Carl Manzano: „Nationalpark ist Teil des kulturellen Erbes“

Direktor Carl Manzano kann seinen Nationalpark Donau-Auen 2017 um wichtige Schutzzonen erweitern. (Foto: Dippold)

Ein ganzes Jahr wurde im Nationalpark Donau-Auen das 20-Jahr-Jubiläum gefeiert. 2017 werden die Schutzzonen erweitert. Im Interview blickt Direktor Carl Manzano zurück und in die Zukunft. Er spricht über politische Verbündete, das Problem mit dem Twin City Liner und das musikalische Geschenk von Ernst Molden.

Sie haben 2016 ein ganzes Jahr lang 20 Jahre Nationalpark gefeiert. Die Donau vertieft sich, die Nebenarme verlanden. Wird es die Donau-Auen in 20 Jahren noch geben?
Carl Manzano: Ja, die wird es sicher geben. Aber sie werden sich in den nächsten 20 Jahren weiter verändern und anders ausschauen als heute. Es gibt mehrere Tendenzen: Wir haben die grundlegende hydrologische Situation, dass der Fluss im späten 19. Jahrhundert gravierend verändert wurde. Die Auswirkungen dieser Regulierung werden im Lauf der Jahrzehnte immer stärker. Innerhalb dieser Rahmenbedingungen ist in unserem Donauabschnitt sehr viel Natur erhalten. Er ist deshalb nationalparkwürdig. Es gibt aber eine stetige Eintiefung der Donausohle, einen sinkenden Grundwasserspiegel und einen schleichenden Verlust an Standorten der weichen Au. Wir haben aber einiges zum Positiven verändert, das begann aber erst 1996 als die Gewässervernetzung in dem vom WWF freigekauften Gebiet startete. Wir haben Altarme vernetzt, gegenüber von Hainburg das versteinte Ufer zurückgebaut, die Donau hat sich dort um bis zu 30 Meter verbreitert. Das wurde recht rasch von Fischen und Vögeln angenommen.

Ich war vor 10 Jahren aber total optimistisch, dass alles, was an Rückbau möglich ist, auch wirklich in den nächsten 10 bis 20 Jahren realisiert wird. Das hat es so aber nicht gespielt. Auch die notwendigen Geschiebezugaben, um ein weiteres Eingraben der Donau zu verhindern, wurden im Rahmen des flussbaulichen Gesamtprojekts bekämpft.

Winter im Auwald: Nach der Schneeschmelze verändern Hochwässer die Landschaft. (Foto: Kern)

Im Jubiläumsjahr wurde erstmals in der Geschichte des Nationalparks seine Fläche erweitert. Was sind denn nun die größten Herausforderungen?
Carl Manzano: Wir setzen unseren Fokus auf eine neue Form der Geschiebebewirtschaftung. Es kommt durch das Kraftwerk Freudenau zu wenig Schotter nach, weshalb sich der Fluss vertieft. Wir müssen intensiv darüber nachdenken, den Schotter wieder mit dem Schiff bergauf zu führen. Das verursacht Kosten, ich bin aber zuversichtlich. Denn was passiert, wenn es keine Geschiebebewirtschaftung gibt? Dann würde der Prozess der vergangenen 50 Jahre weitergehen und weil sich der Fluss tiefergräbt würde es im Nationalparkgebiet immer weniger Altarme und Nebengewässer geben. Die sind jetzt teilweise schon monatelang trocken. Diese Veränderung war über die letzten Jahrzehnte hinweg sichtbar und erlebbar. Was dann entsteht, sind auch wertvolle Lebensräume, aber die Au ist nun einmal ein Wasserwald. Das gilt auch für die Lobau. Auch dort gehen die Gewässer zurück. Da braucht es Gegenmaßnahmen.

Darüber hinaus ist der Unterschied zwischen Nationalpark und Nicht-Nationalpark im direkten Vergleich weiter flussaufwärts schön sichtbar: z. B. in den bewirtschafteten Tullner Auen. Das ist ein Riesenunterschied! Das gefällt zwar nicht allen, wie es im Nationalpark aussieht. Aber bei uns ist der Wald außer Nutzung gestellt. Über hunderte Hektar kann der Wald bei uns alt werden, es gibt Totholz – und dementsprechend etwa viele Hirschkäfer.

Winterstimmung zwischen Millionenstädten: Der Nationalpark Donau-Auen liegt zwischen Wien und Bratislava. (Foto: Kern)

Stadt Wien, Land NÖ, das Ministerium, viadonau, Energieversorger, NGOs und Nationalparkgemeinden – habe ich wichtige Nationalpark-Stakeholder vergessen?
Carl Manzano: Stadt, Land und Ministerium sind Träger des Nationalparks, denen gegenüber ich unmittelbar verantwortlich bin. Die Kammern beispielsweise sind in den Beiräten vertreten. Die Einrichtung von Nationalpark-Beiräten kann ich nur weiterempfehlen! Darüber hinaus gibt es 1,5 Millionen „Eintritte“ pro Jahr, also Menschen, die den Nationalpark besuchen und die ihn nutzen. Denn die Donau-Auen tragen zur Qualität in der Gesamtregion bei. Und immer mehr Menschen kommen in die Au. Das sind wichtige Stakeholder. Unser Ziel ist es und muss es sein, den Menschen, die das Bedürfnis haben, in die Au zu gehen, bewusst zu machen, dass das etwas Besonderes ist, das Rücksicht braucht. Wir sind kein Urlaubsnationalpark in einer Urlaubsregion, sondern gewissermaßen vor der Haustür und Teil des normalen Lebens.

Die Flora, die Fauna und die Natur des Menschen wurden 2016 vom Songwriter Ernst Molden im hörenswerten Nationalpark-Album „schdrom“ besungen. (Foto: Kern)

Mit dem Landwirtschafts- und Umweltminister Andrä Rupprechter ist mittlerweile ein ehemaliger Aubesetzer für die Nationalparks zuständig. Merkt man in der Zusammenarbeit, dass er einmal Aktivist war?
Carl Manzano: Die Aubesetzung hat eine ganze Generation geprägt. Bei der „Pressekonferenz der Tiere“ waren damals auch Gusenbauer, Karas und Gorbach dabei als Jungpolitiker. Es freut mich, dass auch der Umweltminister als junger Student dabei war. Massives Engagement des Bundes für die sechs Nationalparks ist wichtig. Umweltschutz ist in Österreich ja Ländersache, der Bund hätte eigentlich nix zu sagen. Aber er trägt bei uns 50 Prozent der laufenden Kosten und das von Beginn an.

Ohne Zutun des Menschen gräbt sich die Donau immer tiefer, da Kraftwerke verhindern, dass Geschiebe nachkommt. Das heißt: die Seitenarme der Donau-Auen verlanden ohne permanente Schotterzugaben im Hauptstrom. (Foto: Kern)

Wer sind andere wichtige politische Verbündete?
Carl Manzano: Es ist schön, dass die Nationalparks als Institutionen unumstritten sind. Einzelne meinen vielleicht, dass ein Kraftwerk in Hainburg gescheiter gewesen wäre, aber generell sind wir zum Glück selbstverständlich geworden. Wobei in der Politik natürlich nie etwas selbstverständlich ist. Es ist aber klar, dass die Basis dafür das Bewusstsein in der Bevölkerung ist. Wir haben als Nationalparks Austria heuer ja eine Kampagne gestartet, mit Plakaten und TV-Spots, in der wir die Nationalparks als Teil des nationalen Naturerbes sehen. Ich sehe sie darüber hinaus auch als kulturelle Institution, als Zeichen dafür wie ein Land mit seinen Naturwerten umgeht. Wir leisten uns Nationalparks so wie die Staatsoper oder das Burgtheater.

Der Nationalpark Donau-Auen liegt zwischen den Millionenstädten Wien und Bratislava, entlang der auch für den Flussverkehr genutzten Donau. Ist das nicht insgesamt eine schwierige Situation?
Carl Manzano: Letztlich ist das fast ein Grundwiderspruch, Nationalpark und Wasserstraße. Die Donau ist Kern des Nationalparks, die Schifffahrt hätte am liebsten einen Kanal, wir am liebsten einen wilden Fluss. Nun haben aber sowohl die Wasserstraßenverwaltung viadonau als auch wir ein Verständnis für die jeweiligen Notwendigkeiten und Machbarkeiten. Bei viadonau gibt’s viele, die genau verstehen, was der Nationalpark braucht. Auch das ist ein Erfolg! Es ist heute überall eine Generation am Werk, die weiß, worum es geht. Es gibt also durchaus ein integriertes Management, das Wasserstraße und Nationalpark aufeinander abstimmt. Diese Herausforderung wird auch für die nächsten Generationen bleiben. Wichtig ist, dass der Nationalpark institutionell in einer starken Position ist. Ein Nationalpark ist in Österreich im Naturschutz ja der stärkste hoheitliche Schutz – samt aktiver Verwaltung.

Gerade die Seitenarme im Nationalpark Donau-Auen unterliegen ständiger Veränderung. (Foto: Popp)

Der Twin City Liner zwischen Wien und Bratislava wird immer wieder kritisiert weil der besondere Wellengang der Boote am Ufer die Vogelbrut und die Jungfische bedroht. Muss man sich damit abfinden, dass Tourismus die Umwelt schädigt?
Carl Manzano: Dabei handelt es sich um einen Bootstyp, den es nie an der Donau gegeben hat. Er ist nicht umweltfreundlich. Ein traditionelles Donauschiff bewegt wird viel Gewicht mit langsamer Geschwindigkeit. Wir wünschen uns als Nationalpark einen anderen Bootstyp, der dann für die Strecke aber vielleicht zwei bis drei Stunden braucht. Das Geschäftsmodell des Twin City Liners baut allerdings auf dem Reiz, mit dem Boot binnen einer Stunde in Bratislava zu sein.

Was meinen Sie: Wäre es 2016 oder 2017 in Österreich noch möglich, einen Nationalpark zu gründen?
Carl Manzano: Im Moment steht das nicht zur Debatte, auch budgetär nicht. Kein Bundesland forciert aktuell ein neues Nationalpark-Projekt und es gibt gegenwärtig auch keine ernsthaften politischen Initiativen in diese Richtung.

„Wir sind kein Urlaubs-Nationalpark, sondern liegen direkt vor der Haustür“, so Carl Manzano. Der Nationalpark Donau-Auen wird von Wienern und Niederösterreichern zur Naherholung genutzt. (Foto: Popp)

Der Nationalpark hat zu seinem Jubiläum etwas Ungewöhliches getan, nämlich beim Songwriter Ernst Molden ein Konzeptalbum in Auftrag gegeben. Bereits im Frühjahr ist es unter dem Namen „schdrom“ erschienen. Wie kam es denn dazu?
Carl Manzano: Das war meine Initiative. Ich bin jetzt 20 Jahre Nationalpark-Direktor und seit den frühen 80er Jahren mit dem Thema beschäftigt. Manchmal ist mir das, was ich da erzähle, selbst ein wenig langweilig. Da wollte ich einfach einmal jemand anderen erzählen lassen, jemanden, der mit dem Gebiet persönlich stark verbunden ist. Einen Künstler, der begeistert ist. Auf Ernst Molden treffen genau diese Voraussetzungen zu. Die 20 Jahre Nationalpark waren ein guter Anlass für so ein besonderes Geburtstagsgeschenk. Ich hab ihn einfach nach einem Konzert angesprochen und um einen Liederzyklus gebeten. Er war sofort begeistert. Alle Lieder waren schon im Sommer 2015 fertig, wurden im November aufgenommen. Es gab auch eine Konzerttour – von Bayern über Tulln bis in unser Nationalpark-Zentrum im Schloss Orth, da wurde in vielen Donaustädten gespielt. Der Auftrag war für uns ein Versuch. Mir war es wichtig, mit einem Künstler zu arbeiten. Wie gesagt: Der Nationalpark ist auch ein Kulturprojekt, weit über das, was man im engeren Sinn als Kultur versteht hinaus. Nicht alles, was und worüber Ernst Molden in den „schdrom“-Liedern singt, ist nationalparkpolitisch korrekt. Z.B. geht die Aufforderung zum Suizid über unseren Bildungsauftrag hinaus. Auch wenn ins Wasser zu gehen letztlich sehr naturnah wäre. Und das Unheimliche an der Donau, das gehört einfach dazu. Aber Sie haben noch gar nichts dazu gesagt. Gefällt Ihnen das Album?

Durchaus. Ich höre auch die früheren Arbeiten von Ernst Molden, die sich rund ums Wasser, die Donau und ihre Altarme abspielen, etwa einige seiner „Bubenlieder“ sehr gern – und sein Vampirroman „Austreiben“, der ja auch in den Auen spielt, ist mir in guter Erinnerung. Aber kommen wir zurück in den Nationalpark: Das Jubiliäumsjahr ist um, der Nationalpark wird Anfang 2017 um eine Fläche von 280 Hektar in Fischamend und in der Petroneller Au erweitert. Was konkret wird in den nächsten Monaten passieren?
Carl Manzano: 2017 müssen wir einen neuen Managementplan schreiben und mit unseren Partnern und Stakeholdern abstimmen. Da werden die Weichen für die Jahre 2019 bis 2028 gestellt. Mit 1. Jänner beginnt auch eine neues große DANUBEPARKS-Projekt, in dem 15 Donauschutzgebiete von Ingoldstadt bis ins Donaudelta zusammenarbeiten. Dieses Netzwerk wird vom Nationalpark Donau-Auen koordiniert. Und die neuen Nationalpark-Flächen müssen rasch auf den Stand der alten Gebiete gebracht werden.

Hörenswert: Mit „schdrom“ widmete der Musiker Ernst Molden dem Nationalpark Donau-Auen einen Liederzyklus. Das Album entstand als Auftragswerk, initiiert von Carl Manzano.


 

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