Die Globalisierung von unten erklären
Das Südwind Magazin hat einen neuen Chefredakteur. Wir haben mit Richard Solder über seine Pläne im neuen Job gesprochen.
Das Südwind-Magazin ist das profilierteste entwicklungspolitische Magazin in Österreich. Nach zwanzig Jahren gab es gerade einen Wechsel an der Redaktionsspitze. Richard Solder übernimmt die Chefredaktion von Irmgard Kirchner.
BIORAMA: Das Südwind Magazin gibt es seit 37 Jahren. Du selbst bist 34 Jahre alt – wann bist du dem Magazin, dessen Chefredakteur du jetzt bist, das erste Mal begegnet?
Richard Solder: Während meines Zivildienstes, im Büro von CARE Österreich, als ich 2002/2003 dort meinen Zivildienst abgeleistet habe. Zu den Aufgaben gehörte die Verwaltung der hausinternen Bibliothek, in der das Südwind-Magazin seinen fixen Platz hatte. Danach ist es mir immer wieder in universitären Zusammenhängen untergekommen.
BIORAMA: Was hast du vor? Wirst du als neuer Blattmacher etwas anders machen?
Richard Solder: Ich denke, das Südwind-Magazin erfüllt seine Aufgabe sehr gut. Das merken wir an den Reaktionen unsere Leserinnen und Leser. Natürlich bin ich eine andere Generation als Irmgard Kirchner, die das Magazin 20 Jahre als Chefredakteurin geprägt hat. Dadurch wird es automatisch mehr und mehr meine Handschrift tragen. 2015 haben wir einen Relaunch durchgeführt, da ist der Generationswechsel schon mit eingeflossen. Seitdem haben wir neben den klassischen Reportagen und Analysen mehr Raum für Themenstrecken, mehr Porträts, zudem neue Rubriken wie die Heldin bzw. den Helden des Monats oder die Handlungsanleitung „Wie geht das?“. Zukünftig soll der Online-Auftritt eine wichtigere Rolle bekommen.
BIORAMA: Gibt es Themen, die dir ein besonderes Anliegen sind?
Richard Solder: Die Zivilgesellschaft. Geschichten wie jene von Fadumo Dayib, die durch ihre Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen in Somalia schon jetzt viel verändert hat, oder von ehrenamtlichen Flüchtlingshelferinnen und -helfern, die Menschen in Not eine Perspektive geben.
BIORAMA: Wie hat sich der globale Süden, den das Südwind-Magazin seit jeher thematisch fokussiert, in den zurückliegenden Jahrzehnten verändert?
Richard Solder: Auf jeden Fall enorm. Und völlig verändert hat sich auch der Zugang. Das Verständnis, dass die Länder des Nordens den Ländern des Südens aufzeigen, wie sie sich zu entwickeln haben, ist obsolet. Im Sinne der SDGs, der nachhaltigen Entwicklungsziele der UN, müssen heute alle Staaten mit an einer Transformation zu einer nachhaltigeren Welt arbeiten.
BIORAMA: Ist es eher leichter oder schwerer geworden, Leserinnen und Leser für Südwind-Themen zu interessieren?
Richard Solder: Beides zugleich. Unsere Themen sind heute sehr relevant. In Zeiten, in denen die Menschen die Globalisierung mit all ihren Vor- und Nachteilen regelrecht spüren, registrieren wir schon, dass zunehmend neue Zielgruppen auf uns aufmerksam werden. Mitbedenken muss man allerdings, dass sich auch die Mediennutzungs-Gewohnheiten verändern. Wir stehen vor ähnlichen Herausforderungen wie andere Printmedien auch.
BIORAMA: In der Aussendung zu deiner neuen Funktion wirst du zum bislang de facto nicht vorhandenen digitalen Auftritt des Magazins mit „Ich freue mich, das renommierte Südwind Magazin in die Zukunft zu führen“ zitieren. Das klingt wie ein Politikerzitat. Was konkret ist denn geplant?
Richard Solder: Die Zukunft eines Magazins wie Südwind muss analog und digital sein. Eine Ressource, die wir jetzt schon im Web haben ist unser Online-Archiv, das alle Ausgaben bis 1999 frei zugänglich macht. Der aktuelle Webauftritt orientiert sich abseits davon noch stark an den Heft-Nummern und soll unabhängiger werden. Wir wollen die Seite interaktiver gestalten und mehr Kanäle nutzen. Wie genau, werden wir bald zeigen.
BIORAMA: Euer journalistischer Zugang ist unverändert. Es dominiert das Anprangern von Missständen. „Constructive News“ liest man im Südwind-Magazin selten. Warum eigentlich?
Richard Solder: Das sehe ich anders. Dem Südwind-Magazin geht es um sachliche Information. Da gehört es dazu, Missstände als solche zu benennen. Aber wir berichten genauso über gesellschaftliche Initiativen, Menschenrechts-Vorkämpferinnen und -Vorkämpfer, Handlungsmöglichkeiten oder die Vielfalt von Ländern oder Regionen, die gerne stereotypisiert werden. Das Südwind-Magazin hat sich von Anbeginn als ein Friedensjournalismus-Projekt im Sinne von Friedensforscher Johan Galtung verstanden: Wir setzen auf eine Berichterstattung „von unten“, auf möglichst viele Perspektiven, auch von Marginalisierten, und im Fall von Konflikten nicht zuletzt die Auseinandersetzung mit Friedensvorschlägen und -prozessen.
BIORAMA: Was sind Ende 2016 anderswo gar nicht thematisierte, marginalisierte Themen?
Richard Solder: Ein paar konkrete Beispiele: Bei uns war in der Nummer 9/2016 Eritrea auf dem Cover, der Artikel lieferte viel Hintergrund, warum viele junge Menschen aus dem einstigen Musterland flüchten. In der November-Ausgabe hatten wir einen großen Beitrag zur neuen, innovativen Andenküche. Die Aufmachergeschichte der Dezember-Ausgabe widmet sich auf sechs Seiten den Protesten in Äthiopien. Welches Medium sonst hat so eine Gewichtung?
BIORAMA: Wie und wo bekommt man eigentlich das Südwind-Magazin? Und warum sieht man es so selten?
Richard Solder: Wir sind eine klassische Abo-Zeitung, die zudem in den Südwind-Buchläden, in Weltläden, hier im NGO-Büro von Südwind in der Laudongasse in 1080 Wien sowie via Online-Bestellung erhältlich ist. In der NGO-Szene und im universitären Bereich sind wir präsent. Zudem kooperieren wir mit vielen unterschiedlichen Veranstaltungen in ganz Österreich – etwa mit dem Europäischen Forum Alpbach, dem fragments Filmfestival der Menschenrechte in Graz, GOODBALL, der Viennale, der WearFair-Messe, dem this human world Filmfestival etc. Darüber hinaus unterstützen wir bewusst auch kleine Initiativen, für die es schwerer ist, Medienaufmerksamkeit zu bekommen. Auch wenn uns für größerflächiges Marketing schlichtweg die Ressourcen fehlen: Wir arbeiten daran, dass man uns nicht mehr übersehen kann.
BIORAMA: Wir wünschen alles Gute im neuen Job.
Teil der Südwind-Redaktion ist der gebürtige Vorarlberger Richard Solder bereits seit 2013. Zuvor hat er für die Wiener Zeitung gearbeitet sowie als stellvertretender Chefredakteur der Medien-Servicestelle Neue Österreicher/innen.
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