Landschaft aus Edelstahl in Wien 10
Viele Köche verderben den Brei? Dass das nicht stimmt, zeigt Wiens erste „Co-Working“-Küche – eine Co-working-Space für Köche, Caterer und Food-Trucker. Über den Luxus von Profiküchen und das Management hinterm Herd.
Am Kempelen Park, in der ehemaligen Firmenküche von Siemens wird derzeit geschraubt, montiert und installiert. Die Produktionsküche wird umgerüstet. Moderne, ausziehbare Hängesteckdosen baumeln von der Decke. Einzelne Küchenzeilen wurden rausgerissen, neue Regale füllen jetzt das Lager. Noch steht und hängt nicht alles an seinem Platz. Trotz der vielen To-Dos lassen uns Marko Ertl und David Weber, zwei der vier Gründer von „Herd“, einen Blick hinters Küchenfenster werfen.
Ein Spülgang in 40 Sekunden
Hinter „Herd“ stecken Felix Münster, David Weber, Marko Ertl und Matthias Kroisz. Die vier Wahlwiener kommen aus der Gastronomie und wissen also um ‚das ewige Problem mit der Küche‘ bestens Bescheid. Zu klein, zu teuer oder zu wenig professionell – irgendwas ist immer verkehrt. Bei „Herd“ nun dürfte das anders sein: Wenn die Profiabwasch einen Spülgang in 40 Sekunden erledigt und in einem Bratkessel fünfzig statt der üblichen zehn Fleischlaberl brutzeln können, dann ist klar: Eine Profiküche bringt eine enorme Zeitersparnis. Zeit, die man anderweitig nutzen kann. Von dieser Annehmlichkeit sollen künftig – so das Konzept – auch externe Kochteams ohne Küche, Caterer, Food Trucker oder andere Kochbegeisterte profitieren können; indem sie sich in die Edelstahllandschaft einmieten und sich die dortige Infrastruktur teilen. Durch dieses „Co-Working“ wird die geräumige Profiküche für alle Beteiligten leistbar.
Über den Namen des Küchenmietpakets – „Sorgenfrei“ – müssen Marko und David schmunzeln. Er verdeutlicht, dass im Mietpaket die Nutzung der Infrastruktur, die Abfallentsorgung und die Grundreinigung enthalten ist. Herd übernimmt auch den Bürokram, notwendige Genehmigungen, Reparaturen. So können sich alle Eingemieteten um ihre Kreationen im Kochtopf kümmern, um ihr Werkzeug, ihre Arbeitskleidung und um den Abwasch. Die Mietdauer ist dabei flexibel. Von Vollzeit 24/7 über einzelne Wochentage bis hin zu Wochenendnutzungen, gelegentlich oder dauerhaft, alles ist Vereinbarungssache.
Kollektives Kochlöffelschwingen
Die zweite Idee der Co-working-Küche ist das gemeinsame Catering. Felix, David, Marko und Matthias sind dabei, zusammen mit den eingemieteten Kochteams, ein gemeinsames Catering aufzubauen. Marko und David geben ein kulinarisches Beispiel. Jeder der Kochgruppen hat seine Spezialisation. Der eine macht Burger, der andere kaltes Fingerfood. Wenn es den Burgerkunden nun aber nach Häppchen-to-Go lustet – na wieso nicht den Kochnachbarn am Arbeitsplatz nebenan fragen? Wenn man schon diverse Caterer, Food Trucker, Restaurantköche oder Start-upper bei Herd unter einem gemeinsamen Dach hat.
In einer Gemeinschaftsküche nebeneinander zu werken ist das eine. Das Teilen von Wissen und Know-how das andere. Jeder stünde während seiner gastronomischen Laufbahn irgendwann vor den selben Hürden – warum also nicht das Miteinander nutzen und voneinander Lernen: „Und wenn es nur ist, dass man gemeinsam Jammern kann,“ lacht Marko, „das ist auch schon viel wert“. Das Interesse an der Community ist Herd sehr wichtig: „Jeder soll vom anderen profitieren“, wer nicht bereit ist etwas zu geben und kein Interesse an der Community hat, der ist laut Marko und David bei ihnen Fehl am Platz. Was auch das einzige Auswahlkriterium wäre.
Herdenmanagement hinterm Herd
Doch wie hält man eine Herde arbeitswütiger Herd-Aktivisten in einer Profiküche brav zusammen? Indem man Hausregeln aufstellt. Und lebt. Gerade Hygiene- und Abfallvorschriften sind penibel einzuhalten.
Um zu erkennen, dass man sich in einer Küche im Format XXL befindet, braucht man, trotz des Umbaus, nicht viel Fantasie. Alles ist überdimensioniert. Wir sprechen hier nicht von größeren Bratpfannen oder Kochtöpfen, die man auch aus dem Hausgebrauch kennt, sondern von richtig großen Koch- und Bratkesseln. Bald schon soll es auch eine ganze Backofen-Wand geben.
Im sogenannten Kaltvorbereitungsraum werden – wie schon in der Siemens-Großküche – die Lebensmittel für die Produktion in der Küche hergerichtet. Es heißt hier Waschen, Schnippeln, Raspeln, Mischen oder Stampfen. Im Nebenraum wird abgefüllt, einfoliert oder vakuumiert.
Nur vorerst ungenützt bleiben die 90 m2 Rasen direkt vor dem Küchenfenster. In der nächsten Saison wird dieser zum Gemeinschaftsgarten für Paradeiser, Kräuter und Salate umgestaltet.
Adresse:
Herd, Wien 10., Am Kempelen Park, Gudrunstraße 11
www.herd.co.at