Ein Schnurrbart erobert die Welt

(c) Picus Verlag

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In Zeiten, in denen es in Mode ist, Barthaare sprießen und zu gepflegten Kunstwerken heranwachsen zu lassen, sprießen folglich auch die Barbershops. Es bedarf keiner umständlichen Recherche mehr, um an die notwendigen Bartpflegeprodukte zu gelangen. Und selbst Diven, die den Songcontest gewinnen, tragen Vollbart. Wen wundert es da noch, dass ein Kinderbuch über Bärte geschrieben wird?

Diese famose Idee hatte das Duo Sarah Michaela Orlovský und Michael Roher. Die Autorin und der Illustrator hatten erst im Vorjahr die lesenswerte Geschichte „Valentin, der Urlaubsheld“ vorgelegt, mit der sie den Österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis 2015 gewinnen konnten (und die unter den Büchern für den letztjährigen Sommer gelistet war). Nun erscheint im Picus Verlag der zweite Kinderroman der beiden, der den fulminanten Titel „Ein Schnurrbart erobert die Welt“ trägt. Und diese Geschichte ist nicht minder spektakulär. Der Erzähltext und die Illustrationen harmonieren wiederum, sie ergeben ein stimmiges Ganzes und zeigen, dass Orlovský und Roher an einem Strang ziehen.

Hübsche Tiegel und Flakons mit speziellen Wässerchen stehen da plötzlich in Opas Badezimmer, seitdem er beschlossen hat, die Bartweltmeisterschaft zu gewinnen. Das Ganze kam kurz nach Omas Tod. Und der kleine Jojo steht seinem Opa vom ersten Moment an bei. Mit kindlichem Optimismus ausgestattet und ohne zu hinterfragen, ob das alles gelingen kann. Und ob Opas Persönlichkeit überhaupt stark genug ist, gegebenenfalls eine Niederlage zu verkraften.

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Im Interview spricht Sarah Michaela Orlovský über die Notizen, die sie in der Welt zusammenträgt, die Zusammenarbeit mit dem Illustrator Michael Roher, die World Beard and Moustache Championships und die bereichernde Aufgabe, Bücher für Kinder zu schreiben.

Auf Ihrer Website stößt man auf einen Satz, der neugierig macht: „Sie hat ihr Notizbuch an der Uni Wien, sowie in Zambia, Armenien, Äthiopien, der Slowakei und Rwanda gefüllt.“ Das sind doch eher ungewöhnliche Stationen. Was stand da zum Beispiel in Ihren Notizen?

Meine Notizen sind eigentlich nicht so ungewöhnlich. Die ungewohnte Umgebung hat mich allerdings viel aufmerksamer für Details gemacht, die man irgendwann gar nicht mehr sieht, wenn man vor Ort wohnt. Das macht diese Dinge spannend fürs Notizbuch.

Was hat Sie in den afrikanischen Ländern besonders geprägt? Gibt es Bestimmtes, das heute nachwirkt und sich in Ihren Erzählungen wiederfindet?

In Erzählungen bis jetzt noch nicht, weil es noch zu nahe bei mir ist. Ich war sehr beeindruckt und die Eindrücke haben mich nicht mehr losgelassen. Die Menschen hier sagen oft: „Boah, du warst in Afrika, du hast dich das getraut.“ Diese Aufregung ist aber fehl am Platz. Wenn man in einem Projekt lebt und arbeitet und mitbekommt, was die Leute brauchen, und wenn man der Mensch ist, der in dieser Situation helfen kann, dann ist das gut so. Mehr nicht. Generell hat mich die afrikanische Lebensfreude fasziniert. Bei uns ist alles so super durchgeplant, in afrikanischen Kulturen ist vieles spontaner und ungeplanter – so kommt es einem zumindest vor. Ein Mittel zu finden wäre total gut.

Wann war für Sie klar, dass Sie Bücher für Kinder schreiben werden?

Geschichten schreibe ich seit der Volksschule. Um ein Buch schreiben zu können, gehört viel Selbstvertrauen dazu. Und ich traue mir erst seit kurzem zu, zu sagen, dass ich Autorin bin. Die Zielgruppe „Kinder und Jugendliche“ war aber immer klar.

Wie schreibt man für Kinder? Müssen Sie viel über die einzelnen Sätze nachdenken, erzählt man anders?

Je jünger das Zielpublikum ist, desto eher arbeite ich am einzelnen Satz. Desto exakter müssen die Wörter stimmen.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem Illustrator Michael Roher?

Wir haben beide den selben Nachwuchspreis, den DIXI Kinderliteraturpreis 2009, gewonnen, seitdem sind wir Brieffreunde. Ich habe gehofft, dass es einmal möglich sein wird, zusammenzuarbeiten. Ich mag seinen Humor und die Art, wie seine Bilder die Sprache ergänzen – wie sie selbst sprechen.

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In Ihren Büchern „Valentin, der Urlaubsheld“ und „Ein Schnurrbart erobert die Welt“ merkt man, dass Sie und Michael Roher ein eingespieltes Team bilden. Wie kann man sich die gemeinsame Arbeit an einem Kinderbuch vorstellen?

Ich habe eine Idee und frage Michael Roher, ob ihm die gefällt. Wenn er ja sagt, schicke ich ihm den Text, in dem die Bilder schon mitgedacht sind. In Klammern halte ich fest, was in den Bildern vorkommen muss, damit der reduzierte Text verständlich ist. Michael ist es immer wichtig, dass wir beide über hundert Seiten hinweg mit der Hauptfigur leben können. Das ist ihm bis jetzt immer gelungen. Dann zeichnet Michael Roher, und wir sprechen uns immer wieder ab. Manchmal fragt er, ob ich kleine Stellen im Text noch ändern könnte … und unterdessen wird der Verlag natürlich auch gefragt, ob es so passt.

Nun aber zu Ihrem neuen Buch „Ein Schnurrbart erobert die Welt“. Schnauzer, Vollbärte und die Pflege derselben finden sich nun wahrlich nicht in den Erlebniswelten von Kindern wieder. Sie haben mit der Geschichte aber zweifelsohne einen aktuellen Hipster-Hype verarbeitet. Wie kamen Sie auf die Idee, das Bart-Revival ins Kinderbuch zu bringen?

Ich lese zur Recherche oft schreckliche Gratiszeitungen. Dort stehen ja oft die haarsträubendsten Geschichten …  Dort habe ich auch einen Bericht über die Bartweltmeisterschaft gelesen. Es gibt tatsächlich einen eigenen Mikrokosmos mit Menschen, die von von Land zu Land reisen, um sich immer und immer wieder mit den gleichen Konkurrenten zu messen. Es gibt ja eher wenige 8-Jährige mit ausgeprägtem Bartwuchs, daher musste in meinem Buch der Opa zu den Bartweltmeisterschaften fahren. Die Beziehungen zwischen Großeltern und Kindern sind etwas ganz Besonderes. Sie teilen die gleiche Entwicklungsaufgaben bzw. ähnliche Lebenskrisen – beide, Großeltern und Kinder sind noch nicht beziehungsweise nicht mehr ganz der Gesellschaft zugehörig, haben das Bedürfnis, Nützliches und Gutes zu tun. Jojo, der Junge in meinem Buch, ist der einzige, der seinen Großvater wirklich versteht.

Die World Beard and Moustache Championships gibt es tatsächlich, haben Sie sie zum Zweck der Recherche auch besucht?

Ich wollte sie tatsächlich besuchen, sie fand in Salzburg am 4. Oktober 2015 statt. Auf YouTube findet man Videos. Ein Siegerbart von 2013 findet sich in meiner Geschichte wieder.

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Mit Jojo und Opa, der Bartweltmeister werden möchte, kann man nicht nur lachen, obwohl die Story an sich witzig ist. Wie wichtig ist es für Sie, in Bücher für Kinder auch nachdenkliche Passagen einzubauen?

Ich baue nichts extra ein. Ich versuche, die Lebenswelt der Kinder einzufangen. Tränen und Lachen liegen extrem nah beisammen. Je müder Kinder sind, desto extremer ist das. Beides ist absolut – dem muss man im Kinderbuch Rechnung tragen.

Man hat das Gefühl, dass der Großvater mit seinen Bedürfnissen als Witwer nur von Jojo verstanden wird. Sowohl die Eltern als auch die ältere Schwester können mit dem Eifer, mit dem sich Jojo und Opa auf die Weltmeisterschaft vorbereiten, nicht umgehen. Kinder und alte Menschen haben vielleicht andere Wünsche und Vorstellungen. Versuchen Sie, Kinder stärker zu machen, indem Sie ihnen mit solchen Geschichten eine Stimme geben?

Ich probiere wirklich nicht, mit meinen Büchern etwas bestimmtes auszurichten. Die Lebenswelt ist einfach bunt. Das schnelle Hin und Her in der Geschichte eignet sich für ein Kinderbuch, da bin ich auch zu Hause. Das gleiche Buch für Erwachsene wäre wahrscheinlich länger und fader geworden.
Das einzige, was ich konstruiere, ist der Spannungsbogen. Ich plane die Kapitel – damit ich mich nicht verzettle. Auslöser für meine Geschichte war die Zeitung. Der Grund für die Bart-WM ist die Einsamkeit des Opas, sein Lebensmittelpunkt ist mit der Oma verstorben. Das Buch begleitet ihn und Jojo auf seiner Reise zu einem Abenteuer – und beim Versuch, mit der Trauer fertig zu werden.
Ich habe keine Message integriert, ich schreibe einfach Bücher für Kinder, in denen sie sich wiederfinden können. Meine Bücher sollen in erster Linie Spaß machen. Zuerst der Autorin und dem Illustrator, dann den Kindern und denen, die vorlesen. Spaß ist vielleicht doch das falsche Wort – alle Gefühle sollen Platz haben.

Wann wird es Neues von Ihnen zu lesen geben?

Im Herbst erscheint das Buch „Neue Geschichten von Jana“ im Tyrolia Verlag. Der erste Band ist letztes Jahr erschienen. Dieses Jahr kommt Jana in die 2. Klasse.

„Ein Schnurrbart erobert die Welt“ von Sarah Michaela Orlovský und Michael Roher ist im Picus Verlag erschienen. 104 Seiten. Für Kinder ab 6 Jahren.

Blickpunkt Umweltschutz und Nachhaltigkeit:

Papier: Papier aus verantwortungsvollen Quellen (FSC-Mix Label)
Druck:

Druckerei Theiss GmbH, St. Stefan im Lavanttal (Österreich), gedruckt nach der Richtlinie des Österreichischen Umweltzeichens „Druckerzeugnisse“

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