Eichhörnchenkunde für Kinder

Aus: „Das Eichhörnchenjahr“ von Eva Sixt © 2017 Atlantis Verlag

Als die studierte Biologin Eva Sixt vor mehreren Jahren ein aus einem Kobel gefallenes Eichhörnchen fand, nahm sie es mit nach Hause und zog es selbst groß. Ihre Erfahrungen mit dem Nagetier veranlasste die heute als Lektorin und Illustratorin tätige Sixt, „Das Eichhörnchenjahr“, ein Sachbilderbuch für Kinder, zu schreiben und zu illustrieren. Erschienen ist das in Wort und Bild detailreiche Werk im Schweizer Atlantis Verlag. Mit Irene Maria Gruber spricht die Autorin über die Pflege von Findlingen, über die Notwendigkeit, fachkundige Hilfe einzuholen und die vielfältigen Erlebnisse mit ihrem Eichhörnchen.

„Das Eichhörnchenjahr“ von Eva Sixt © 2017 Atlantis Verlag

Kinder werden zu begeisterten Beobachtern, wenn Eichhörnchen in städtischen Parks oder Wäldern akrobatisch von Baum zu Baum springen. Das Sachbilderbuch von Eva Sixt bietet wunderbare naturgetreue Illustrationen sowie kindgerecht aufbereitete und dennoch detailgenaue Informationen zu den faszinierenden Nagetieren. Anhand dieses Buches können kleine Naturforscher die Tierchen durch ein ganzes Jahr begleiten. Bevor die Eichhörnchenjungen zur Welt kommen, baut das Hörnchen einen Kobel hoch oben in der Astgabel eines Baumes. Die Jungen kommen ohne Fell zur Welt und werden von der Mutter gesäugt. Ihre Kletterkünste lernen die Eichhörnchen innerhalb weniger Wochen, bald können sie senkrechte Bäume kopfvoran herunterlaufen. Die jungen Leser erfahren außerdem, dass es weltweit fast 300 verschiedene Arten von Hörnchen gibt, und dass diese kleinen Tiere nicht ausschließlich natürliche Feinde fürchten müssen. Eva Sixt erklärt, wie Eichhörnchen die von ihnen sorgfältig versteckten Nüsse unter einer dicken Schneedecke wiederfinden und was wir Menschen im Winter für sie tun können. Im Interview erzählt die Autorin von ihren persönlichen Erfahrungen.

Diesmal haben Sie sich einem Thema zugewandt, das Ihnen sehr wichtig sein dürfte: Sie haben selbst ein Eichhörnchen großgezogen. Wie kam es dazu?

Ich wohne in München an der Isar. Als ich eines Morgens Anfang Juni dort spazieren ging, sah ich ein junges Eichhörnchen herumirren. Es war nicht viel größer als eine Maus und hatte noch keinen buschigen Schwanz. Weil viele Spaziergänger mit ihren Hunden in der Nähe waren und das Eichhörnchen ganz verzweifelt wirkte und auf mich zu lief, hob ich es hoch. Es rollte sich sofort in meiner Hand zusammen und schlief erschöpft ein. Da wusste ich, dass ich es großziehen muss.

Wie reagierte Ihre Familie auf den neuen Mitbewohner?

Zwar wohne ich allein, aber weil Ludwig sehr auf mich geprägt war, war es nicht immer ganz einfach, wenn ich Besuch hatte. Vor den meisten anderen Menschen hatte er Angst und flüchtete sich auf meine Schulter oder in sein Nest. Am liebsten mochte er Kinder, aber nur, wenn sie leise mit ihm redeten. Männer konnte er nicht besonders gut leiden, er hat aus Furcht auch mal zugebissen.

Wie sah Ihr Alltag mit dem Eichhörnchen Ludwig aus? Eichhörnchen sind vor allem in der Dämmerung aktiv – was machte es tagsüber und in den Nächten?

Für mein Eichhörnchen habe ich meinen Balkon zu einem großen Käfig umbauen lassen, aber es war am liebsten in der Wohnung. Oft saß es neben mir auf dem Schreibtisch und am allerliebsten auf meiner Hand, während ich am Computer arbeitete. Es war sehr eifersüchtig auf den Computer und hatte eine Technik entwickelt, blitzschnell die Tasten mit den Zähnen herauszuhebeln. Gottseidank kann man sie wieder draufstecken.

Eichhörnchen schlafen aber sehr viel. Ludwig war nur am Vormittag zwei oder drei Stunden lang aktiv und dann nochmal ungefähr eine Stunde vor Sonnenuntergang. Dann musste ich mir Zeit nehmen und mit ihm spielen, denn ein Eichhörnchen langweilt sich schnell. Man muss es natürlich auch ständig im Auge behalten, denn es knabbert alles an, auch Stromkabel oder Tuben mit giftigen Aquarellfarben, und das kann sehr gefährlich werden.

Aus: „Das Eichhörnchenjahr“ von Eva Sixt © 2017 Atlantis Verlag

Ludwig hat seine Nüsse überall in meiner Wohnung versteckt, in den Blumentöpfen, unter Sofakissen, im Kleiderschrank, unterm Teppich, in meinen Schuhen und in allen Ecken und Winkeln.

Eigentlich kann und darf man ja ohne Ausnahmegenehmigung kein Eichhörnchen halten, und das aus gutem Grund. Die Tiere brauchen ihre Freiheit und sehr viel Platz. Ludwig konnte ich aber nicht in der Natur aussetzen, nachdem ich ihn großgezogen hatte, denn er hatte sich beim Sturz aus dem Nest an der Wirbelsäule verletzt und konnte nicht so gut klettern wie ein gesundes Hörnchen. Weil Ludwig ein wunderbares Tier war und ich keine geeignete Unterkunft für ihn finden konnte, beschloss ich, ihn zu behalten. Ich besorgte mir also eine Genehmigung.

Eichhörnchen fressen für gewöhnlich Früchte, Samen, Nüsse, Pilze – auch giftige –, Schnecken, Insekten und Vogeleier. Welches Futter bekam Ihr Eichhörnchen?

Mein Eichhörnchen verspeiste vor allem Haselnüsse, Walnüsse und Sonnenblumenkerne. Er bekam sie mit Schale, denn beim Aufknabbern nutzen sich die Zähne ab. Das ist wichtig, denn bei Eichhörnchen wachsen wie bei allen Nagetieren die Zähne ständig weiter. Deshalb müssen die Tiere viel nagen, um sie abzuschleifen und dabei gleichzeitig zu schärfen.

Ludwig hat kaum Wasser getrunken, deshalb lag immer ein saftiger Apfel bereit. Draußen habe ich für ihn Hainbuchensamen, Bucheckern und Eicheln gesammelt. Außerdem mochte er Karotten, Champignons, Weintrauben und Kirschen.

Hielt Ludwig wie seine Artgenossen in der freien Natur Winterruhe?

Er hat im Winter länger geschlafen als im Sommer. An manchen Wintertagen war er nur ungefähr eine Stunde lang wach.

Hatte Ihr Eichhörnchen Kontakt zu anderen Hörnchen?

Nein, ich konnte ihn ja nicht freilassen, denn draußen hätte er nicht lange überlebt. Eichhörnchen sind aber Einzelgänger, anders als zum Beispiel Meerschweinchen, die man auf keinen Fall allein halten darf. Deshalb hat er sicherlich nicht unter Einsamkeit gelitten. Ich musste mir aber jeden Tag viel Zeit für ihn nehmen, denn er war genauso verspielt wie ein junger Hund.

Viele Illustrationen in Ihrem wunderbaren Buch zeigen Ludwig. Wie konnten Sie das Nagetier so detailgetreu zeichnen? Ich stelle mir vor, dass es ständig in Bewegung war.

Ja, Eichhörnchen sind immer in Bewegung und wirklich blitzschnell. Sie halten kaum länger als ein paar Sekunden still. Ich habe natürlich viele Fotos von meinem Eichhörnchen gemacht. Sie waren mir sehr hilfreich, denn nur aus dem Kopf hätte ich die Bilder nicht malen können.

Es passiert nicht selten, dass junge Eichhörnchen aus ihrem Kobel fallen. Welche Tipps können Sie jemandem geben, der ein kleines Hörnchen findet?

Zunächst einmal muss man wissen, dass Eichhörnchenjunge, die schon einen buschigen Schwanz haben, bereits allein Ausflüge unternehmen und gut zurechtkommen. Nur sehr junge und verletzte Hörnchen brauchen fachkundige Hilfe.

Aus: „Das Eichhörnchenjahr“ von Eva Sixt © 2017 Atlantis Verlag

Wenn das kleine Eichhörnchen sehr erschöpft wirkt oder verletzt ist, braucht es sofort Hilfe. Wenn es aber herumläuft, muss man es mindestens 20 Minuten lang aus einiger Entfernung beobachten, denn vielleicht kommt die Mutter zurück und trägt ihr Junges wieder ins Nest. Oft suchen Eichhörnchenwaisen aus Verzweiflung sogar Kontakt zu Menschen und lassen sich leicht einfangen. Dann setzt man das Tier in eine Schachtel mit Luftlöchern, die mit einem weichen Tuch ausgelegt ist und bringt es so schnell wie möglich zu einer fachkundigen Pflegestelle.

Ein kleines Eichhörnchen selbst aufzuziehen ist sehr schwierig. Es braucht eine spezielle Milch und vieles mehr und hält einen Nächte lang wach. Wenn das Tier ausgewachsen und gesund ist, muss es ausgewildert werden, und auch das kann nur jemand, der sich sehr gut mit diesen Wildtieren auskennt.

Wo erhält man fachkundige Hilfe, wenn man den Findling nicht selbst aufziehen kann?

In vielen Gegenden haben tier- und naturliebe Menschen Netzwerke zur Rettung von Eichhörnchen eingerichtet. Auf diesen Webseiten findet man viele Kontaktadressen und wichtige Informationen zur Erstversorgung erschöpfter und verletzter Hörnchen. (www.eichhoernchen-schutz.de, www.eichhoernchen-notruf.com). Wenn keine spezielle Eichhörnchen-Pflegestelle in der Nähe ist, kennen Tierheime und Tierarztpraxen oft Adressen und helfen auch bei der Vermittlung von Findelkindern.

Eva Sixt wuchs im ländlichen Bayern auf, studierte Biologie und lernte Wissenschaftsillustration. Nachdem sie einige Jahre in Naturkundemuseen gearbeitet hatte, ist sie heute in München als Lektorin, Übersetzerin, Autorin und Illustratorin für Buchverlage, Kindermedien und wissenschaftliche Institute tätig. Ihr erstes im Atlantis Verlag erschienenes Buch war „Hasenfest und Hühnerhof“ (Rezension auf biorama.eu).

Aus: „Das Eichhörnchenjahr“ von Eva Sixt © 2017 Atlantis Verlag

„Das Eichhörnchenjahr“ von Eva Sixt ist im Atlantis Verlag erschienen. 32 Seiten. Für Kinder ab 5 Jahren.

Blickpunkt Umweltschutz und Nachhaltigkeit:

Druck: Grafisches Centrum Cuno, Calbe (Deutschland)
Papier: keine Angabe

VERWANDTE ARTIKEL