Was ist eigentlich…eine Craftista?
Wir fragten Universitätsprofessorin Dr. Elke Gaugele, Ordinaria für Moden und Styles an der Akademie der Bildenden Künste Wien, Buchautorin und Mitgründerin des Critical Crafting Circle.
Craftista ist die deutschsprachige Bezeichnung für eine/n AktivistIn, der/die ihre politischen Ziele mit Nadel und Faden oder auch anderen handwerklichen Materialien und Mitteln des Selbermachens verfolgt. Hierbei werden nicht nur Produktionsbedingungen in Sweatshops von Billiglohnländern oder Konsumstrategien in Frage gestellt, sondern insbesondere textile Praktiken gezielt als Medium des Protest eingesetzt. Craftista geht auf Crafitivism zurück, einen englischen Neologismus, bei dem Handarbeit (engl. Craft) und Aktivismus fusionieren.
Craftivism entstand im Kontext des 3rd wave Feminismus und der Antiglobalisierungsbewegung und führt historisch gesehen die feministischen Praxen des Selbermachens der Riot-Girls weiter; also ein Verständnis von Do-it-yourself, kurz D.I.Y., das aus der Punkbewegung kommt und mit dem proklamiert wird, dass jede/r auf allen Ebenen der Produktion tätig werden kann.
Es gibt derzeit verschiedene Strömungen in der Craftista-Bewegung:
A, Aktivismus/Netzwerke/Aktionen: aktivistische Netzwerkgruppen im Kontext der Antiglobalisierungs-Bewegung, neuer Ökologie- und Friedensbewegungen, 3rd wave feministischer und Queerer Genderpolitiken. Crafting stellt hier nicht nur Produktionsbedingungen in Sweatshops von Billiglohnländern oder Konsumstrategien in Frage, sondern setzt textile Praktiken gezielt als Medium des Protests ein.
B, künstlerischer Aktivismus: Künstlerinnen-Gruppen, die Aktionen/Interventionen machen, mit denen sie den öffentlichen Raum markieren; gleichzeitig sind die Interventionen, bzw. deren mediale Dokumentation als künstlerisch-aktivistische Arbeiten für Museen, Ausstellungen und Galerien adressiert.
C, New Domesticity: Textile Handarbeiten wiederholen und festigen hier konservative Geschlechterrollen und sind Teil einer „neuen Häuslichkeit“.
D, Gelabelter Öko-Hedonismus: Selber-machen wird nur dann als „kulturelles Kapital“ und Teil eines (schicht)-spezifischen Lebensstils (LOHAS) anerkannt, wenn es mit spezifischen Produkten, ästhetischen Objekten und Räumen ausgeführt wird. Selber-machen ist also eine performativen Handlung, die als Teil spezifischer ökologischer Selbermach-Ökonomien und -Marken oder in die Labels deren 2Koch- und Handarbeits-Stars einschreibt.
E, Prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse in den Creative Industries: d.h. in kleinen Geschäften oder auf Webplattformen wird Handgemachtes zu Preisen verkauft, die meist weit unter einem Mindestlohnsatz für die Produktionszeit liegen. Crafting ist also auch Teil der neuen prekären Ökonomien der Creative Industries.