Mehr als Vater-Mutter-Kind

Eine Familie aus zwei Eltern und Kind(ern). Er leistet Erwerbsarbeit, sie erledigt reproduktive Tätigkeiten. Viele Kinderbücher orientieren sich an diesem einen Familienmodell, doch die Suche nach Alternativen lohnt sich.

Das Wort Familie bedeutet heute mehr als Mutter-Vater-Kind und es gibt bereits viele Kinderbücher, die diese Diversität darstellen.
Während viele Kinderbücher immer noch das klassische Familienbild aus Mutter, Vater und Kindern darstellen, zeigen immer mehr die Vielfältigkeit des Wortes Familie. Bild: Irene Maria Gruber.

Vater, Mutter, Kind(er) – Selbst in der älteren Kinderliteratur sind Familienkonstellationen zu finden, die anderes abbilden: Die Waise Heidi lebt bei Opa auf der Alm, Pippi Langstrumpf alleine in der Villa Kunterbunt. Pippis Mutter ist gestorben, der Vater als Seeräuber unterwegs. Die feuerrote Friederike hat die Haare vom verschollenen Vater geerbt und lebt bei der Tante. Die Zwillinge in »Das doppelte Lottchen« wurden früh getrennt: Luise ist bei dem Vater in Wien, Lotte bei der Mutter in München. Und im neu aufgelegten »Loranga, der beste Papa der Welt« (B. Lindgren, Woow, ab 7) wächst Masarin bei Vater und Großvater auf. »Loranga ist ein ganz fantastischer Papa«, heißt es, »der beste Papa der Welt, er kümmert sich nämlich um gar nichts.«

»Was wir kennen und verstehen …

… müssen wir nicht fürchten.« Die positiven Aspekte kultureller Diversität zeigt »Nasengruß und Wangenkuss« (A. Kostrzewa, Fischer Sauerländer, ab 8). Regenbogen- und Adoptivfamilien sowie Alleinerziehende zählen freilich zu den Familienformen. In »Zwei Papas für Tango« (E. Schreiber-Wicke, Thienemann, ab 4) bauen zwei Pinguinmännchen gemeinsam ein Nest und gründen eine Bilderbuch-Regenbogenfamilie.

»Vor den 7 Bergen« erzählt davon, was alles schiefgehen kann, wenn eine alleinerziehende Mutter plant, mit ihren sieben Kindern zu Oma auf Besuch zu fahren. Bild: Engelke/Feldmann: Vor den 7 Bergen. Kunstanstifter 2017.

Wenn ein Elternteil fehlt

Im modernen Märchen »Vor den 7 Bergen« (M. Engelke, Kunstanstifter, ab 4) wollen sieben Kinder ihre Oma besuchen, doch die alleinerziehende Mutter muss arbeiten, dann wird das Auto kaputt. Man sieht die erschöpfte Frau beim Einkaufen, beim Stillen und mit Mamafigur im Bikini. Alleinerziehende Väter sind in neueren Büchern oft warmherzige Charaktere – so zeigt »Michi und Papa. 10 wunderwarme Mutmach-Abenteuer« (B. Nonnast, Gulliver, ab 5) etwa eine freundschaftliche Vater-Sohn-Beziehung, während Mama weit weg lebt.

Dunnes Mutter in »Du, mein Ein und Alles« (R. Lagercrantz, Moritz, ab 6) ist gestorben. Papas neue Freundin sieht sie als Konkurrentin, möchte sie doch sein Ein und Alles bleiben. Lelios Vater in »Mama Mutsch und mein Geheimnis« (F. Angel, Jungbrunnen, ab 8) hingegen ist ein gebrochener Mann. Eine Nachbarin erklärt dem Jungen, dass sein Papa nicht nur der verstorbenen Frau nachtrauert, sondern drogensüchtig und unfähig ist, sich um ihn zu kümmern.

Die beiden Pinguinmännchen Roy und Silo aus dem New Yorker Central Park Zoo gründen in »Zwei Papas für Tango« eine Regenbogenfamilie. Bild: Schreiber-Wicke/Holland: Zwei Paps für Tango. Thienemann 2017.

Patchwork ist mehr als Flickwerk

»Greta haut ab« (P. Lindenbaum, Oetinger, ab 4), da sie sich von Mama, deren Freund und dessen Sohn ungerecht behandelt fühlt, und darf ihrer Wut über die zusammengewürfelte Familie freien Lauf lassen. »Wir Buddenbergs. Der Schatz, der mit der Post kam« (A. Herden, Fischer KJB, ab 8) ist die Geschichte einer Patchworkfamilie: vier Kinder, Mama, diverse Väter und Opipi. Die unüberschaubare Sippe ordnet Mia in ihrem Lebensatlas.

»Wir Rüben aus der großen Stadt« (V. Hasel, Peter Hammer Verlag, ab 8) zeigt ein Wohnprojekt mit familienähnlichen Strukturen. Flora hat mehrere Mamas, Papas und Geschwister: »Insgesamt sind wir vier Familien im Haus, aber wo die eine Familie anfängt und die andere aufhört, lässt sich gar nicht so genau sagen. […] Und auch uns Kinder teilen sich die Erwachsenen: In allen Familien gibt es Montag, Dienstag, Mittwoch. Bei uns gibt es Mo-Tage, Matthis-Tage, Naika-Tage und so weiter. An jedem Tag passt ein anderer auf uns Rüben auf.«

Ein Familienalbum …

»Mein Familienbuch« (M. Geissler, Jaja Verlag) ist ein wunderschönes Eintragbuch für die Familie und die »Wahlverwandten«!

BIORAMA #56

Dieser Artikel ist im BIORAMA #56 erschienen

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