Supermacht im Supermarkt

Der Verein Land schafft Leben will dem Konsumenten seinen Einfluss auf den Handel bewusst machen. 

„Mit jedem Griff ins Regal steuern wir heute die gesamte Wertschöpfungskette, nur ist es den Konsumenten nicht bewusst“, Hannes Royer ist sehr überzeugt, wenn er das sagt. Er spricht vom vegan-Trend und wachsenden Verkaufsregalen, erzählt von der Käsekultur in Frankreich und den 25 Meter langen Käsetheken und beklagt gleichzeitig unser schwaches Bewusstsein für die Herkunft und den Wert von Lebensmitteln. Beim 13. oikos-Talk im Library Café der WU Wien am 19. Oktober sprach Hannes Royer über das Bewusstsein beim Konsumieren und die Rolle der Konsumenten. Royer ist Initiator des Vereins Land schafft Leben, mit dem er durch Wissensvermittlung für Transparenz in der Lebensmittelproduktion will. Damit die bäuerliche Landwirtschaft in zehn Jahren nicht der Vergangenheit angehört.

Unabhängig, aber von Konzernen finanziert

Als unabhängiger und unpolitischer Verein will Royer mit Land schafft Leben für mehr Bewusstsein sorgen. Finanziell stehen hinter Land schafft Leben Lebensmittelhändler von Hofer über REWE oder Suterlüty bis Lidl und auch Großhändler wie KRÖSWANG. Von diesem Fördergeld werden die sieben Mitarbeiter des Vereins bezahlt sowie die Kosten für Website, Recherche und Produktion der Info gedeckt. Wie der Verein dann noch unabhängig arbeiten kann? „Das war eine harte Diskussion. Schlussendlich installierten wir dafür einen offiziellen Weisenrat als korrigierendes Gremium, der darauf schaut, dass die Arbeit neutral passiert und dass wir niemanden bevorzugen.“ Dieser Weisenrat besteht aus fünf Personen, die aus der Landwirtschaft und der Forschung kommen und in ihren Branchen ein Standing haben. So kann Royer und das Team die Recherche-Arbeit unabhängig von den Interessen der verschiedenen Branchen machen.

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Hannes Royer und zwei seiner Mitarbeiterinnen Julia Eder (ganz rechts) und Stefanie Schmied (rechts). Bild: oikos Vienna

Bergbauer und Konsumveränderer

Royer selbst ist Bergbauer in Schladming in der Steiermark und bewirtschaftet einen 800 Jahre alten Hof im Nebenerwerb. Der Hof wirft für ein Nebeneinkommen genügend Produkte ab, daneben arbeitete er jahrelang beim Maschinenring und jetzt eben beim Verein Land schafft Leben. „Mein Hof hat 800 Jahre lang Familien erhalten und Menschen ernährt“, sagt Royer. Ihm ist die Bedeutung des Lebensmittels noch bewusst, weil er sie jeden Tag erlebt. Die meisten Verbraucher vor allem in den Städten sind vom Thema aber schon weit entfernt. So fand Royer übrigens auch zur Idee des Vereins. Mit der Vermarktung eigener Produkte im Jahr 2012 erkannte er, dass kaum ein Konsument weiß, woher die Produkte eigentlich stammen und wie sie hergestellt werden. „Verbraucher treffen ihre Kaufentscheidung fast ausschließlich über den Preis“, sagt er. Das landwirtschaftlich klein strukturierte Österreich kann im freien Markt aber nur durch Qualität bestehen und nicht über den Preis. Was daraus folgt ist das, was oft als großes Bauern-Sterben bezeichnet wird. „Auch die Lebensmittelhändler zeichnen ein pessimistisches Bild von der bäuerlichen Landwirtschaft in Österreich“, erzählt er.

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Großes Interesse an den Themen der Landwirtschaft im Library Café an der WU Wien. Bild: oikos Vienna

Jedes Produkt eine Diplomarbeit­

Die Recherche dauert pro Lebensmittel mindestens ein Jahr, allein schon um den Produktionszyklus etwa bei Pflanzen vollständig abbilden zu können. Das nächste, insgesamt fünfte Produkt wird nun veröffentlicht: die Pute. Derzeit sind Informationen zum Huhn, zur Milch, zum Apfel und zur Paradeiser online. Einerseits ist in Form von Blitzwissen eine Zusammenfassung einfach und schnell abrufbar, andererseits kann man sich auf der Plattform sehr vertieft mit den Produkten auseinandersetzen. „Die Milch etwa umfasst 180 A4 Seiten, die Infos sind alle online und daraus kann man eine Diplomarbeit schreiben“, sagt Royer und klingt dabei nicht einmal stolz. Ihm geht es um die Wissensverbreitung.

Offene Türen bei Bauern und Verarbeitern

„Für die Milch haben wir 50 Bauern besucht, die haben uns alle Türen aufgemacht, da ist nichts verheimlicht worden. Bei den Verarbeitungsbetrieben war es natürlich schon spannender – da komm ich aus Schladming her und geh in die Oststeiermark und sag „wir würden gern das Huhn transparent darstellen“. Das Misstrauen war anfangs schon sehr groß, wenn da einfach irgendwer daherkommt und die Schlachtung filmen will. Da brauchte es viele Gespräche um Vertrauen aufzubauen. Das ist uns gelungen.“ Inzwischen kennt man den Verein schon, die Initiative hat sich herumgesprochen und umso eher werden Hannes Royer die Türen geöffnet. Royer ist davon überzeugt, dass es in Österreich aber nichts gibt, was man nicht guten Gewissens zeigen kann.


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