Pollenallergie: Don’t call it Schnupfen
Die Pollensaison hält sich nicht an Jahreszeiten. Sowohl im Frühjahr, Sommer als auch in Herbst- und Wintermonaten sind allergische Reaktionen möglich – das liegt nicht zuletzt am wärmer werdenden Klima.
Mit der Klimaerwärmung wechseln sich Pflanzen inzwischen ganzjährig in ihren Blütephasen ab. Seit schätzungsweise 300 Millionen Jahren ist der Pollenflug für mehr als die Hälfte aller Arten zur Bestäubung notwendig. Neben Hummeln und Bienen ist der Wind Fortbewegungsmittel Number 1. Eine einzige Roggenpflanze produziert ca. 21. Millionen Pollen, eine Sauerampfer sogar 400 Millionen. Die meisten der Mikropartikel bemerken wir in unserer Atemluft nicht einmal. Einige machen uns aber zu schaffen. Allergie kommt von fremd, und Pollen gehören nunmal nicht in Augen und Nase.
Heuschnupfen? Du bist nicht allein
Rhinitis bzw. Rhinokonjuktivitis, im Volksmund Heuschnupfen, ist nichts anderes als eine Überproduktion von Histamin, das zur Schwellung umliegenden Gewebes führt, die Durchblutung steigert, Sekret absondert und versucht, den Fremdkörper Polle zu vertreiben. Über 20% der erwachsenen europäischen Bevölkerung leidet bewiesenermaßen unter Pollenallergie, neue Untersuchungen schätzen die Dunkelziffer auf mindestens 45%.
Meist äußert sich der Heuschnupfen mit tropfender, verstopfter Nase, geschwollenen Schleimhäuten, heftigen Nießattaken, Juckreiz, geröteten Augen, Tränenfluss sowie Kopfschmerzen, Müdigkeit und Reizbarkeit. Als Erkrankung können die Symptome im Alltag nicht nur unglaublich lästig werden (etwa werden Pollenallergiker gewarnt Auto zu fahren und dürfen während akuten Allergiephasen kein Blut spenden), sondern auch zu bedrohlichem Asthma und Entzündungen der Atemwege führen. „Eine Allergie hat man nicht, man erwirbt sie sich. Die Schleimhäute werden während allergischen Reaktionen durchlässiger für allergene Moleküle. Das Risiko, dass aus Augenjucken und Schnupfen, die an sich noch harmlos sind, Asthma entsteht, erhöht sich,“ so die Experten vom österreichischen Pollenwarndienst.
Betroffene können im Pollen-Fragebogen eruieren, wie stark der fliegende Blütenstaub für den Schnupfen verantworlich ist.
Lieber Gras rauchen als Heuschnupfen
Als erstes fliegen Hasel- und Erlenpollen, manchmal schon im Dezember. Die Blüten der Eibe folgen im Jänner, die Weide im Februar, Esche, Ahorn und Kiefer im März, im April die Birke, Lärche und Walnuss. Roggen- und andere Getreidepollen sowie Süßgräser beginnen Ende Mai bis Juni zu fliegen. Im Juli und August folgen schließlich Brennnessel, Beifuß, Ragweed und Wegerich, die teilweise bis in den November ihre Pollen an die umliegende Luft abgeben.
Eine hoch allergene Wirkung schreibt man nur der Erle, Birke, den Gräsern, sowie Beifuß und Ragweed zu. Während die Birke als wichtigstes Baumpollenallergen gilt, ist Ragweed oder Ambrosia für den „Herbstheuschnupfen“ verantwortlich. Ursprünglich aus Nordamerika eingeschleppt verbreitet sich das Kraut mittlerweile in ganz Mitteleuropa, Hotspots sind Straßenränder und Gemüsebeete. „Die Pollenbelastung wird sich bis Mitte des 21. Jahrhunderts voraussichtlich vervierfachen. Der Klimawandel sowie die derzeit noch nicht abgeschlossene Besiedlung geeigneter Lebensräume sind Hauptursache dafür,“ so Franz Essl der Biodiversitätsforschung Wien. Schon wenige Pollenkörner pro m3 Luft reichen aus, um zu reizen, Asthma oder Hautausschlägen auzulösen.
Besser Gras rauchen als Heu schnupfen? Auch das stimmt nicht. Denn Hanf trägt, neben anderen Nesselgewächsen, genauso Pollen, die neben stimmulierenden auch allergische Reaktionen auslösen können. „Der Pollenwarndienst bietet Services, die das Ausweichen der Belastung erleichtern sollen. Darunter sind 2-Stunden-Vorhersagen, die tageszeitliche Belastungsgipfel zeigen, personalisierte Polleninfromationen und Infos zu einzelnen Pflanzen,“ so die Leitung des österreichischen Pollenwarndienstes. Durch Messwerte von 300 Pollenstellen in ganz Europa und im Mehrjahresvergleich erstellen die Forscher Pollenkarten für die wichtigsten der allergenen Pflanzen.
Wann denn nun welche Pollen und vor allem wo sie fliegen, verrät der Pollen-Countdown.
Manchmal kommt eins zum andern
Sogenannte Kreuzreaktionen sind bei Allergikern nicht selten. Das bekannteste Beispiel ist das Birkenpollen-Nuss-Kernobst-Syndrom, bei dem Birkenpollenallergiker auf den Verzehr von Äpfeln reagieren, weil das Immunsystem das Protein im Apfel für ein Protein im Birkenpollen hält.
Dasselbe Prinzip gilt für verschiedenste Pollengewächse, wobei Kreuzreaktionen innerhalb der Gruppe üblich und gruppenübergreifend eher selten sind. Menschen, die allergisch gegen Birkenpollen sind, sind es oft auch gegen Edelkastanie, gegen Apfel, Kirsche, diverse Nüsse, Tomaten, Sellerie oder Karotten. Leute, die auf Süßgräser reagieren, tun dies auch auf Getreidearten wie Roggen, Kartoffeln, Linsen, Soja oder Erdnüsse.
Erste Hilfe – das ist im Ernstfall zu tun
- Sich in geschlossenen Räumen aufhalten (Bereits 10 Minuten nach Schließen von Türen und Fenstern geht die Pollenkonzentration auf etwa 1% des Außenwertes zurück)
- Jeden Abend duschen (Pollen verfangen sich gerne in den Haaren und am Körper, von wo sie in Kleidungsstücke und Kopfkissen weitertransportiert werden)
- Rasen mähen (oder sich ein Tier anschaffen, das den hauseigenen Garten abgrast)
- Sonnenbrille und Kopfbedeckung tragen (so können sich Pollen schlechter in Haaren oder direkt in den Augen verfangen)
- Nasse Handtücher in der Wohnung aufhängen (sie wirken als „Staubfänger“ und verhindern, dass sich Pollen in Räumen ausbreiten)
- Sport besser morgens (als zu einer anderen Tageszeit treiben, mittags ist die Pollenbelastung besonders in Städten am höchsten)
Von der Traufe in den Regen: Bei akutem Heuschnupfen empfielt es sich bei oder nach Regenschauern ins Freie zu gehen. Dann ist die Pollenkonzentration am geringsten, da der Blütenstaub aus der Luft gewaschen wird.
Sich Pollen aufs Handy holen
Mit der Drei-Tages-Pollenprognose des Pollen-Apps sind Allergiker für jeden Angriff gewappnet. Gemeinsam mit der Medizinischen Universität Wien und der ZAMG hat der Österreichische Pollenwarndienst eine Anwendung entwickelt, die persönliche Push-Nachrichten zu einzelnen Allergenen versendet, im Pollen-Lexikon Auskunft über Pflanzen gibt und die durchschnittliche Tagesbelastung anzeigt.
„Anhand von jeweils drei Karten pro Monat ersehen Sie auf einen Blick, wann und wo die höchste Pollenbelastung zu erwarten ist, und wo Sie ohne Allergie urlauben können.“ Wer’s ganz genau wissen will, kann ein Pollentagebuch führen. Gratis gibt’s das Ganze hier.