Wilde Versuchung: Wildbret als Markenprodukt
Wildbret als Markenprodukt – das verspricht „Wilde Versuchung“. Gründer Thomas Huber, selbst kein Jäger, über Neuseelandhirsch, bio-zertifizierten Wald und das Ende der Jagd-Gatterwirtschaft.
Wildfleisch ist ein schlummernder Schatz, wir wollen ihn wachküssen.“ Thomas Huber, Wildbret-Vermarkter
BIORAMA: Wilde Versuchung ist ein Versuch, Wildbret zur Marke zu machen. Warum meinen Sie, dass Konsumenten für ein Nischenprodukt wie Wildbret heute ein Markenprodukt brauchen?
Thomas Huber: Es braucht weniger ein Markenprodukt als es eine zeitgemäße Form der Kommunikation, um Menschen die Vorteile und Vorzüge von Wildfleisch näherzubringen. Aus der Historie heraus gibt es gerade in den ländlichen Teilen Österreichs einen sehr starken Bezug zur Jagd. Ich selbst bin kein Jäger, aber es gibt über 100.000 aktive Jagdkartenbesitzer. Das sind in der Mehrzahl Menschen aus dem ländlichen Raum, viele Bauern oder Menschen, deren Eltern noch Bauern waren, die jetzt selbst aber einen anderen Beruf ausüben. Es gibt einen starken Zuzug hin zu urbanen Zentren. Da fehlt immer öfter die Verbindung zum Land, zu den Produkten des Landes. Andererseits gibt es nicht nur das Bedürfnis der Industrie, billige, gesunde Lebensmittel zur Verfügung zu stellen, sondern auch Konsumenten, die besonders hohe Qualität schätzen. Das beste Beispiel dafür ist Bio. Nun haben wir in Österreich Wildbestände, die gehegt und gepflegt wurden. Wildfleisch ist ein schlummernder Schatz, wir wollen ihn wachküssen. Und am besten funktioniert das über eine Marke. Außerdem verbessern wir die Lieferketten. Auf Basis meiner langjährigen Erfahrung in der Lebensmittelindustrie sage ich: Die Supply Chain in der Vermarktung von Wildbret ist bislang sehr ineffizient.
Sie vermarkten ausschließlich aus Österreich stammendes Reh-, Rot- und Schwarzwild, gefüttert werden darf ausnahmslos mit gentechnikfreiem und aus Österreich stammendem Futter. Wie lässt sich denn Gentechnikfreiheit der Futtermittel bei Wild garantieren?
Thomas Huber: Da geht es nur ums Zufüttern. Was die Tiere sonst fressen, das lässt sich nicht kontrollieren. Wild wäre nur in undurchlässigen Gehegen als Bio-Produkt zertifizierbar, also nur aus Gatterwild. Und wir wollen uns nicht auf Gatterwild stützen. Bald wird es, das deutet der politische Gestaltungswille ja bereits an, außerdem keine geschlossenen Gehege mehr geben. Für mich persönlich ist allerdings schwer nachvollziehbar, warum ein so natürlicher Rohstoff wie Wildfleisch nicht bio zu zertifizieren ist. (Das liegt daran, dass die EU-Bioverordnung ein Kriterienkatalog ist, der auf Kontrollierbarkeit baut, die eben für freilebende Tiere nicht gegeben ist, Anmerkung der Redaktion. In Deutschland hat die Verbraucherzentrale gerade ausführlich erklärt, warum Wildbret nicht als „Bio“ oder „Öko“ verkauft werden darf.).
Zurück zur Gentechnikfreiheit: Im Voralpenland, woher Ihr Wildbret stammt und dessen Regionalmarketing-Siegel Ihre Produkte auch führen, mag es vertretbar sein zu sagen, dass sich Wild gentechnikfrei ernährt hat. In Revieren im Grenzgebiet zu Ungarn etwa, wo auch gentechnisch verändertes Saatgut im Einsatz ist und wo die Tiere wandern, wäre diese Aussage wohl nicht zulässig.
Thomas Huber: Ja und nein. Es geht, wie gesagt, ums Zufüttern. Und man kann natürlich nie ausschließen, dass einzelne Stücke hunderte Kilometer wandern. Wir vermarkten freilebendes Wild aus dem Vorarlpenland. Das von Ihnen angesprochene Voralpen-Siegel habe ich mit den Genussregionen erarbeitet. Es gibt in Österreich ja bereits einige Genussregionen, die sich mit Wild beschäftigen. Unser Produktionspartner Plaras sitzt inmitten der Genussregion „Lilienfelder Voralpenwild“, der Geschäftsführer ist da auch als Person sehr engagiert. Aber diese Region war uns zu klein. Die Mengen, die wir aus so einer Region nachhaltig entnehmen könnten, wären zu gering – bei den Mengen, an die wir in der Vermarktung denken. Ich bin stolz, dass wir das Siegel Voralpenland tragen dürfen. Aber ich möchte ehrlich sein: Es ist ein Kompromiss zwischen nachvollziehbarer Nachhaltigkeit und den Mengenbedürfnissen meiner Kunden.
Wildtierfütterung ist auch unter Jägern ein umstrittenes Thema. Laut Website wird das von Ihnen vermarktete Wild nur gefüttert, wenn es extreme Wetterverhältnisse erfordern. Warum haben Sie sich dafür entschieden?
Thomas Huber: Wir arbeiten mit Revieren, die das bereits genau so praktiziert haben. Jeder verantwortungsvolle Jäger oder Förster weiß, dass es bei gewissen Witterungsverhältnissen sinnvoll ist, den Wildbestand durch eine Grundversorgung zu sichern. Wie gesagt: wir lassen uns beim Futtermittel nachweisen, dass es gentechnikfrei ist.
Was wird denn in strengen Wintern zugefüttert? Nur Heu oder auch Kraftfutter wie Soja und Getreideschrot?
Thomas Huber: Maisschrot und Heu, sonst nichts.
Gab es Überlegungen, punkte Qualitätssicherung mit der AMA zusammenzuarbeiten? Stichwort AMA Gütesiegel.
Thomas Huber: Die gab es, und wir sind auch nach wie vor im Gespräch. Wild ist ein Nischenprodukt, deshalb muss man akzeptieren, dass das nicht die unmittelbare Aufmerksamkeit der AMA hat. Aus Sicht der Jägerschaft und auch der Konsumenten wäre ein AMA Gütesiegel für Wild aber wünschenswert. Auch um weiterzudenken. Es gibt ein deutliches Übergewicht an Nachfrage nach Wildbret im Herbst – das ist wie das Osterschinkengeschäft im Frühjahr. Das restliche Jahr über könnte man Wildbret exportieren, auch nach Asien. Das ist derzeit aber nicht möglich, weil es dafür keine Exportabkommen gibt. Das heißt: Derzeit ist ein Export nur im EU-Raum möglich. Wobei Österreich durch seine attraktiven Lagen ein sehr ertragreiches Wildland ist, dessen Bestände immer gut gehegt wurden. Wir haben ein sehr hohes Wildaufkommen pro Quadratkilometer. Viele Edelteile wandern jetzt schon in die Schweiz, nach Frankreich, das heißt die Wertschöpfung passiert derzeit vor allem im Zwischenhandel. Dem österreichischen Konsumenten bleiben derzeit oft nur die minderwertigen Teile oder auch Produkte aus Osteuropa oder etwa der häufig importierte Neuseelandhirsch. Wir haben insgesamt eigentlich eine perverse Situation, weil wir viel exportieren und andererseits viel tiefgefroren importieren. Das muss man nicht auf Dauer hinnehmen.
Laut Presseaussendung stammt das Wildfleisch „ausschließlich aus österreichischen Revieren, die den Tieren mehrere tausend Quadratmeter Freiraum lassen“. Wir sprechen damit nicht nur von freilebendem Wild, sondern auch von Tieren aus sogenannten umfriedeten Eigenjagdgebieten, richtig?
Thomas Huber: In einem abnehmenden Ausmaß gibt es da einige wenige, ja.
Wie werden denn die Reviere im Voralpenland land- und forstwirtschaftlich bewirtschaftet?
Thomas Huber: Teilweise weiß ich das. Wir sprechen von größeren Revieren, mit denen es derzeit auch keine exklusiven Abnahmeverträge gibt. Wir werden aber bereits aktiv von Revierinhabern angesprochen. Logistisch ist das alles sehr aufwändig. Was wir über die Reviere wissen: Es gibt dort meist aktive Holzbewirtschaftung und auch Domänen, in denen Weinbau stattfindet. Es sind auch Reviere, die selbst wissen, dass es beim Vermarkten um das Schaffen von Marken gehen. Sie haben oft selbst Marken gegründet, aber vor allem im Weinbau. Wilde Versuchung ist als Marke so konzipiert, dass auch Co-Branding möglich ist: also etwa Wilde Versuchung Göttweig, Wilde Versuchung Habsburg, Wilde Versuchung Klosterneuburg. Da gibt es teilweise Gespräche.
Der deutsche Bioverband Naturland zertifiziert seit einiger Zeit auch Wald biologisch. Auch in Österreich gibt es erste Waldbesitzer, die an einer Zertifizierung ihrer Wälder arbeiten. Ist das für Ihre Wild.Wald.Wiese GmbH ein Thema?
Thomas Huber: Auf jeden Fall! Das Fleisch von Tieren, die in einem biozertifizierten Wald leben, wären aus meiner Sicht auch als Bio-Produkt zertifizierbar. Derzeit gibt es Bio-Hirsch ja nur aus dem Gatter. Egal wie man zur Gatterwirtschaft steht: Es wird sie nicht mehr lange geben.
Sie bieten ein großes Grillsortiment an Würsten, Käsekrainern, Rehburger, Wildschweinschmalz und auch Convenience- und Fertiggerichte an. Ist das darin verarbeitete Fleisch ausschließlich Wild?
Thomas Huber: Je nach Rezeptur.
Das heißt es wird auch konventionelles Schweinefleisch verarbeitet?
Thomas Huber: Ja, auch normales Hausschwein. Wir sind dabei, die Rezepturen zu verändern, möglichst in Richtung reine Bio-Rezepte. Derzeit wird aber nicht nur Bio-Schwein verarbeitet, sondern auch konventionelles.
Sie kommunizieren nicht nur kurze Transportwege, sondern bieten Konsumenten auch eine transparente, lückenlose Chargenrückverfolgung an: Auf der Unternehmenswebsite kann bei Eingabe der Chargennummer, des Kaufdatums und des Kauforts genau nachgelesen werden, aus welchem Revier ein Stück stammt und wie der Jagdbeauftragte heißt. Das klingt kompliziert – und erinnert stark an die „Prüf nach!“-Standards von Zurück zum Ursprung. Wo haben Sie sich denn sonst noch am Marketing der großen Bio-Marken inspirieren lassen?
Thomas Huber: Es ist nicht kompliziert, wenn man es von Anfang an so aufsetzt. Chargenverfolgung braucht es ja bei Gewürzen wegen der Haltbarkeit ohnehin. Auch für die Bestandsführung ist sie sinnvoll. Wir haben bei den Rohstoffen vom allerersten Tag an genau Buch geführt. Weil Sie Zurück zum Ursprung ansprechen. Wir haben uns nicht bewusst inspirieren lassen, aber man nimmt das wahrscheinlich wahr. Ich war vor langer Zeit einmal bei Rewe und habe dort einem quereinsteigenden Mitarbeiter namens Werner Lampert bei der Produkteinführung von Ja! Natürlich geholfen (Anm: Lampert gründete später Zurück zum Ursprung für Hofer). Wie gesagt: Bewusst inspiriert sind wir nicht von Zurück zum Ursprung. Aber es gab vor 20 Jahren schon den Versuch, damals bei normalem Fleisch, die sogenannte „Bauernhofgarantie“ einzuführen. Heute gibt es mehr Bereitschaft von allen Marktteilnehmern, sich solchen Usancen zu unterziehen, auch die elektronische Nachverfolgung ist mittlerweile weit genug und auch Konsumenten lassen sich für nachvollziehbare hochwertige Produkte begeistern.
Die großen Bio-Marken haben alle Testimonials. Ja! Natürlich hat sein sprechendes Ferkel und den Bauer im karierten Hemd. Natur pur wird von Miriam Weichselbraun repräsentiert, Zurück zum Ursprung vom Gründer Werner Lampert. Gab es Überlegungen „Wilde Versuchung“ durch einen Jäger oder einen sprechenden Frischling personifizieren zu lassen?
Thomas Huber: Ja, die gibt es. Ich bin aber noch nicht dazugekommen, das manifester werden zu lassen.
Sie sind nicht nur in einigen Merkur- und Maximarkt-Filialen erhältlich, sondern richten sich mit einem Vertrieb über Metro Cash & Carry auch an die Gastronomie. Haben Sie schon Erfahrungen, wie ihr Wild auf Speisekarten ausgewiesen wird? Wird da ihre Marke „Wilde Versuchung“ kommuniziert oder sehen die Gastronomen eher auf www.wildwaldwiese.at nach und führen an, aus welchen Revieren das Fleisch stammt?
Thomas Huber: Ich würde mir das wünschen. Es ist aber glaube ich noch zu früh, darüber Aussagen zu treffen. Ich habe noch keinen Wirten gefunden, der das gemacht hätte. Ich denke aber auch, dass wir uns in der Gastronomie Testimonials suchen werden.
Einige Wildbretvermarkter, etwa Fairhunt aus dem Waldviertel, verkaufen ausschließlich mit bleifreier Munition erlegtes Wild. Was ist da bei „Wilde Versuchung“ Usus?
Thomas Huber: Das Thema wird bei uns diskutiert. Es ist aber ein Randgruppenthema, das viele Konsumenten wahrscheinlich kaum interessiert. Wobei ich eine Entwicklung hin zu bleifreier Munition sehe. Es gibt diesbezüglich bei uns aber keine Vorgaben wie wir sie etwa bei den Futtermitteln haben. Jedem, der schießt, in die Flinte zu schauen, das ist auch schwer. Im Übrigen sind ja routinemässige Untersuchungen des Bleigehalts durch die AGES verpflichtend notwendig.
Weiterlesen zum Thema? „Warum Wild nie bio ist und wir es trotzdem essen sollten“ – die Zusammenfassung eines BIORAMA-Talks auf unserer Veranstaltung Fair Fair 2015. Eine – umkommentierte – Liste von Wildbret-Direktvermarktern gibt es übrigens auch unter www.wildbret.at.