Gönn dir! Was ist eigentlich Luxus?

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Ist Luxus nur, was über das Notwendige hinausgeht? Welchen Luxus braucht man im Leben? Wie viel Luxus darf man sich eigentlich gönnen und wann wird Luxus zur Dekadenz? Wir haben uns umgehört. 

„Man versehe mich mit Luxus, auf alles Notwendige kann ich verzichten.“ Dieses Zitat wird Oscar Wilde zugeschrieben. Das klingt reichlich versnobbt und bringt pointiert zum Ausdruck, was Luxus sein könnte. Nämlich alles, was über das Notwendige hinausgeht. Folgt man dieser Definition, dann sind die meisten von uns ständig von Luxus umgeben, ja sogar völlig ausschweifend luxuriös umsorgt. Wir haben mit vier interessanten Menschen über Luxus gesprochen, um zu erfahren, was Luxus bedeutet, in einer Welt, die für nicht wenige Menschen voll davon ist.

(c) Raphael Fellmer

(c) Raphael Fellmer

Raphael Fellmer: »Bewusstsein unterscheidet Luxus von Dekadenz.«

Raphael Fellmer hat über fünf Jahre ohne Geld in einer ungenutzten Wohnung und vom Tonnentauchen gelebt.

Gab es während deines Geldstreiks Luxus?

Mein Luxus war, alle Dinge zu machen, die ich liebe. Zeit mit Familie und Freunden zu verbringen, oder mit Projekten, die mir am Herzen liegen. Zeit ist Luxus. Sie sich zu nehmen ist weniger eine Frage des Geldes als eher eine der Prioritäten.

Wie sieht dein Luxus jetzt aus? 

Ähnlich. Aber jetzt habe ich auch etwas finanziellen Luxus. Ohne Geld haben wir gewohnt, wo es möglich war. Luxus ist, den Ort auszusuchen, an dem man leben möchte. Und auch mal einen Zug zu nehmen, anstatt zu trampen. Also Komfort und, dass Dinge schneller und zuverlässiger funktionieren.

Braucht der Mensch Luxus? 

Einen gewissen Luxus ja: Essen, Bildung, Mobilität, Krankenhäuser und Entscheidungsfreiheit. Für uns ist vieles normal, aber 800 Millionen Menschen hungern weltweit, daher sehe ich diese notwendigen Dinge auch als Luxus. Viele Menschen, die im materiellen Wohlstand und auf Kosten anderer und zukünftiger Generationen leben, haben aus meiner Sicht eine falsche Luxusdefinition.

Wann wird Luxus zu Dekadenz? 

Dekadent ist, sich Luxus zu gönnen, in dem Bewusstsein, andere damit einzuschränken. Nur Verzicht bringt nichts, man muss glücklich leben können und durch das Weniger ein Gefühl von mehr Lebensqualität empfinden und die Konsequenzen seines Lebensstils in das Handeln einfließen lassen, um sich ganzheitlich wohl zu fühlen. Wenn jemand von drei auf zwei Autos und die Fleischration von täglich auf einmal die Woche reduziert, muss auch dieser Schritt wertgeschätzt werden. Das ist elementar, um die Lust am Verändern zu erhalten.

Was braucht man, um Luxus genießen zu können? 

Weitblick, denn jemand anderer hat immer mehr. Sich als Teil der gesamten Menschheit zu betrachten hilft, dankbar für den eigenen Luxus zu sein.


(c) Tostmann

(c) Tostmann

Gexi Tostmann: »Es wäre unbescheiden, mehr Luxus zu wollen.«

Gexi Tostmann hat das Familienunternehmen Tostmann Trachten mehrere Jahrzehnte geführt. Die Botschafterin der Tracht engagiert sich auch politisch für ihre Ideen.

Was ist Luxus für Sie? 

Luxus ist gute Luft, sauberes Trinkwasser und die Selbstbestimmtheit, die wir weitestgehend genießen. Für mich persönlich auch, dass ich mit 74 Jahren vor zwei Wochen ein neues Hüftgelenk bekommen habe, mit dem es mir sehr gut geht!

Inwiefern ermöglichte ihr erfolgreiches Trachtengeschäft Luxus in ihrem Leben? 

Das hat natürlich die Basis für eine gewisse Freiheit geschaffen, aber auch Pflichten mit sich gebracht. Mir hat es trotzdem immer Spaß gemacht, und ich empfinde die Arbeit mit schönen Sachen und schöpferischen Menschen als Luxus.

Ein Dirndl bei Tostmann Trachten kostet leicht über 1.000 Euro. Sind Trachten Luxus? 

Nein, das sehe ich absolut nicht so. Sie sind auch nicht teuer, wenn man bedenkt, dass man sie ein Leben lang tragen kann, es sei denn, man nimmt um zwei Größen zu. Man kann sie sogar weitervererben. Mein ältestes Dirndl, das ich noch trage, habe ich mit zwölf Jahren bekommen. Eine Kundin hat einmal zu mir gesagt: »Ich bin nicht so reich, dass ich mir etwas Billiges leisten kann«.

Sie setzen sich seit 30 Jahren für ein bedingungsloses Grundeinkommen ein. Ist es Luxus, bedingungslos Geld von der Gesellschaft zu bekommen?

Eine Grundsicherung ist meiner Meinung nach eine Selbstverständlichkeit wie saubere Luft und Trinkwasser, die ich auch geschenkt bekomme, ohne, dass ich etwas dafür tue. Eine Lebensbasis soll nicht gestrichen werden, auch nicht, wenn man eine bezahlte Arbeit annimmt.

Diesen Teil der Lebensbasis bekommt man aber durch andere finanziert. Ist das Luxus? 

Grundsätzlich wird die Arbeit immer weniger. Jede Gesellschaft muss sich natürlich auch Schmarotzer leisten können. Aber die meisten Menschen arbeiten, ob bezahlt oder unbezahlt. Denken Sie zum Beispiel an die freiwillige Feuerwehr oder sonstige Ehrenämter. Ein Grundeinkommen daraus für alle zur Verfügung zu stellen, müsste sich auf lange Sicht für alle und überall ausgehen.

Welchen Luxus wünschen Sie sich? 

Ich bin wahnsinnig zufrieden und glücklich, weiß das Land und die Zeit, in der ich gelebt habe, zu schätzen. Ich wäre unbescheiden, wenn ich mehr haben wollte. Was ich mir allgemein von den Menschen wünschen würde, wäre mehr Empathie für Flüchtlinge und zukünftige Generationen.


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(c) Thomas Falch

Maria Vogt: »Das Hamsterrad verlassen«

Maria Vogt bewirtschaftet im südlichen Weinviertel eine diversifizierte Bio-Landwirtschaft mit Weingärten und setzt sich für alternative Lebenskonzepte und Ernährungssouveränität ein.

Was ist Luxus für Sie? 

Ein selbstbestimmtes Leben, Souveränität zu schaffen, indem man seinen Spielraum nutzt und innovativ füllt. Dafür braucht man Ausgeglichenheit, Gelassenheit, Perspektiven und Liebe – nichts, was man kaufen kann.

Kann man diese Dinge selbst schaffen? 

Ja, mir hat mein großes Urvertrauen geholfen und das Selbstbewusstsein, anders zu sein. Auch unter einschränkenden Rahmenbedingungen gibt es immer Dinge in Frage zu stellen und Alternativen, die man nutzen kann. Daraus Freiheit zu schaffen ist Luxus.

Wann wird Luxus zu Dekadenz? 

Wenn man die Verbindung zu sich selbst und zu anderen nicht mehr spürt, wenn Luxus als Ersatz für Liebe oder Zufriedenheit dient. Sich in einer Scheinwelt zu verschanzen, die nur durch Luxus schön aussieht, statt die Welt anzuschauen und zu verbessern, ist dekadent.

Welchen Luxus sollen zukünftige Generationen erleben? 

Ich erlebe, dass immer mehr junge Menschen materiellen Luxus satt haben und Freiheit suchen. Die Ziele der Konsumgesellschaft sind nicht mehr so erstrebenswert, viele sind mit Wenigem zufrieden und wollen dafür gemeinschaftlich leben. Wahrer Luxus wäre, wenn wir dadurch zu einer anderen Agrar -und Ernährungskultur kommen würden, zur gemeinsamen Gestaltung unserer Umgebung in einer Politik des Mitentscheidens.

Welchen Luxus sollte man sich öfter gönnen? 

Das Hamsterrad verlassen, weniger arbeiten und eingespannt sein von Beziehungen und Abhängigkeiten. Dann kommen die Gelassenheit, Gedanken und Stimmungen zuzulassen, und die Offenheit für Ideen.


Bildschirmfoto 2016-08-12 um 14.56.35Cesar »Luxus ist, was man nicht braucht.«

Cesar ist vor vier Jahren mit seiner Familie aus Mexiko nach Österreich gekommen, um ein besseres Leben in Sicherheit zu führen.

Was ist Luxus für dich?

Luxus ist, Dinge zu kaufen, die man nicht unbedingt braucht, wie eine Uhr von Cartier, ein großes Auto oder eine schöne Wohnung. Aber Luxus kann man nicht immer kaufen. Wenn man krank ist, wäre Luxus Gesundheit. Die kann man nicht kaufen, auch nicht Liebe. Aber manchmal ist genau das Luxus.

Du lebst jetzt von wenig Geld. Ist es möglich, dir Luxus zu gönnen?

Ich bin mit ein paar Ersparnissen nach Österreich gekommen. Davon konnte meine Familie eine Zeit lang gut leben. Wir haben ca. 1.300,- Euro pro Monat gebraucht, ich wollte sie auch in Museen führen, ihnen den Prater zeigen und am Rathausplatz Eislaufen gehen. Wir haben sozusagen etwas im Luxus gelebt, obwohl wir uns in Mexiko mehr leisten konnten. Irgendwann war das Geld aufgebraucht.

Jetzt ist es Luxus, wenn ich mir eine neue Jahreskarte für die Wiener Linien und die monatliche Krankenversicherung leisten kann. Manchmal darf ich kostenlos Tanzkurse besuchen. Das ist ein Luxus, den ich sehr schätze.

Hat der Umzug deine Perspektive verändert?

Ja, es wäre Luxus für mich, mit meinen Freunden in Mexiko Tacos zu essen, die Pyramiden von Teotihuacan oder den Strand zu genießen. Dinge, die früher normal waren. Und, ich kann intakte Natur und eine gute Ernährung jetzt viel mehr schätzen. Hier gibt es viel mehr umweltfreundliche Materialien, ein Luxus, an den ich in Mexico City gar nicht gedacht habe.

Gibt es etwas in deinem Leben, was andere als Luxus sehen würden? 

Vielleicht sehen es einige Freunde aus Mexiko als Luxus, dass ich in Europa lebe.

Wie nimmst du Luxus in Europa wahr? 

Ich glaube, in Europa hat Luxus keinen so großen Stellenwert. In der mexikanischen Gesellschaft ist das Bedürfnis viel stärker, Reichtum zu zeigen. Hier fällt mir aber auf, dass es wenig Kultur des Reparierens gibt. Wenn etwas nicht mehr funktioniert, wird es einfach ausgetauscht, oft auch einfach, weil es nicht mehr gefällt. Dafür bin ich gleichzeitig dankbar, ich bekomme solche Dinge dann manchmal durch die Caritas.

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