Mit Frittieröl über den Atlantik

Kann am Fliegen irgendetwas nachhaltig sein? Die niederländische Fluggesellschaft KLM gibt sich Mühe, möglichst sauber zu bleiben.  

Eine Boeing 787 im KLM-Hangar am Flughafen Amsterdam-Schiphon (Bild: BIORAMA).

Für den ökologischen Footprint jedes einzelnen Passagiers ist eine Flugreise desaströs. Trotzdem ist Reisen per Flugzeug ein weit verbreitetes guilty pleasure derer, die es sich leisten können. Immer häufiger folgen Menschen dem Aufruf zum Boarding. Von vier Milliarden Passagieren im Jahr 2017 sollen die Fluggastzahlen laut International Air Transport Association (IATA) bis auf 7,8 Milliarden Passagiere im Jahr 2036 wachsen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) geht davon aus, dass schon heute auf die zivile Luftfahrt rund fünf Prozent der klimarelevanten Emissionen entfallen. Die IATA geht von nur zwei Prozent aus. Fluggäste, die heute von Europa aus in die USA und zurück fliegen, kommen locker auf mehr als drei Tonnen CO2-Ausstoß pro Kopf. Das ist verdammt viel. Denn mit zwei Tonnen CO2-Ausstoß pro Kopf müssten sich die Menschen im Jahr 2050 begnügen, um das Zwei-Grad-Ziel aus dem Kyoto-Protokoll einzuhalten.

Weniger Fliegen fürs Klima

2016 kam eine Studie des deutschen Umweltbundesamtes zu dem Schluss, dass Steuern “die Nachfrage nach Flugreisen dämpfen und Effizienzanstrengungen im Flugsektor anstoßen” könnten. Dieselbe Studie macht allerdings auch deutlich, weshalb es keinen besonders großen Druck auf Fluggesellschaften und Politik gibt, endlich für mehr Sauberkeit am Himmel zu sorgen. Dieser Grund ist recht simpel: Diejenigen, die regelmäßig in ihren Genuss kommen, sind kaum bereit, auf Flugreisen zu verzichten. Und das betrifft ausgerechnet auch jene sozialen Milieus mit einem ausgeprägten Umweltbewusstsein.

Denn auch diese Milieus haben einen überdurchschnittlich hohen Ressourcenverbrauch, den sie dazu noch selbst unterschätzen, inklusive hoher Flugreiseaktivität:  “In den sozialen Milieus, in denen nicht-materielle Werte hochgehalten werden, leisten sich viele von ihren hohen Einkommen einen Komfort und viele Aktivitäten, die mit hohen Ressourcenverbräuchen und CO2-Emissionen verbunden sind”, stellt die Studie fest. Höhere Steuern bedeuten für die extrem kompetitive Luftfahrt immer auch Wettbewerbsnachteile. Vor allem dann, wenn höhere Steuern auf Kerosin, Tickets oder Emissionen nur in einzelnen Staaten erhoben werden.

Steuerfrei seit über 70 Jahren

Schon im Jahr 1944 vereinbarten die damals 52 Mitgliedstaaten der International Aviation Transport Asssociation im Chicagoer Abkommen, keine Steuern auf Flugbenzin zu erheben. Das sollte den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg und die internationale Vernetzung fördern. Daran wurde bis heute nur verhalten und vereinzelt gerüttelt. Auf internationale Flugtickets wird meist nicht einmal eine Mehrwertsteuer erhoben. In den Niederlanden hat man im Jahr 2005 dennoch als erster und bislang einziger EU-Staat damit begonnen, Flugbenzin zu besteuern. Die Fluggesellschaft KLM hat sich seither ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Der niederländische „Flag Carrier“ mit seinen rund 120 Maschinen im Pantone-299-blauen Anstrich hat das Ziel, die nachhaltigste Fluglinie der Welt zu werden. Ein Besuch bei KLM am Flughafen Amsterdam-Schiphol lässt erahnen, was die Airline im Sustainability-Management beschäftigt.

Bio-Toast und Bio-Sprit

Wenn an Bord eines KLM-Flugs das Frühstück serviert wird, gibt es Bio-Toastbrot mit holländischem Polderkäse. Echte Lebensmittel. Auf die Qualität des Caterings an Bord legt die Koninklijke Luchtvaart Maatschappij Wert. Zertifizierte Lebensmittel – längst nicht alle in Bioqualität – sind allerdings eher ein winziger Aspekt für die Fluggesellschaft, wenn es um Ressourcenschonung geht. Schließlich ist ihr wichtigster Rohstoff nicht Toastbrot, sondern Treibstoff.  “Es heißt ja immer, beim Fliegen würde viel Treibstoff verbraucht. Aber haben Sie sich einmal überlegt, wie hoch der Verbrauch ist, wenn man ihn pro 100 Kilometer und pro Passagier berechnet?“ fragt KLM-Techniker Jeroen Lodewijks, während er im Hangar 3 der KLM-Basis von der Boeing 787 schwärmt, die hier gerade gewartet und geputzt wird. „Im Auto braucht man ungefähr acht Liter auf 100 Kilometern. Und das, während die meisten Menschen alleine im Auto sitzen. In der 787 befördern wir jeden Passagier mit einem Liter Benzin 47 Kilometer weit.”

Dass der Flugzeugtyp, der vom Boeing-Marketing den Beinamen “Dreamliner” bekommen hat, besonders effizient ist, soll mit einer ganzen Reihe von Innovationen zusammenhängen. “Die 787 besteht fast komplett aus Kohlefaser. Es wird fast gar kein Aluminium mehr verbaut,” erklärt Lodewijks die Gewichtsreduktion gegenüber anderen Flugzeugtypen. “Die Entwickler haben das Flugzeug wirklich neu erfunden. Die Philosophie dahinter war auch: Software wiegt nichts – also stopfen wir das Flugzeug voll mit Softwarelösungen.“ Seit der „Dreamliner“ in den KLM-Farben fliegt, bekommen die Techniker in Amsterdam regelmäßig Software-Updates von Boeing, die den Betrieb der Maschinen effizienter machen. „Heute fliegen wir die 787 viel effizienter als bei ihrer Einführung vor vier Jahren.” Leiser als andere Flugzeuge soll die 787 obendrein auch sein.

Effizient zu fliegen, bedeutet nicht nur, moderne Maschinen einzusetzen, sondern auch, ständig aufs Gewicht zu achten. Der Blick auf die Waage ist ein ständiger Begleiter der Luftfahrt. Deshalb wurden bei KLM zum Beispiel die Zeitungen und Magazine an Bord durch ein digitales Lese-Angebot auf den Screens an jedem Sitz ersetzt. Das soll Gewicht und Papierverschwendung reduzieren. Es mag sein, dass bei solchen “operativen Effizienzsteigerungen” nicht der Klimaschutz die treibende Kraft ist, sondern eher die Kostenreduktion.Im Nachhaltigkeitsbericht macht sich allerdings so manche Sparmaßnahme gut – nicht nur bei KLM.

Moderne Langstreckenflugzeuge wie die Boeing 777-300 fliegen deutlich effizienter, als ältere Modelle – allerdings auch deutlich öfter (Bild: BIORAMA).

Frittenfett aus Kalifornien

Natürlich macht es für die Klima- und Umweltbilanz einer Fluggesellschaft auch einen Unterschied, was in den Triebwerken ihrer Flugzeuge überhaupt verbrannt wird. Bei KLM wird deshalb mit Biokerosin experimentiert. 2011 hat KLM zum ersten Mal Flugzeuge mit Biokerosin betrieben – damals als erste Airline weltweit. “Wir glauben daran, dass Biotreibstoff unseren ökologischen Fußabdruck mittelfristig substanziell reduzieren kann, weil wir damit bis zu 80 Prozent unserer CO2-Emissionen sparen können.” erklärt Remona van der Zon aus dem CSR-Team von KLM. Bei die fliegenden Holländern wird auf der Strecke Los Angeles – Amsterdam Kerosin aus recyceltem Speiseöl eingesetzt.

Der Grund: In Kalifornien steht die Raffinerie, von der die Niederländer das recycelte Frittierfett beziehen. Bisher macht der Biokerosin-Anteil nach Airline-Angaben rund drei Prozent aus. Beeindruckend ist das nicht unbedingt. Doch angeblich ist die Nachfrage der Airline nach Biokerosin größer als das Angebot. “Allgemein ist dieser Treibstoff schwer zu bekommen.” berichtet Inka Pieter, Umweltjuristin und bei KLM verantwortlich fürs Sustainability Management. Außerdem sei er dreimal so teuer wie konventionelles Kerosin. “Selbst wenn man mit Biokerosin fliegen möchte, ist das gar nicht so einfach. Wir versuchen, Regierungen und Ölkonzerne dazu zu bewegen, den Markt dafür voranzutreiben. Die Probleme liegen aktuell in der Supply Chain. Am besten wäre eine niederländische oder europäische Anlage fürs Speiseöl-Recycling.”

Emittieren, aber Kompensieren

Auch gesteigerte Effizienz und Biotreibstoffe ändern bislang nur wenig an den enormen CO2-Emissionen der Luftfahrt. Umwelt-Dienstleister wie Atmosfair oder Myclimate bieten für Passagiere mit beunruhigtem Klimagewissen deshalb die Möglichkeit, sich finanziell per Kompensationszahlung mit dem Klimaschutz zu versöhnen. KLM bietet diese Möglichkeit seit zehn Jahren durch ein eigenes Kompensationsprogramm. Mit ein paar Extraklicks bei der Flugbuchung fördern Passagiere dadurch zum Beispiel Aufforstungen in Panama. Nur: So richtig abheben tut das Programm nicht. Gerade einmal 60.000 Passagiere haben im Jahr 2017 freiwillig kompensiert – von über 30 Millionen.

Inka Pieter sieht dafür einen simplen Grund: “Die Schwierigkeit ist, dass es in Europa so viele Menschen gibt, die gegenüber Kompensation kritisch eingestellt sind. Die Menschen mögen das Gefühl, etwas Schlechtes zu kompensieren, einfach nicht.” Bei einem Flug von Amsterdam nach Paris zahlen teilnehmende Passagiere 72 Cent. Für einen Langstreckenflug nach Panama-City liegt der freiwillige Beitrag zur CO2-Kompensation bei 11 Euro. Da stellt sich die Frage, weshalb nicht zumindest auf manchen Flügen die CO2-Kompensation ganz automatisch erfolgt. Dagegen spricht wohl vor allem der kurzfristige Wettbewerbsnachteil, der Airlines wie KLM durch verpflichtende Kompensationssysteme entstehen würde. Beim Blick auf die Kosten halten es Airlines nicht anders als die meisten ihrer Passagiere: Wenn Kompensation die Tickets spürbar verteuert, dann wird eben darauf verzichtet.

Eigeninteresse vor Klimaschutz

Das Geschäftsmodell von Fluggesellschaften ist es, Menschen in Flugzeugen – vorwiegend mit Strahltriebwerken – rund um den Globus zu befördern. Rund ein Drittel der Betriebskosten von Airlines entfällt dabei auf Treibstoff, heißt es. Dadurch liegt es im Interesse von Fluggesellschaften, den Treibstoffverbrauch und damit auch die CO2-Emissionen möglichst gering zu halten. Das führt dazu, dass die Effizienz in der Branche ein riesiges Thema ist. Umweltfreundlich Fliegen – das geht dennoch nicht. So ehrlich müssen Airlines und ihre Passagiere sein. Daran ändert bisher auch Biokerosin aus Frittieröl kaum etwas. Was wirklich hilft, die Klimabilanz der Luftfahrt zu optimieren, ist weniger zu fliegen. Als Passagier kann man diese Entscheidung treffen. Als Fluggesellschaft eher nicht. Passagiere und Airlines teilen sich ganz offensichtlich ein Interesse: Immer häufiger zu fliegen. Solange sich daran nichts ändern, verpuffen alle Bemühungen um mehr Effizienz der Branche.

BIORAMA #54

Dieser Artikel ist im BIORAMA #54 erschienen

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