Rudolf Steiner revisited: Lehrgang Biodynamische Landwirtschaft
Die biodynamische Landwirtschaft versucht eine Symbiose von Natur- und Geisteswissenschaften. Das soll auch der neue Biodynamik-Lehrang widerspiegeln, erklärt BOKU-Professor Bernhard Freyer.
Anfang November startet die Universität für Bodenkultur (BOKU) gemeinsam mit der Lehr- und Forschungsgemeinschaft für biodynamische Lebensfelder (LFG) eine Seminarreihe zum Thema biodynamische Landwirtschaft. Wir haben Bernhard Freyer, an der BOKU Leiter des Instituts für ökologischen Landbau und Herausgeber des aktuellen Grundlagen-Werks zum Thema „Ökologischer Landbau“, über Rudolf Steiner, Demeter-Weinbau und Landwirtschaft als Geisteswissenschaft gesprochen.
BIORAMA: Neben der Vermittlung von Wissen zum Thema biodynamische Landwirtschaft – was ist das Ziel Ihres berufsbegleitenden Lehrgangs? Geht es darum, die Anzahl der Demeter-Biobäuerinnen und -Bauern zu erhöhen? Oder ist die Nachfrage nach einschlägigem Wissen so groß?
Bernhard Freyer: Die biodynamische Landwirtschaft versucht neben den naturwissenschaftlich begründetem Ökologischem in der Lebensmittelerzeugung, den Ernährungsfragen und den Fragen der Gesundheit von Boden, Pflanze, Tier und Mensch, auch geisteswissenschaftliche Ansätze zu diesen Themen zu reflektieren. Diese ist als Komplementärwissenschaft zu verstehen und ist nicht mit den Naturwissenschaften in einen Topf zu werfen.
Unser Ziel ist es für die verschiedenen Gruppierungen eine fundierte Grundlage über die biodynamische Landwirtschaft und angrenzende Themenfelder zu bieten. Das stösst auf Interesse sowohl bei Bauern und Bäuerinnen als auch innovativen Verarbeitern und Vermarktern und Konsumenten, die mehr als nur gesunde Lebensmittel erzeugen, verarbeiten, vermarkten bzw. zu sich nehmen wollen. Dies entspricht dem heutigen Trend eines reflektieren Umgangs mit Lebensmitteln. Was die Teilnehmerinnen und Teilnehmer damit schlussendlich anfangen, bleibt diesen überlassen.
Bernhard Freyer: Alle die ein praktisches, ökonomisches und künstlerisches oder philosophisches Interesse an der biodynamischen Wirtschaftsweise haben, sollen damit angesprochen werden.
Bernhard Freyer: Die wesentlichen Grundgedanken leiten das Seminar und die Ausführungen der Dozentinnen – aber: Rudolf Steiners Ideen bedürfen – und das ist sicherlich auch in seinem Sinne – einer kritischen Reflexion und Weiterentwicklung, einer Infragestellung oder aber auch Bestätigung.
Bernhard Freyer: Wie auch von Rudolf Steiner ausgeführt, aber häufig übersehen, trennt er Naturwissenschaften von Geisteswissenschaften. Die Naturwissenschaften unterliegen denselben Prüfmechanismen und methodischen Ansprüchen wie sonst auch. Teilweise wurden spezifische Methoden entwickelt, wie z.B. in der Lebensmittelqualitätsbewertung, das macht Sinn, und diese Methoden können auch mit herkömmlichen Produkten eingesetzt werden. Naturwissenschaften entwickeln laufend neue Methoden und verfeinern diese, um Phänomene in der Natur besser zu verstehen. Vieles basiert auf Hypothesen, ist vorläufig. So auch was den biodynamischen Landbau anbetrifft. Das wird zuweilen nicht präzise kommuniziert. Was nicht bewiesen ist, bleibt eine Hypothese, wie eben sonst in den Wissenschaften auch. Interessant in diesem Zusammenhang sind die biodynamischen Winzer – renommierte Betriebe, die auf dem Weltmarkt ihre Weine vertreiben und seinerzeit mit der Umstellung ein sehr hohes ökonomisches Risiko eingegangen sind – sie werden das nicht „aus Spaß“ unternommen haben, sondern aus der Erkenntnis einer zunehmenden Bodenqualität, Pflanzengesundheit und Weinqualität, welche die biodynamisch Methode ermöglicht.
Bernhard Freyer: Lernprozesse werden über Beispiele gefördert und das eigenständige Tun, so auch in diesem Seminar – das kann die Bewertung von Kompostqualität betreffen, artgerechte Tierhaltung, oder künstlerische Prozesse, die mit den Seminarteilnehmerinnnen praktiziert werden. Das Weinmodul ist eine Besonderheit, da es uns ermöglicht vom Boden bis über die Pflege und Verarbeitung hin zum Degustieren des Weins alle Schritte zu verfolgen.
Durch die Zuhilfenahme der verschiedenen Künste können komplexe Zusammenhänge oft sehr viel deutlicher wahrgenommen werden als durch die alleinige Vermittlung über die Sprache. Es heißt „ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ und eine „plastische“ Bewegung kann sprechender sein als ein Begriff. Die Künste Eurythmie und Plastizieren sind zur Belebung, Bereicherung und Vertiefung der Seminarinhalte beinhaltet. Durch die Übungen werden die Themen vielschichtiger bearbeitet und neue Zusammenhänge erarbeitet bzw. erkannt.
Bernhard Freyer: Im Klostergut Laab wird biodynamischer Gartenbau betrieben und praktische Übungen, z.B. Fragen der Präparate können dort direkt in der Praxis nschaulich gezeigt werden. Seminarräume und Übernachtungsmöglichkeiten ermöglichen die Durchführung des Lehrgangs.
Bernhard Freyer: Es besteht das Ziel, dieses Angebot soweit zu entwickeln, dass ein in der Bildungslandschaft anerkanntes Zertifikat ausgestellt werden kann gemäss vorgegebenen österreichischen Standards. Dazu werden gerade verschiedene Optionen geprüft.
Weiterführende Information zum Lehrgang Biodynamik findet sich hier.