Supermärkte im Gütesiegel-Rennen
Nicht jedes Siegel oder Zeichen im Supermarkt hält, was es verspricht. Für Aufklärung sorgt ein neuer Guide von Greenpeace. Er soll österreichischen Konsumenten Auskunft über die Vertrauenswürdigkeit von Bio-Gütesiegeln und Eigen-Biolinien geben.
Die Skepsis gegenüber Gütesiegeln wächst mit dem Wissen der Konsumenten über das von Unternehmen oft erfolgreich betriebene Greenwashing. Darunter fallen effektarme Klimaschutz-Maßnahmen oder Bekenntnisse, die in erster Linie der Imagepflege von Produkten oder ganzen Unternehmen und Initaitiven dienen. Unabhängige Informationen sind für Konsumenten daher umso notwendiger. Schon seit Oktober 2015 befasst sich Greenpeace Österreich mit den Nachhaltigkeits-Bemühungen von Supermärkten. Jetzt hat die Organisation einen Gütezeichen-Guide veröffentlicht, der insbesondere das Bioangebot in Supermärkten untersucht.
Greenpeace hat neun Biolinien und 26 Gütezeichen unterschiedlicher Supermärkte auf einer fünfstufigen Skala bewertet. Der Guide soll ein Wegweiser für Konsumenten sein, um herauszufinden, ob ein Siegel die Standards, die es verspricht, auch erfüllt.
Siegel mit der Bezeichnung „bio‟ und die hauseigenen Biolinien der Supermärkte, wie „Natur pur“ bei Spar oder „Echt bio“ bei Penny, sind zum Schutz des Konsumentens gesetzlich geregelt: „Bio‟ darf nur auf Produkten ausgewiesen werden, die auch nach EU-Bioverordnung biozertifiziert sind.
Wem vertrauen?
Die Gewinner im Ranking wurden als „sehr vertrauenswürdig und besonders nachhaltig‟ bezeichnet und die Letztplatzierten als „absolut nicht vertrauenswürdig bzw. als kontraproduktiver Beitrag zu Nachhaltigkeit”. Inhaltlich wurden Umweltauswirkungen, Tierschutz und, bei Produkten aus Entwicklungsländern, soziale Kriterien berücksichtigt.
Greenpeace hat auch Gütesiegel mitbewertet, die nur über eine einzige Eigenschaft des Produktes Auskunft geben, zum Beispiel darüber, ob das Produkt vegan ist. In der Frage nach Herkunft oder Herstellungsweise muss sich der Kosument dann wieder auf zusätzliche Kennzeichnungen stützen oder nachrecherchieren.
Unter den fünf bestbewerteten Biogütesiegeln finden sich bekannte wie das AMA-Biosiegel, das Bio-Austria-Gütesiegel oder das Demeter-Siegel, aber auch das Bio-Zeichen „Prüf nach!‟ der Hofer Eigenmarken Zurück zum Ursprung hat sehr gut abgeschnitten. Innerhalb der Gewinner existierten durchaus noch Unterschiede in der Bioqualität – da sie aber Greenpeace zufolge die Standards einhalten, die sie versprechen, wurden sie von der NGO als „sehr vertrauenswürdig“ eingestuft. Ein wichtiger Faktor für das gute Ergebnis des Discounters dürfte Biopionier Werner Lampert sein. Ihm ist das transparente System hinter „Prüf nach!‟ zu verdanken: Konsumenten können anhand des Chargencodes auf dem Bioprodukt online die Herkunft nachverfolgen.
Positiv bewertet wurden auch das Fairtrade-Zeichen, das EU-Bio-Siegel und das V-Label für vegetarische und vegane Produkte. Sie sind laut Greenpeace alle „vertrauenswürdig“.
Höhere Standards notwendig
Bei Fisch und Meeresfrüchten sind die Ansprüche der in den Supermärkten vertretenen Gütesiegel insgesamt eher enttäuschend. Sowohl das MSC-Siegel für Meeresfisch (des Marine Stewardship Council) als auch das ASC-Siegel für Fisch aus Aquakultur (Aquaculture Stewardship Council) schneiden sehr schlecht ab.
„Bei MSC schließen die Standards die Grundschleppnetz-Fischerei nicht aus. Mit einem Grundschleppnetz über den Meeresboden zu gehen, ist in etwas so, wie mit einem SUV über eine grüne Wiese zu fahren – es ruiniert alles‟, erklärt Greenpeace-Konsumentensprecherin Nunu Kaller die schlechte Bewertung des Meeresfisch-Zertifizierungsunternehmens. Sie kritisiert auch die hohen Beifangquoten, die MSC erlaubt. Diese sind speziell wegen der schlechten Gesamtverfassung der Meeresfauna bedenklich.
„Dem Konsumenten muss bewusst werden, dass ein blauer Stempel auf dem Produkt nicht ausreicht. Es ist immer noch Meeresfisch und momentan gibt es kein Gütesiegel für Meeresfisch, das wirklich Goldstandard hat.‟ Beim ASC-Zertifikat wird unter anderem das Futtermittel für Aquakulturen kritisiert, das es oftmals aus wild gefangenem Fisch besteht und daher die Meere nicht entlastet.
Der WWF, der MSC und ASC mitbegründet hat, teilt die Kritik insofern, dass sich die Standards beider Gütesiegel verbessern müssen. Florian Kozák, Pressesprecher für WWF Österreich, hält sie aber für notwendig: „Sie sind der erste Schritt, um globale Mindeststandards zu erreichen. Sie sind bis heute alternativlos und bieten im Gegensatz zu konventionellen Produkten einen ökologischen Mehrwert. Wir werden nicht verhindern können, dass Österreich 95 Prozent seines Fischs importiert und nur fünf Prozent heimischen Fisch konsumiert.‟
Greenpeace und der WWF raten Konsumenten gleichermaßen vom Meeresfisch ab und empfehlen, lieber zu österreichischem Biofisch zu greifen.
Greenwashing auf Kosten des Regenwalds
Wenig überraschend schlecht schneiden auch das Siegel der Rainforest Alliance, das auf Produkte aus dem Regenwald wie Kaffee, Kakao oder Bananen fokussiert, und der RSPO, der runde Tisch für nachhaltiges Palmöl. Ihre Kriterien zum Schutz des Regenwalds sind für Greenpeace nicht ausreichend erfüllt.
Für Kaller ist die Rainforest Alliance ein Bilderbuchbeispiel für Greenwashing. Die Standards auf sozialer und ökologischer Ebene sind ihrer Meinung nach zu schwach, um nachhaltiger als konventionelle, ungelabelte Produkte zu sein. Greenwashing erschwert die Lage zusätzlich: Freiwilligen Versprechen von Unternehmen ihre Umweltbelastung zu senken, verhindert, dass entsprechende Gesetzgebung stattfinden kann.
Auch die RSPO ist für die Kunden irreführend: „Derzeit gibt es am Markt kein nachhaltiges Palmöl. Trotzdem findet es sich in allen möglichen Produkten, wo es eigentlich nicht notwendig wäre.‟
Der Greenpeace-Guide ist für Konsumenten eine erste Ausgangsbasis dafür, sich mit den vielen unterschiedlichen Gütezeichen und Biomarken der großen Lebensmitteleinzelhandelsketten vertraut zu machen. Es sind schon einige Aufkleber dabei, nach denen ein Kunde Ausschau halten kann. Bei gewissen Lebensmittelgruppen, wie Fisch oder tropischem Obst, müssen jedoch Unternehmer und Gesetzgeber bessere Standards festlegen. Nicht allein für den Kundenschutz, auch zum Schutz der Umwelt sind diese längst überfällig.