Gesucht: Hühner, die kein Soja fraßen
Für ihre Wiener Brasserie „Bits & Bites“ suchen sie frisches Geflügel, das langsam und ohne Einsatz von Soja-Kraftfutter gemästet wurde. Bislang erfolglos. Das Wirts-Paar Stan Binar (der Koch) und Farangis Firozian (die Chefin) über das Bewusstsein ihrer Gäste, ihr Faible für franzäsische Kartoffelsorten und ihre strikte „Kein Soja“-Politik.
BIORAMA: Ihr sucht für eure Brasserie hochwertiges und vor allem nachhaltiges Hühnerfleisch. Warum kauft ihr nicht einfach Bio-Geflügel im Supermarkt, im Bio-Großhandel oder bestellt bei einem Bio-Bauern in Wien Umgebung?
Stan Binar: Die Hendl sollen nicht aus einem maschinellen Brutkasten kommen, sondern am Hof gezüchtet werden, es soll bei der Kükenaufzucht keine Antibiotika zum Einsatz kommen – und so weiter. Und das muss man dann auch noch verkaufen können. Ab 12 Euro wird’s halt happig bei Konsumenten. Ein Bresse Huhn aus Frankreich zahlen Kunden dann noch eher als ein österreichisches Bio-Schwarzhuhn. Weil Bressehuhn halt …
Farangis Firozian: Es ist gar nicht so einfach, Bio-Geflügel zu finden, das in kleinen Betrieben am Hof aufwächst, ohne Soja gefüttert wird und genug Auslauf hat. In Supermärkten und im Großhandel bekommt man meist nur Massenware und, ja, klar, machen Hubers Landhendl auch Bio-Hendl, aber gerade bei Geflügel ist es für die Produzenten wesentlich ertragreicher möglichst viele Tiere auf kleinstem Raum zu halten und klarerweise wachsen die Tiere unter Sojafütterung viel schneller, da Soja einen sehr hohen Proteinantteil hat und günstig produziert wird es auch. Es gibt zwar Auflagen für Bio, jedoch ist das Endprodukt nicht das, was wir in unserer Brasserie den Leuten vorsetzen wollen. Es geht um einen möglichst direkten Bezug von Biobauern aus der Region, ohne Sojazufütterung und artgerechte Haltung. Es gibt Kompromisse, die man manchmal eingeht, weil man nicht alles immer 100-prozentig richtig machen kann. Beim Thema Geflügel haben wir bisher noch keine passenden Lieferanten gefunden, die uns in gleichbleibender Qualität beliefern könnten. Deshalb gab es bisher auch kein Geflügel auf unserer Karte.
Warum ist euch so wichtig, dass in der Fütterung kein Soja zum Einsatz kommt?
Stan: Zuerst muss man sich die Frage stellen: Wo kommt das Soja her? Wurde dafür Regenwald abgeholzt? Oft kommt es aus Lateinamerika, wo großflächig Wälder dafür abgeholzt werden. Nach Österreich gehört Soja ebenso wenig – und wer will schon Tiermast mit Kraftfutter?
In Persien verschreibt man Frauen in den Wechseljahren Sojaprodukte, da diese den Östrogenspiegel anheben. (Farangis Firozian)
Farangis: Absolut. Als Betriebswirtin sehe ich Soja immer als das perfekte Marketingprodukt. Es wächst relativ schnell relativ hoch, wirft dementsprechend viel Ertrag ab und wird den Menschen als mystische Wunderbohne aus Asien verkauft. Leider verhält es sich mit Soja ein wenig wie bei Aktien. Die, die am meisten Ertrag abwerfen, tragen auch das höchste Risiko mit sich. In diesem Fall tragen jedoch nicht Konzerne wie Monsanto, Unilever und Co. das Risiko, sondern der Konsument und die Natur. Es lassen sich abgesehen von Sojamilch, Sojapudding, Tofu, veganer Ente und Soja-Leberkäse noch eine ganze Reihe anderer Consumer Goods daraus produzieren. Es ist ähnlich wie mit dem Zucker: Billig und schnell anzubauen – und mit etwas Marketing lassen sich dann tausende Produkte und dementsprechende Umsätze in Milliardenhöhe lukrieren. Für den menschlichen Körper ist Soja nur leider nicht so gesund, wie alle denken. In Persien verschreibt man Frauen z.B. in den Wechseljahren Sojaprodukte, da diese den Östrogenspiegel anheben. Wenn wir jetzt also Unmengen von dem Zeug in uns reinstopfen (auch unser Essen wir mit Soja gefüttert) dann, darf es uns nicht wundern, dass unser Körper eigenartig darauf reagiert.
Farangis: Soja ist völlig unbemerkt zu einem Lebensmittel geworden, dass sich völlig unbemerkt in unser tägliche Diät geschlichen hat. Es gibt unzählige Produkte, die wir täglich verzehren, von denen wir nicht einmal wissen, dass sie Soja beinhalten. Abgesehen von den Auswirkungen, die Soja auf unseren Körper hat, tut es der Biodiversität und der Qualität des Erdbodens nicht gerade gut. Durch die Soja-Monokultur, die sich von Amerika aus quer über den Erdball verbreitet, wird der Artenreichtum von Flora und Fauna immens eingeschränkt. Soja besitzt die egoistische Eigenschaft, den Boden für sich einzunehmen und daraus eine Wüste zu machen. Kurzum: Da wo Soja wächst, wächst nix anderes mehr. In Hawaii werden gerade Landstriche von fruchtbaren Boden von Monsanto mit Soja-Monokultur bewirtschaftet. In Lateinamerika das Ganze dann in noch größerem Maßstab. Bei uns in Österreich gibt es ja auch Bio-Soja-Anbau – und alle denken, sie kaufen jetzt ein nachhaltiges Produkt. Nachhaltig hat eben Null mit Bio zu tun. Soja ist in den Mengen wie es bei uns konsumiert wird, einfach alles andere als gut für irgendjemanden. Wenn die Leute bei uns also im Lokal vegetarisch oder vegan essen möchten, werden sie eine Vielfalt an Bohnen und Nüssen finden und viel Gemüse aus der Region, aber sicher keine Sojapatties in Burgern. Wäh! Es macht für viele Restaurants kaum einen Unterschied, ob ihr Rindfleisch ohne Soja produziert wurde. Es macht einfach einen Riesenunterschied, ob das Beef, das du für ein Steak verwendest, langsam in der Natur gewachsen ist, sich von Wiesenkräutern und Heu ernährt und jederzeit ins Freie laufen kann oder ob es nach ein paar Monaten schnellem Sojawachstum dann schliesslich in der Pfanne auf 60 Prozent seines Volumens runterschrumpft und nach nix schmeckt. Das Endergebnis hat der Gast dann geschmacklich am Teller. Da stellt sich dann die Frage: Möchte ich das meinen Gästen antun? Und wer dann die Dollarzeichen auf den Augen hat, hat für mich als Gastgeber versagt.
Es macht punkto Geschmack und auch Bissfestigkeit einen großen Unterschied, ob ein Huhn im Freiland herumlaufen konnte oder nicht. Auch das Fleisch der Hähne ist etwas muskulöser und fester als das der weiblichen Hühner. Merkt man als Konsument auch die Soja-Fütterung oder geht es euch da vor allem um die gerade geschilderte ethische Komponente?
Stan: Vergleich mal ein sous vide gegartes Bresse Huhn und ein Soja-Hendl. Klarerweise macht die Zubereitung viel in punkto Bissfestigkeit aus, aber eben auch all das gerade Ausgeführte hat beträchtliche Auswirkungen auf das Endprodukt.
Farangis: Ich glaube, wir sehen das aus einer recht entspannten und auf wissenschaftlichen Fakten basierenden Sichtweise.
Verarbeitet ihr bislang wirklich gar kein Geflügel?
Stan: Nein.
Und woher bezieht ihr eure anderen Lebensmittel?
Stan: Rindfleisch bei einer Bio-Bäuerin aus dem Traisental oder über Bio Schober, Gemüse im Sommer aus Eigenanbau auf unserem Bio-Grundstück und die Eier von Helene Ziehl auf der Kettenbrückengasse. Das Brot kommt von der Bioholzofenbäckerei Gragger & Cie etc. Fürs Bio-Olivenöl sind wir ja gemeinsam nach Spanien gefahren, um uns von der Qualität zu überzeugen (Der Interviewer war auf eigene Kosten auf Recherchereise bei spanischen Bio-Betrieben, Anm.). Die Weine beziehen wir u.a. von Agora Vino und Weinskandal, die uns mit biodynamischen Weinen versorgen.
Ausnahmen sind Avocados, und Südfrüchte im Winter, die kaufen wir z.B bei Mathy am GGM. Da stimmt die Qualität.
Farangis: Für uns geht es darum, dass wir die beste Qualität, die wir am Markt finden in unsere Brasserie schleppen. Wir sind sehr puristisch und naturnah eingestellt was unsere Grundprodukte angeht. Wir haben unsere Sitzplätze im Lokal bewusst so niedrig gehalten, damit wir diese Qualität auch halten können. Mal zum Bauern in Türnitz fahren oder Produkte von anderen Kleinbauern beziehen, das ist uns wichtig. Wir haben ein winziges Lager. Da geht das. Unsere Zubereitungsmethoden sind ebenfalls schonend, damit man aus dem guten Grundprodukt dann auch das Meiste herausholt. Deswegen versuchen wir die Produkte so unbearbeitet und frisch wie möglich zu bekommen. Am liebsten direkt von unserem Feld. Ob das jetzt Pestizide, schlechte Fütterung oder Processing betrifft: Wenn man ein gutes, natürliches Produkt hat und es schonend zubereitet, dann hat der Gast am Ende eine Geschmacksexplosion am Teller. Unsere Gäste sind wie wir. Sie essen gerne gut und verstehen den Preis auch, der völlig fair berechnet wird. So ist es mit unseren Produzenten. Die Preise und die Produkte sind fair zur Natur und fair zum Gaumen. Das geht sich aus. Dieses Bewusstsein ist bei unseren Gästen meist von vornherein da, oder sie lernen es zu verstehen.
Wenn ihr bei allen Lebensmitteln ähnlich hohe Standards habt: Wie findet ihr da eure Produzenten?
Stan: Fisch zum Beispiel gibt’s nur Wildfang bzw. als Leinenfang von Eishken Estate, Rinder möchte ich am liebsten aus Weideschlachtung oder Vergleichbarem und ohne Kraftfutter usw. Kartoffeln kauf ich oft französische, weil LaRatte, Ile de Rè einfach geil schmecken, da können die Motherfucker mit ihren Ditta einpacken.
Wissen eure Gäste eigentlich von euren Ansprüchen? Erzählt ihr Ihnen beim Bestellen davon oder führt ihr euer Engagement auch in der Tageskarte an?
Stan: Ned wirklich. Manche fragen dann halt nach, was das für Öle und Essige waren oder warum der rohe Rostbraten so zart war. Dann red ma hoid gach drüber. Interessiert eh keinen, ob die Lisi zwei Jahre am Waldrand glebt hat und ihr Lieblingsessen Klee und Brunnenkresse waren ….
Farangis: Teils. Teils. Wir haben auf der Homepage und in den Menüs Infos über unsere Produzenten und Zubereitungsmethoden. In unserer kleinen Brasserie ist der Wege vom Esstisch zur offenen Küche nur wenige Schritte entfernt. Die Gäste schauen manchmal bei der Zubereitung zu und befragen dann den Koch oder mich über Zubereitung und Herkunft der Produkte. Unser Team ist ebenfalls sehr interessiert am Thema Kulinarik und Nachhaltigkeit. Wenn es die Zeit erlaubt, setzen wir uns auch zu den Gästen und plaudern. Somit verschaffen wir uns umgekehrt auch Klarheit darüber, was unseren Kunden wichtig ist.
Zurück zum Hendl: Warum schätzt ihr, ist es so schwer, Hühnerfleisch zu finden, bei dessen Produktion kein Soja im Spiel war? Ist die Mast ohne Soja für Bauern unrentabel?
Stan: Das weiß ich nicht. Ich recherchier da auch nicht so. Aber ein Hendl richtig zuzubereiten, das ist gar nicht so einfach wie man glaubt: Am Punkt gegart, Mega-saftig mit einem ordentlichen Eigengeschmack und knuspriger Haut, bitte … … in 15 Minuten. Schnell. Schnell!
Farangis: Das stimmt schon, die Leute geben für Huhn niemals einen höheren Preis aus. Da die Massenware beim Chinesen, Inder oder ‚Packerl-auf den Teller Wirtshaus‘ ja so billig rausgehaut wird. Sie sind sie es nicht gewohnt, für Hühnchen Geld auszugeben, dementsprechend niedrig dürfte die Nachfrage nach gutem Geflügelfleisch sein – was jetzt nicht viele Produzenten zur Haltung von Bio-Freilandhühnern mit qualitativ hochwertiger Fütterung anspornen dürfte. Bei Rind schauen immer mehr Menschen auf die Qualität.
Wenn sich nun ein Biobauer oder eine Biobäuerin angesprochen fühlt: Um welche Stückzahl geht es? Wieviel Hühner verarbeitet ihr pro Woche und was seid ihr dafür zu zahlen bereit?
Stan: Das is es ja! Ich glaub, die Leute haben da das „Supermarktsyndrom“, wie ich das nenne. Die sehen was beim Billa um 3 Euro das Kilo und glauben, du fährst einen Ferrari, wenn du was auf der Abendkarte hast, das 14 Euro kostet. Ich hab schon Schwierigkeiten, Premium-Rind zu verkaufen und dabei kein Minus zu machen. Sich da das Theater mit Hendln auch noch anzutun … Also ich glaub nicht, dass ich mehr als drei Hendln verkaufen könnte pro Woche.
Farangis: Ich persönlich bin ein absoluter Chicken-Fan, habe aber schon lange keines mehr gegessen. Ich würde es auf jeden Fall versuchen – und schauen, wie die Leute darauf reagieren. Zuerst müssen wir aber erst die richtige Qualität in die Finger bekommen.
Würdet ihr die Hühner im Ganzen übernehmen und alles samt Innereien verkochen?
Stan: Ja, würd ich.
Farangis: Stan würde ganz andere Tiere selbst zerlegen, hätte er den Platz und die Kühlmöglichkeit dafür. Ganze Rindviecher zum Beispiel …
Warum ist Bits & Bites eigentlich kein vollzertifiziertes Bio-Restaurant? Woran scheitert’s?
Stan: Wie gesogt, Ich mag halt Ile de rè-Kartoffeln, Comte von Xavier David, foie gras und Valrhona.
Farangis: Weil das Bio-Siegel für uns nicht weit genug geht, was unsere Ansprüche angeht. Wir haben bei unserem Kaffee z.B. Direct-Trade-Kaffee von Felix aus St.Pölten. Er hat kein Bio-Siegel. Auch kein Fairtrade-Siegel. Felix fährt jedoch persönlich zu seinen Bauern und zahlt faire Löhne, ohne dass Bauern sich ein teures Siegel kaufen müssen. Die Bauern wissen wie der Kaffee schmeckt und haben bei der Produktion schon eine andere Herangehensweise. Der Bio-Schmäh ist eben auch ein Bio-Schmäh und sagt jetzt nichts über die tatsächliche Qualität oder die Nachhaltigkeit der Produkte aus. Zufällig sind viele unserer Produzenten biozertifiziert und unser Bits-&-Bites-Bio-Gründstück auch, aber uns ist es gar nicht so wichtig. Wie Stan sagt: Es gibt schon ein paar Produkte, die sicher nicht nachhaltig zu uns kamen. Die haben wir zwar weniger auf der Karte, aber der Valrhona-Schokolade oder der Avocado aus dem Süden kommt eben nichts Regionales nahe. Das wissen wir und wir sind auch nicht militant was das angeht. Wir versuchen so viel wie möglich richtig zu machen. Ich möchte in Zukunft z.B. den organischen Müll aus der Brasserie auf unser Feld schaffen, als Dünger für neues Gemüse und Obst. Mal sehen ob das klappt. Siegel hin oder her. Es macht Sinn.
Die Brasserie Bits & Bites in Wien 6 (Webgasse 27/1-2) ist von Mittwoch bis Samstag jeweils von 10.00 bis 15.00 Uhr und von 18.00 bis 22.00 Uhr geöffnet. Sonntags von 10.00 Uhr bis 15.00 Uhr. Freitags, samstags, sonn- und feiertags gibt es Weekend-Brunch, Mittwoch bis Samstag Dinner und von Mittwoch bis Freitag Mittagstisch (von 11.00 Uhr bis 15.00 Uhr). Reservierung empfohlen.
Wer Stan und Farangis in Sachen Geflügel beliefern möchte, erreicht die beiden über ihre Website.