Melonen aus dem Marchfeld
Ein blutjunger Bauer macht das Beste aus dem Klimawandel: Er baut Wassermelonen an – im Wiener Umland. Und stellt den Betrieb auf Bio um.
Die Wassermelone ist nicht gerade das, wofür das Marchfeld gemeinhin bekannt ist. Diese trockenste Gegend Österreichs wird landwirtschaftlich zwar intensiv genutzt, weithin aber eher mit Spargel assoziiert und gilt als die Kornkammer vor den Toren Wiens. Geht es nach Hannes Windhaber wird dort künftig auch die Wassermelone gedeihen. Mitte Mai, nach den letzten Frostnächten, setzte er im heimatlichen Untersiebenbrunn heuer erstmals Melonenpflänzchen aus: auf einem halben Hektar – 1.900 weibliche und 1.100 männliche Pflanzen. Zwar gäbe es auch zwittrige Sorten, die sich selbst befruchten. Doch der Fachschulabsolvent weiß aus dem Freundeskreis: am liebsten werden Wassermelonen ohne Kerne genascht. Alle seine weiblichen Pflanzen gehören deshalb einer kernlosen Sorte an. Die männlichen Melonen sind dennoch nicht bloß zum Befruchten da. Sie tragen selbst auch Früchte (botanisch gesehen sind Melonen Kürbisgewächse), haben aber eben Kerne.
Melonen und in Zukunft vielleicht Marillen
In der Nacht bevor wir durch Windhabers Melonenacker stapfen hat es ausgiebig geregnet. Es ist früher Vormittag. Noch bleibt man im Gatsch fast stecken, doch schon dampft es wieder in der Sonne. Am Schotterweg hierher hat uns unsere eigene Staubwolke verfolgt. Ja, gegen Ende der Woche werde er wieder gießen müssen. „Aber nur wenig,“ meint er, „denn wer glaubt, dass Wassermelonen viel Wasser brauchen, der täuscht sich. Eigentlich mögen Melonen es lieber trocken – und sandig“.
Dass zuviel Wasser schadet, musste Windhaber gleich nach dem Aussetzen erfahren. Einmal zuviel und vor allem zu kaltes Wasser: gleich waren einige der empfindlichen Pflänzchen kaputt. Am besten wäre warmer Regen. Aber mit viel Regen könne man hier im Marchfeld eben nicht rechnen. „Nächstes Jahr werde ich mir einen 5.000-Liter-Tank aufs Feld stellen und wahrscheinlich in eine teure Tröpfchenbewässerung investieren. Heuer haben mich die Kosten geschreckt, aber nächstes Jahr werde ich diesen Schritt wagen.“
Man hört gleich: Noch gibt es in Windhabers Rechnung einige Unbekannte. Doch diese werden wöchentlich weniger. Zwar gab es in der Region bereits vor Jahren erste Anbauversuche mit Melonen. Dabei geblieben ist allerdings keiner der Bauern. Versuch und Irrtum gehören in der Landwirtschaft schließlich zum Geschäft. Wenn es um Pionierarbeit geht, dann erst recht. Und auf eine solche hat sich Hannes Windhaber hier eingelassen. In Untersiebenbrunn wirtschaften nur wenige Bauern biologisch. Überhaupt ist das Marchfeld eine der am intensivsten landwirtschaftlich genutzten Regionen Österreichs. Die sonst beachtliche Bio-Dichte Niederösterreichs ist hier weit unter Durchschnitt. Und auch Hannes‘ Vater, der mit knapp über 50 noch lange nicht daran denkt, den Betrieb an den Sohn zu übergeben, ist von der Bio-Idee nicht ganz überzeugt. „Der Papa traut sich nicht so recht. Wir leben vom Erdäpfel- und Gemüseanbau. Ihm ist vor allem die Umstellphase wirtschaftlich zu riskant. Ich würde gerne alle unsere 200 Hektar auf Bio umstellen. Jetzt stelle ich gerade meine 20 Hektar auf Bio-Landwirtschaft um, den Rest bewirtschaften wir konventionell. Noch.“
Das heißt: Frühestens 2019 erfüllen Windhabers Wassermelonen die strengen Biokriterien. Bis dahin kann er seine Ernte als sogenannte Umstellerware verkaufen. Mit 25 Tonnen könne man pro Hektar kalkulieren, heißt es. „Melonen bringen in etwa den selben Ertrag wie Kürbisse,“ sagt Windhaber. Mit zehn, zwölf Tonnen wäre er aber schon sehr zufrieden. Er sei eben noch ein Lernender. Vertrag mit einem fixen Abnehmer habe er ohnehin keinen. So werden die Melonen heuer in der Nachbarortschaft auf dem Markt landen. „Einmal im Monat gibt es in Obersiebenbrunn hinter der Trafik einen Markt. Ist die Ernte wirklich gut, dann werde ich auch nach Wien auf Märkte fahren. Da ist es dann sogar ideal, dass die Melonen unterschiedlich groß sind und reif werden.“ Im Burgenland, hat er gehört, da gäbe es einen Bauern mit ganzen 30 Hektar Melonen. Zu dem käme die türkische Community und ernte dort auch gleich selbst.
Wenn ich weiß, dass sich der Aufwand dafürsteht, dann arbeite ich auch gerne mit der Hand.“
Vielleicht werde er die Melonenanbaufläche nächstes Jahr verdoppeln; auf ein Hektar. Und jedenfalls aus Fehlern lernen. „Wahrscheinlich werde ich meine Melonen in Zukunft wie Erdäpfel auf Dämmen aussetzen, weil sie dann regelmäßiger wachsen. Und ich möchte den Melonenacker mit Kukuruzkulturen einzäunen, als Windschutz.“ Dass er die Maismauer dann wiederum selbst mit einem Elektrozaun vor den gefräßigen Wildsauen schützen müsse, das gehöre halt dazu. Landwirtschaft sei eben komplex.
Während wir über den Acker stapfen reißt Windhaber immer wieder händisch Unkraut aus. Er achtet behutsam darauf, dass er dabei die Melonenpflanzen nicht verletzt, die beim Ranken auch vor festen Unkrautstengeln nicht Halt machen. „Wenn ich weiß, dass sich der Aufwand dafürsteht und unterm Strich auch etwas übrig bleibt“, sinniert er, „dann arbeite ich auch gerne mit der Hand. Das mache ich eigentlich sogar lieber als die ganze Zeit nur auf Maschinen zu sitzen.“
Stolz zeigt er auch auf den benachbarten Acker. Prächtiges Soja wächst dort. „Auch mein Feld, alles bio. Es ist schön zu sehen, dass es auch anders geht. Gerade beim Soja haben Biobauern ja auch meist mehr Ertrag als konventionelle, weil beim Spritzen immer auch die Pflanze, die eigentlich geschützt werden soll, ein wenig beschädigt wird.“ Als Umstellerbetrieb brauche er sich über Düngung noch wenig Gedanken machen. Noch zehren die Felder von den langen Jahren konventionellen Bewirtschaftens. „Aber es muss jedenfalls nicht immer Mineraldünger sein.“ Nächstes Jahr werde er es einmal mit Hühnermist versuchen. Der soll besonders gut sein.
Wer den jungen Windhaber reden hört, merkt schnell. Er ist Bauer mit Leib und Seele. Genügsam und vorausschauend, dabei aber auffällig experimentierfreudig. Was ihn auch reizt: die Marille. Erst einmal wolle er Erfahrung mit seinen Melonen sammeln. Dann aber, ja, dann werde er wahrscheinlich Marillenbäume aussetzen und mit ihnen sein Glück versuchen.
Nein, auch die Marille ist nicht gerade das, wofür das Marchfeld gemeinhin bekannt ist. Doch wer sagt denn, dass das so bleiben muss.
Weiterlesen? Immer wieder beschäftigen wir uns mit dem Marchfeld (etwa mit dem von der intensiven Landwirtschaft beeinträchtigen Grundwasser). Vermeintlich exotisches Obst und Gemüse gibt es aber auch andernorts, etwa Kiwi, Feige und Goji-Beeren.