Growing Business: Die Hanfindustrie boomt

Immer mehr Landwirte satteln um und die Produzenten werden erfinderischer. Und der Markt? Der ist noch längst nicht ausgeschöpft.

Andreas Troger will das Image der Hanf-Pflanze aufpolieren. Und er hat Erfolg. 2015 startete Troger das erfolgreichste Crowdfunding-Projekt in Österreich: sein Wiener Cannabis-Startup Hanfgarten. In nur 35 Stunden sammelte Troger mit seinem Aufruf über 300.000 Euro ein. Am Ende der Crowdfunding-Aktion waren es fast eine Million Euro, die das Start-up lukriert hatte. Die Idee hinter dem Unternehmen ist einfach: Hanfgarten verkauft in einem Online-Shop 30 verschiedene Sorten von Hanfpflanzen und weitere Hanfprodukte wie Hanftee, CBD-Tropfen als Nahrungsergänzungsmittel, aber auch mehrere hundert Sorten Hanfsamen.

Hanf per Bestellung

Troger, der braungebrannte Steirer mit Undercut-Frisur und schickem Sakko, ist längst ein Medienprofi. Er läuft von Fernsehauftritt zu Fernsehauftritt. Und er wird nicht müde zu erklären, wie vielfältig Hanf eingesetzt werden kann und, dass es nicht illegal ist, wenn man sich eine Hanfpflanze zu Hause züchtet, sofern sie keine Blüten bekommt. Mit Drogenmissbrauch durch diese spezielle Züchtung der Pflanzen hat er definitiv nichts am Hut. Aber, hakt Troger ein: »Sobald das rechtlich möglich ist, möchten wir natürlich auch medizinische Cannabisblüten vertreiben«.

Seine Produkte werden, diskret und in Hipster-Verpackung, nach Hause geliefert. Für Anfänger gibt es sogar ein Komplettset mit selbstbewässerndem Topf und Lampe. »Für Menschen, die nicht unbedingt einen grünen Daumen haben«, erklärt Troger. Zuerst muss man die Stecklinge ein paar Wochen anwachsen lassen, um dann die Blätter ernten zu können. Wer sich gleich eine große Pflanze im Topf bestellt, spart Zeit. Die Blätter eignen sich nicht nur für Tee, sondern auch zum Würzen von Salaten, Fischgerichten oder auch in der selbstgemachten Limo. Und Troger ist nicht alleine mit seinem Vorhaben. Die Hanfindustrie in Europa wächst. Waren es 1993 noch knapp 6.000 Hektar Hanf, die europaweit angebaut wurden, so ist die Zahl 2015 auf 25.000 Hektar angestiegen.

Beton, Papier und Co.

Die größten Produzenten finden sich in Frankreich und den Niederlanden. Die European Industrial Hemp Association (EIHA) hat sich 2013 bereits angesehen, wofür der Nutzhanf in Europa verwendet wird.Auf den 15.700 Hektar wurden insgesamt 85.000 Tonnen Nutzhanf geerntet.

Hanfschäben, kleine, holzähnliche Teilchen, die bei der Entholzung des Pflanzenstängels anfallen, machen dabei den größten Teil der Weiterverarbeitung aus. Knapp 45.000 Tonnen Hanfschäben gehen für die Erzeugung von Hanfbeton in die Bauindustrie oder werden als Tiereinstreu, vor allem für Pferde, verwendet.

Der zweitgrößte Industriezweig ist, mit 25.000 Tonnen, die Verwendung von Hanffasern. 57 Prozent, also rund 14.000 Tonnen der Fasern, werden für die Papierproduktion verwendet und 26 Prozent, rund 6.500 Tonnen, gehen in die Dämmstoffproduktion. Zum Vergleich: Nur 0,1 Prozent, also 25 Tonnen, der Hanffasern werden für die Bekleidungsindustrie verwendet.

Auf Platz drei der Nutzhanfindustrie befindet sich mit insgesamt 13.000 Tonnen die Nutzung von Hanf für Verbrennungsanlagen, beispielsweise für die Stromerzeugung mit 7.800 Tonnen und 5.200 Tonnen werden für den Kompost weiterverarbeitet.

Den größten Wachstumsmarkt aber verzeichnet der Anbau von Hanf für die Produktion von Hanfsamen. Von 2010 auf 2013 gab es hier eine Produktionssteigerung von 92 Prozent – also von 6.000 Tonnen auf 11.500 Tonnen. Tendenz weiter steigend. Und hier findet sich die neue Generation des Landwirtschaftszweigs wieder.

Superfood Hanfsamen

Hanfsamen werden als Superfood gehandelt, da sie äußerst nährstoffreich sind. Neben allen essentiellen Aminosäuren und essentiellen Fettsäuren enthalten Hanfsamen 65 Prozent vollwertiges Protein, Mineralien und Spurenelemente wie Phosphor, Silizium, Kupfer, Jod, aber auch stark entzündungshemmende essentielle Fettsäuren wie die seltene Gammalinolensäure. Außerdem enthalten die Samen Vitamin E und Licithin, sie sind glutenfrei und können auch von Menschen mit Soja-Unverträglichkeit konsumiert werden.

Das kaltgepresste Öl aus Hanfsamen kann man für Aufstriche oder Salatdressings verwenden – aber mittlerweile gibt es auch unzählige weitere Lebensmittel, in denen Hanf enthalten ist, wie Hanfmehl, Superfood-Pralinen oder Hanf-Proteinpulver. Die Samen können auch pur genossen werden. Mit 15 Gramm bei Kindern, und 50 Gramm bei Erwachsenen ist der Tagesbedarf an Hanfsamen schon gedeckt.

Umstrittene Medizin

Dass Hanf auch in medizinischer Hinsicht eine gesunde Wirkung haben kann, ist längst bekannt. In den USA ist medizinischer Hanf in 25 Staaten bereits legal. Vergangenes Jahr wurden dort im Medizinbereich 2,6 Milliarden Dollar umgesetzt.

In Europa ist die Gesetzeslage in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich: In Belgien, den Niederlanden, Spanien, Italien, Finnland, Portugal, Tschechien und Großbritannien darf Cannabis arzneilich genutzt werden. In Österreich sind Zubereitungen aus Cannabis nicht verschreibbar, außer, es handelt sich zum Fertigarzneimittel. In Deutschland zählt Cannabis seit 2011, ähnlich wie in Österreich, zu den verschreibungsfähigen Arzneimitteln. Im März dieses Jahres hat der Bundestag aber eine Gesetzesnovelle verabschiedet, die der Landwirtschaft neuen Auftrieb gewähren könnte. In Deutschland können schwerkranke Menschen seit März auf Kassenkosten und per Rezept Cannabisblüten- und Extrakte bekommen. Sie erhalten die Arzneimittel in der Apotheke. Der Anbau ist staatlich kontrolliert, der private Eigenanbau von Cannabis, also der Blüte der Hanfpflanzen, bleibt weiterhin verboten.

Auch Troger vertreibt über seinen Onine-Shop www.hanfgarten.at CBD-Drops, die ausschließlich aus den Nutzhanf-Blüten gewonnen und als Nahrungsergänzungsmittel eingenommen werden können. »Die Auflagen sind hier sehr schwammig und nicht eindeutig geregelt«, sagt Troger, »wir haben alles von unseren Anwälten prüfen lassen, um hier abgesichert zu sein«. Troger arbeitet für die Weiterentwicklung seiner Produkte mit einigen Ärzten und Forschungseinrichtungen, aber auch mit der Privatwirtschaft zusammen.

Auch Crowdfunding-Kampagne Švon Andreas Trogers Start-up Hanfgarten ändert das Image von Cannabis (Bild Hanfgarten)

Imagepolitur

Seine Hanfpflanzen bezieht Troger von einem großen Gärtnerbetrieb. Diese werden in einer 10.000-qm-Glashaus-Fläche in Wiener Neustadt gezogen und bewässert. Hier werden keine Pestizide, sondern nur Nützlinge und Mittel auf natürlicher Basis eingesetzt. Derzeit hat das Unternehmen zehn Mitarbeiter. In Graz hat Troger mittlerweile die erste Filiale eröffnet, in der Kunden die Hanfgarten-Produkte auch direkt vor Ort kaufen können. »Ergänzt wird das Ganze auch durch einen Verkaufsautomaten, in dem unsere Produkte mehr oder weniger rund um die Uhr, sieben Tage die Woche gekauft werden können«, sagt der Start-up-Unternehmer.

Troger ist nicht alleine mit der Mission, der Hanfpflanze ein besseres Image zu verleihen. Auch in der Schweiz hat sich ein junger Unternehmer der steigenden Nachfrage nach Hanfprodukten angenommen. Der Schweizer Stevens Senn hat in einem ehemaligen Gartencenter in Zeiningen eine Indoor-Plantage mit rund 5.000 Hanfpflanzen errichtet. Bisher vertreibt er seine legalen Hanf-Produkte über einen Onlineshop. Seine Pure Production AG verkauft unter anderem Hanföl, Hanftee, Hanfschokolade, Hanfkekse aber auch Haarwachs aus Hanf. Einen Laden vor Ort möchte Senn noch eröffnen. Mittlerweile beschäftigt er schon zehn Mitarbeiter.

»Legalize it«?

Nutzhanf, Hanfsamen, Hanfbeton, Dämmstoffe aus Hanf, Tee und Hanfbier – diese Produkte lassen das Business in Europa immer schneller wachsen. Doch auch der Ruf nach der Legalisierung von Cannabis wird europaweit immer lauter. Bereits 2015 hatten die deutschen Grünen einen 60-seitigen »Entwurf eines Cannabiskontrollgesetzes« im Bundestag vorgelegt. Wenn es nach dem Entwurf der Grünen ginge, sollte ein Erwachsener bis zu 30 Gramm Cannabis mit sich herumtragen oder daheim lagern dürfen. Der Anbau sollte weiterhin staatlich kontrolliert sein. Das aktuelle Betäubungsmittelgesetz, das den unerlaubten Umgang mit Cannabis bestraft, ist zwar ein Bundesgesetz, dessen Umsetzung und Rechtspraxis bleibt aber Ländersache.

Während die Legalisierungsdebatte in Deutschland alle Jahre wieder aufflammt, wurden die Gesetze in Sachen Cannabis in Österreich weiter verschärft. Seit dem 1. Juni 2016 kann der Verkauf von Drogen auf offener Straße in Österreich mit bis zu zwei Jahren Gefängnis bestraft werden.

»Wir weisen unsere Kunden darauf hin, dass es verboten ist, die Pflanze in die Blüte zu bringen und wir diesbezüglich auch keine Beratung geben«, erklärt Troger. Wenn der Staat das mit Gesetzen nicht verhindern könne, werde er es aber auch nicht können, sagt der Unternehmer. Er sieht die Prohibition als gescheitert an und hofft auf eine Gesetzeslage, die an die »Lebensrealität der Menschen angepasst ist«. Es werde endlich wieder Zeit, offen über das Thema Cannabis zu sprechen und brauchbare Alternativen zur Verbotspolitik zu bieten, sagt Troger.

Eins steht fest: Das Negativ-Image von Hanf scheint längst überholt zu sein. Sunnyboys wie Troger dürften nicht zuletzt dafür verantwortlich sein.

 

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