Kommt der Sechs-Stunden-Tag aus Schweden auch zu uns?
In einigen Unternehmen oder Abteilungen in Schweden wird er bereits ausprobiert: Der Sechs-Stunden-Tag. Wie bereichert er unser Leben oder gibt es Probleme?
Wir gehen jeden Tag zur Arbeit, ins Büro. Dort sitzen wir acht Stunden, erledigen unsere Arbeit und ratschen nebenbei mit Kollegen über das Wetter und die Late-Night-Show vom vergangenen Sonntag. Das hat sich in wenigen schwedischen Firmen schon geändert, denn dort hat man die Zeit für solchen zwischenmenschlichen Nonsense nicht mehr. Denn wenn einem ein Viertel der Arbeitszeit genommen wird, muss man effektiver und ohne Ablenkungen arbeiten, um trotzdem alles zu schaffen. Die verkürzte Arbeitszeit ist also Herausforderung und Chance gleichermaßen.
Erfolgsmodell für Start-Up Brath
Die Mitarbeiter der SEO-Firma Brath aus Stockholm arbeiten bereits von Anfang an, also seit der Gründung im Jahr 2012, nur sechs Stunden täglich – bei einem gleichbleibenden acht-Stunden-Lohn. Die Gründer von Brath sind sich sicher, dass ihre Mitarbeiter motivierter an ihre Sache gehen und so Zeit für wichtige Dinge im Leben wie Familie, Freunde, Kochen oder Sport bleibt. Es wirkt sich allerdings auch auf die Arbeitsweise aus, denn sinnloses Surfen, seinen Facebook-Account checken oder längere Kaffeepausen sind nicht gern gesehen. Sich sechs Stunden straight zu konzentrieren und die angehäufte Arbeit von acht Stunden in sechs zu erledigen, darauf kommt es an. Das Ergebnis überrascht, denn Brath ist das am schnellsten wachsende SEO-Unternehmen des Landes und bekommt auch Bewerbungen ohne Stellenanzeige zugeschickt. „Talentierte Mitarbeiter zu gewinnen und bei uns zu behalten, ist mit unserem Sechs-Stunden-Tag nicht schwer. Wir müssen weder annoncieren noch mit einem inspirierenden Arbeitsplatz werben, die Bewerbungen kommen einfach zu uns.“, sagt Magnus Brath auf der Firmenwebsite. Dies sei einer der wichtigsten Vorteile gegenüber den anderen Firmen. Arbeitswissenschaftler Dr. Wolfgang Hien, Inhaber und Leiter eines Forschungsbüros für Arbeit und Gesundheit, sagt dazu: „Arbeit per se ist nicht die Lösung, eine Verarmung der sozialen Kontakte – auch bei der Arbeit – ist ebenso ungesund wie zu lange Arbeitszeiten.“
Pflegeheim zahlt drauf
In Göteborg wurde der Sechs-Stunden-Tag ebenfalls ausprobiert und dabei stark kritisiert. Ein Pflegeheim reduzierte die Wochenarbeitsstunden auf 30 – doch letztendlich hat sich das – zumindest finanziell – nicht gelohnt. Obwohl die Zufriedenheit der Mitarbeiter gestiegen war, mussten mehrere neue Pfleger und Pflegerinnen eingestellt werden und so kostete die verkürzte Arbeitszeit ganze 1,4 Millionen mehr. Die Krankenrate war – anders als erhofft – ebenfalls nur um 0,6 Prozent gesunken, zu wenig für die Verantwortlichen. Das Projekt wurde nach zwei Jahren abgebrochen.
Ein anderes Beispiel einer Orthopädieabteilung in einem Vorstadtkrankenhaus Göteborgs dagegen erwies sich als sehr vielversprechend. Hier kommen die Ärzte, Schwestern und Pfleger jeden Tag drei Stunden früher aus dem OP-Saal nach Hause. Die einstündige Mittagspause entfällt, für Kaffee ist trotzdem Zeit. Durch die veränderten Arbeitszeiten wird nun in zwei Schichten operiert und damit in absoluter Zeit länger, der Umsatz der Station soll innerhalb eines Jahres um 20 Prozent steigen. Wegen Überlastung hat, wie in den vorherigen Jahren üblich, keiner mehr gekündigt und auch der Krankenstand hat sich reduziert.
Wenn es nach Dr. Wolfgang Hien geht, ist eine Reduktion der Arbeitszeit die einzige Lösung für die Zukunft. „Um wieder Sozialräume zu schaffen, seien es Nachbarschaftstreffs oder die Pflege Angehöriger, ist eine 30-Stunden-Woche auf jeden Fall ein guter Anfang. Trotzdem sollte sich der Stress dann in diesen 30 Stunden auch nicht potenzieren. Arbeit muss menschlich bleiben.“
Die Pilotprojekte in Skandinavien zeigen, dass es durchaus Unternehmen gibt, für die sich der Sechs-Stunden-Tag lohnt, die nicht nur die Motivation, sondern auch den Umsatz steigern können. Da das Land schon seit Langem in jeder Hinsicht sehr fortschrittlich ist, probiert es die neuesten progressiven Vorschläge gleich in der Praxis aus. Diese Angebote sind allerdings auch dort noch sehr rar zu finden. Der Großteil sitzt weiterhin seine acht Bürostunden ab und freut sich am Donnerstag bereits auf die Late-Night-Show.
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