Vom Haustier zur Plage
Auf der hawaiianischen Insel Kauai vermehrt sich eine Papageienart, die vor einem halben Jahrhundert als Haustier dorthin kam. Aus dem Vogel ist ein Problem für die Landwirtschaft geworden.
Die giftgrünen Halsbandsittiche mit ihrem knallroten Schnabel und dem rosafarbenen Nackenband am Hals der Männchen, das den Tieren ihren Namen gibt, sehen auf den ersten Blick harmlos aus. Auf der hawaiianischen Insel Kauai sorgen sie allerdings für reichlich Ärger. Denn sie bedienen sich an den Früchten der tropischen Insel, was sie seit Jahren zu einer großen Plage für die Agrarwirtschaft macht. 2016 haben Bauern rund 10–30% ihrer Brotfrüchte, nahe Verwandte der Jackbaumfrüchte, Longans, kleinere Verwandte der Litschis, und Litschiernten an die Papageienart verloren. Viele Bauern versuchen deshalb, die Halsbandsittiche mit Schrotflinten zu beseitigen und das Problem so in den Griff zu bekommen. Dabei sind sie allerdings nur mäßig erfolgreich. Die Landwirtschaft ist auf Kauai nicht nur die Lebensgrundlage für viele kleine Bauern. Mit einem Umsatz von 65 Millionen Dollar ist sie auch der drittgrößte Wirtschaftszweig der Insel.
Zufällig gekommen, freiwillig geblieben
Heimisch ist der Halsbandsittich ursprünglich in Subsahara-Afrika und Südasien. Nach Hawaii kam er erst in den 1960er Jahren. Einige Exemplare wurden damals in einer Pension auf Kauai als Haustiere gehalten. Ein Paar entkam, fand in der neuen Umgebung schnell seine ökologische Nische, und konnte sich rasant vermehren. Waren es Mitte der 1990er-Jahre noch unter 200, gibt es heute auf Kauai mehr als 5000 der Vögel. Daraus könnten in den nächsten Jahren bis zu 10.000 Halsbandsittiche werden. Dass Halsbandsittiche ab dem dritten Lebensjahr fortpflanzungsfähig sind und 20–30 Jahre alt werden, kommt dem raschen Wachstum der Population entgegen.
Die Vögel sind langsame Eindringlinge, die oft erst bemerkt werden, wenn ihre Zahl eine kritische Masse erreicht. Nicht nur auf Kauai. Weltweit leben Halsbandsittiche inzwischen an vielen Orten, die nicht zu ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet zählen. Zum Beispiel auch in Deutschland. Dass sie sich ausgerechnet auf Kauai so zuhause fühlen, mag vielleicht an dem ganzjährig milden Klima oder dem reichen Angebot an süßen Früchten wie Litschi und Papaya liegen. Fakt ist, dass Kauai die weltweit höchste Konzentration von Halsbandsittichen verzeichnet und diese das Leben auf Hawaii zu genießen scheinen.
David vereint mit Goliath
Auf Kauai wirtschaften nicht nur kleine Bauern. Auch Saatgut-Giganten wie Monsanto, Syngenta oder Dow spielen für die Landwirtschaft eine große Rolle. Gegen Versuche mit Pestiziden und genmanipulierten Organismen gab es zuletzt immer wieder Proteste von Kleinbauern und anderen Inselbewohnern. Mit dem Halsbandsittich haben Kleinbauern und Agrarkonzerne ein gemeinsames Problem. Denn die Papageien befallen die Felder der Saatkonzerne genauso wie die Felder der Kleinbauern. Und so kam es zu einer ungewöhnlichen Allianz: Kleine Bauern und große Konzerne taten sich zusammen, um gemeinsam den Staat dazu zu bringen, in der Sache tätig zu werden. 2017 wurde erreicht, dass 75.000 US-Dollar zur Lösung der Halsbandsittichplage freigegeben wurden. Derzeit wird geprüft, welche Möglichkeiten es gibt, die Plage unter Kontrolle zu halten.
Eine Plage in vielerlei Hinsicht
Eine Lösung muss aus Sicht der Inselbewohner dringend gefunden werden, denn die Sittiche könnten noch zu einem viel größeren Problem werden. Sie stellen nicht nur eine Plage für die Landwirtschaft dar, sondern stören durch ihre kalkigen Exkremente und ihr Gezwitscher zunehmend auch die vielen Touristen. Der Naturschützer Aaron Shields, ein Biologe am National Wildlife Research Center, warnt in einem Artikel auf dem Portal modern farmer, dass die Vögel auch verheerend auf die geschützten Regelwälder wirken können. Sie könnten das sensible Ökosystem zerstören, da sie sich mit bedrohten einheimischen Vögeln um Nahrung streiten. Hawaii ist eine sehr isolierte Inselgruppe. Heimische Pflanzen und Tiere mussten hier selten mit fremden Spezies konkurrieren.
Umso stärker gerät das sensible Ökosystem durch die invasiven Sittiche unter Druck. Aktuell halten sich die Halsbandsittiche vor allem in den Tiefländern entlang der Küste der Insel auf. Doch wenn sie in die Berge fliegen, wo viele natürliche Pflanzen blühen, könnte das bislang unabsehbare Folgen mit sich bringen. Wenn sie dort durch ihre Flugrouten die Samen von Kulturpflanzen aus der Landwirtschaft wie der Erdbeer-Guave verteilen, von der sie sich auf den Feldern reichlich ernähren, dann dürfte sich das auch auf die Flora der Insel auswirken. Die invasiven Pflanzen könnten die heimischen vertreiben.
Kurzfristige Lösungen gegen die Halsbandsittiche
Solange es noch keine große Lösung des Problems gibt, wird nach kurzzeitigen Lösungen für die Probleme der Bauern gesucht. Bauern schützen die Felder mit Netzen oder setzen Falken-Roboter ein. Eine der Möglichkeiten, das Problem in den Griff zu bekommen, ist auch die Massensterilisation durch chemisch behandeltes Futter. Ökologisch ist das allerdings bedenklich. Es wird überlegt, die Vögel im großen Stil mit Netzen einzufangen. Das gezielte Töten der Tiere ist ebenfalls eine der Lösungen, über die nachgedacht wird, sollte man das Problem so nicht in den Griff bekommen. Die Tierschutzorganisation Animal Rights Hawaii spricht sich gegen ein Massentöten aus.
Das ursprünglich im Käfig gehaltene Papageienpärchen hat sich innerhalb eines halben Jahrhunderts zu einer regelrechten Plage für die Landwirtschaft entwickelt. Bekommt Kauai diese Angelegenheit nicht bald in den Griff, könnte der Halsbandsittich aber noch ein viel größeres Problem für Kauais empfindliches Insel-Ökosystem darstellen, als bisher angenommen.