspargel und Rettich.
Eine Auswahl an frisch geernteten Baby Leafs von Mangold, Pak Choi, Blattsenf oder Mizuna öffnete in weiterer Folge das breite Genusspotenzial der kältetoleranten Wintergemüsevielfalt. Auch bei dauerhaften Minusgraden entwickeln sich diese Wintersalate ausgesprochen gut und schmecken je nach Senfölgehalt mild bis scharf würzig.
Die verkosteten Kohlsorten wie Grünkohl, Roter Grünkohl, Palmkohl oder Kohlsprossen sorgten dafür, dass die Kohl-Aversion so mancher BesucherIn über Bord geworfen wurde.
Und auch die Bittersalate wie Zuckerhut, Radicchio oder Chicorée bewiesen ihr geschmackliches Potential ebenso wie die ernährungsphysiologische Bedeutung der bitteren Aromen mit ihrer antioxidativen, entzündungshemmenden, aber auch verdauungsfördernden und appetitanregenden Wirkung.
Erfreulicher Nebeneffekt der Bio-Superfoods: Da im Biolandbau die Pflanzen nicht mit Pestiziden behandelt werden und daher stärker auf ihre eigenen Abwehrmechanismen angewiesen sind, sind die Gehalte an sekundären Pflanzenstoffen um bis zu 70 % höher als in herkömmlichem Obst und Gemüse.
Für die süße Note des Abends sorgten schließlich Milchpuddings aus Chiasamen und Leinsamen mit Kürbis-Apfeltoppings sowie getrocknete Beeren.
Die abschließende Verkostung ausgewählter Bio-Weine, zeigte, dass sich der Begriff der Superfoods durchaus etwas weiter fassen lässt und machte das Glück des Abends perfekt.
Weitere Infos zu den Tasting_Foren unter www.biodreinull.at
Bio-Wissen
Bis zu 10.000 verschiedene sekundäre Pflanzenstoffe finden sich in pflanzlichen Lebensmitteln. Sie bringen nicht nur Farbe, Duft und Geschmack in Obst und Gemüse, sondern erfüllen auch ganz wesentliche Funktionen im Stoffwechsel der Pflanze: Neben der Abwehr von Schädlingen und Krankheiten locken sie Nützlinge an und unterstützen die Kommunikation der Pflanzen untereinander. Und auch das menschliche Immunsystem profitiert vom positiven Einfluss dieser Stoffe. Zahlreiche sekundäre Pflanzenstoffe spielen in der menschlichen Ernährung eine Rolle und sind in Bio-Pflanzen meist in besonders hohem Maß zu finden. Besonders positiv auf den Gehalt an sekundären Pflanzenstoffen in Bio-Obst und -Gemüse dürfte sich auch die organische Düngung mit Mist und Kompost auswirken. Laut wissenschaftlichen Studien kann der Wechsel zu einer Ernährung mit biologischem Obst, Gemüse und Getreide so viele zusätzliche Antioxidantien zur Verfügung stellen, wie ein bis zwei zusätzliche Portionen Obst und Gemüse täglich.
Das Tasting Forum ist eine seit 2010 bestehende Best-Practice-Serie von Bio-Lebensmittelverkostungen. Ziel der zehnmal jährlich stattfindenden Veranstaltungsreihe ist es, biologische Lebensmittel unterschiedlicher Kategorien und Verarbeitungsgrade zu präsentieren, das weite Genusspotenzial der ausgewählten Produktgruppen in Bio-Qualität aufzuzeigen und die Vorzüge der „Bio-Produktion“ darzustellen. Seit 2017 begleitet BIORAMA das Tasting Forum als Medienpartner.