Der Zirbenschmäh
Ein billiges Holz wird binnen weniger Jahre zu einem der teuersten. Der Vorarlberger Handwerksbertrieb »Die Koje« produziert Vollholzbetten aus Zirbe und hat mit einem Zirbenprodukt – einer Kinderwiege – Designpreise gewonnen. Der Geschäftsführer und Tischler Christian Leidinger im Interview.
BIORAMA: Wie geht es der Zirbe?
CHRISTIAN LEIDINGER: Es wird die letzten Jahre konstant gleich viel Zirbe eingeschlagen. Die Bestände verändern sich insgesamt kaum, nur der Preis steigt.
Ist der Zirbenraum schlicht der Alpenraum?
Ja, die Zirbe ist eine Spezialität des Alpenraums. In Österreich kommt das meiste Holz aus den Wäldern der Österreichischen Bundesforste. Mit Ausnahme der Nationalparks werden hier Wälder bewirtschaftet wie Gärten: Wo etwas entnommen wird, wird nachgepflanzt, nichts wird dem Zufall überlassen. Es wird Forstwirtschaft betrieben.
Wo wächst die Zirbe, die Sie verarbeiten?
Wir beziehen Zirbenholz nur aus unserem Umland in der Bodenseeregion. Konkret heißt das vor allem Tirol, Osttirol und Südtirol, Westschweiz und Bayern. Geben würde es die Zirbe beispielsweise auch in der Steiermark und in Kärnten, aber wir versuchen Transportwege kurz zu halten. Von unserem Vorarlberger Unternehmenssitz aus liegt uns der benachbarte Grenzraum eben näher als manche Gegenden Österreichs.
Zirbe war mal ein vergleichsweise sehr billiges Holz, richtig? Was hat sich verändert?
Ja, früher hat man Zirbe eingeschnitten in Mischungen mit anderen Holzarten – um seine Qualitäten als duftendes Holz wusste man natürlich da auch schon. Im Schlafzimmerbereich hat schon die Joanneum-Research-Studie geholfen.
Ein Zirbenholzbett kostet zwischen 2000 und 4000 Euro. Das würde es aber auch kosten, wenn es aus einem Hartholz wie etwa Nuss gemacht ist. Es sind im Übrigen vor allem die vielen Arbeitsstunden, die diesen Preis begründen und weniger der Rohstoff. So groß, wie alle tun, ist die Gewinnspanne also nicht bei der Zirbe.
Andererseits sind wir der größte Zirbenholzbetrieb Österreichs und verarbeiten 50 Kubikmeter im Monat. Das sind etwa 100 Betten im Monat. Verglichen mit der Buche sind wir damit sehr in der Nische. Und das sind wir noch immer, wenn man alle Zirbenverarbeitungsbetriebe Österreichs zusammenzählt. Ob das schon der ganz große Boom ist?
Schlafen Sie im Zirbenbett?
Ja, ich schlafe in einem Zirbenbett. Es riecht einfach extrem gut. Gefühlt macht die Zirbe mit mir viel. Und wir haben auch von unseren Kunden entsprechend enorm positive Rückmeldungen.
Wenn man 75 wird, hat man 25 Jahre im Schlafzimmer verbracht. – Christian Leidinger
Ist es gesund, im Zirbenbett zu schlafen?
Mir ist es wichtig, in einem Bett aus unbehandeltem Holz zu schlafen. Ich tu mich selbst schon ein bissl schwer damit, was mit dem »Zirbenschmäh« alles vermarktet wird.
Was halten Sie von der Joanneum-Research-Studie?
Die Studie ist umstritten (In einem Beitrag im BIORAMA #56 kommt auch der Studienleiter zu Wort) und gehört wiederholt. Das würde ich mir wünschen. Aber es will keiner das Geld in die Hand nehmen, weil die bisher durchgeführte Forschung eh schon zum gewünschten Effekt geführt hat.
Es gab vor einigen Monaten auch wieder eine TV-Sendung des ORF, in der die Studie zerrissen wurde – vor allem vor dem Hintergrund eines vermeintlichen Booms, den sie unterfüttert. Dabei ist es doch einfach falsch zu suggerieren, es gäbe einen Riesenboom und die Zirbe wäre ein Massenprodukt.
Mich stört es eigentlich auch, dass noch nicht geklärt ist, ab welcher Menge Zirbenholz es welchen Effekt gibt. Ich appelliere aber an die Vernunft, gute Vollholzbetten nicht zu Esoterik zu erklären, weil mir ein Studiendesign zu Auswirkungen einer Holzart auf die Gesundheit von Menschen nicht gefällt oder nicht reicht. Denn die Gefahr ist, dass sich durch das Herumreiten auf den Forschungslücken beim Konsumenten das Gefühl einstellt: Ich werde eh überall betrogen, also kann ich gleich wieder Spanplatten kaufen.
Was ist der Unterschied zu anderen Hölzern? Oder geht es nur darum, Vollholzbetten zu haben?
Der Inhaltsstoff, auf den vieles der Wirkung der Zirbe wohl zurückzuführen ist, ist das Pinosylvin. Das kommt auch in anderen Hölzern vor.
Ich liebe die Zirbe. Aber irgendwann ist dann auch bei mir Schluss mit Zirbenprodukten. Es gibt Handyhalter aus Zirbe, weil geglaubt wird, dass das Holz die Strahlung abhält. Aber gegen Kissen beispielsweise werde ich mich nicht pauschal äußern, die machen wir auch und zwar aus dem Abfall, der bei uns anfällt. Bei uns wird nix weggeschmissen! Die Kissen gibt’s am Markt aber auch mit Polyesterfüllung, da sind dann noch drei Hobelspäne zusätzlich drin.
Ich würde als Faustregel vorschlagen: Wenn so ein Zirbenkissen in Plastik verpackt ist, brauch ich mir gar nicht so genau ansehen, was drin ist, um zu wissen, dass es der Hersteller nicht allzu ernst nehmen wird. Der Kunde muss den Verzicht auf Einwegverpackungen aber letztlich auch zahlen. Damit es möglich ist, auf Plastik und auf Einwegverpackungsmaterial zu verzichten, muss sichergestellt sein, dass die Verpackung zu uns zurückkommt.
Wie finden Sie es, wenn sich die Kunden das Bett ohne Metall in ein Gebäude aus Stahlbeton stellen?
Wer in der Früh nicht ausgeschlafen ist, Kopfweh oder Rückenweh hat, hat einen Leidensdruck. Wenn der groß ist, ist man auch nicht 100 Prozent leistungsfähig. Ich maße mir gar nicht an, zu beurteilen, dass es Leute gibt, die deswegen sogar die Ausrichtung ihres Bettes auspendeln. Ich schlafe wahrscheinlich auch in einem metallverschraubten Bett gut.
Unser Bett kommt ohne Metall aus, weil es generell ohne Schrauben auskommt. Das Bett hält durch ein Stecksystem wie ein alter Bauernschrank. Da gibt’s auch keine Teile, die kaputt werden können und irgendwann nicht mehr erhältlich sind. Es kann beliebig oft auf- und abgebaut werden.
Produzieren Sie vor allem für den Export oder vor allem für Vorarlberger Konsumenten?
Unsere Produkte gehen etwa zur Hälfte in die Region um den Bodensee und die andere Hälfte geht ins restliche Österreich. Wir beginnen aber gerade mit China, weil wir eine Lösung gefunden haben, wie wir ohne Frachtschiff und auch sonst ökologisch transportieren können. Diesen September werden die ersten Betten nach München und von dort mit dem Zug nach China transportiert – zwei Wochen später sind sie dort.
Stimmt es, dass in Vorarlberg fast jeder eine Tischlerküche hat, dass Handwerk mehr geschätzt wird als anderswo?
Das war einmal ein bisschen so. Ich gehe davon aus, dass der Großteil der Vorarlberger ihre Küche jetzt aus einem Küchencenter oder ähnlichem bezieht. Ich bin in der dritten Generation in unserem Betrieb – traurigerweise verkommen viele Tischlereien zu Handelsbetrieben. Die beziehen dann in der Industrie und bauen dem Kunden die Industrieprodukte ein. Das ist auch in Vorarlberg so. Uns hat davor die Spezialisierung auf Betten bewahrt.
Ihr Kinderbett hat viele Preise gewonnen.
Unsere Wiege ist die schönste der Welt. Weil sie Design und Nachhaltigkeitsgedanken vereint. Und Funktion! Wir haben monatelang allein Kuven gefräst, um den richtigen Takt der Wiege zu bekommen.
Wie ist es in Vorarlberg zu leben und sich kein Zirben(kinder)bett leisten zu können?
Vor zwei Wochen ist meine Tochter zur Welt gekommen und für sie haben wir jetzt alles, was unser Unternehmen zu bieten hat, das volle Programm. Aber bei meinen zwei Älteren hab ich teilweise noch auf IKEA gesetzt, das war schlicht geldbedingt.
Was haben die Vorarlberger gegen IKEA ?
IKEA wollte sich zwar in Lustenau niederlassen, aber Protest hat dazu geführt, dass eine Volksabstimmung durchgeführt worden wäre. (Hätte IKEA seine Niederlassungspläne nicht von sich aus „auf Eis gelegt„, Anm. d. Red.). Ich gehe davon aus, dass die Bevölkerung dafür gestimmt hätte. Das hat IKEA anscheinend zu lange gedauert. Man muss sagen, dass in Lustenau seit Jahrzehnten ein massives Verkehrsproblem besteht und da hätte man Lösungen zur Entlastung der Stadt vom Transitverkehr finden müssen, dann wäre wohl auch IKEA kein Problem gewesen. Und ich muss sagen, wenn schon unbedingt ein Möbelhaus her muss, dann dieses, weil das produziert zumindest teilweise selbst.
BIORAMA #56