Der braune Rand der grünen Szene: Umweltschutz von Rechts
Seit seiner Jugend beschäftigt sich der deutsche Journalist und Autor Peter Bierl mit der Umweltbewegung. Darin hat er immer auch Vertreter rechter Positionen angetroffen und ihnen gleich mehrere Bücher gewidmet, über die esoterischen und Umweltaspekte im braunen Gedankengut. Wir haben uns mit ihm über den braunen Rand der grünen Szene unterhalten.
Biorama: Seit wann nutzen Rechtsextreme ökologische Inhalte, um Gehör und Vertrauen in der Öffentlichkeit zu bekommen? Wie hat sich das in der Vergangenheit entwickelt?
Peter Bierl: Umweltschutz gilt heute als „links“, als eine Sache der Linken. Dazu ist Umweltschutz jedoch erst im Laufe der 1070er-Jahre geworden, vor allem durch die Anti-Atom-Bewegung und ihre teilweise militanten Aktionsformen. Gestartet ist die Umweltbewegung in Deutschland Ende des 19. Jahrhunderts als Lebensreform- und Heimatschutzbewegung. Sie war überwiegend konservativ bis völkisch ausgerichtet, braungrün sozusagen, und lieferte Personal und Ideen für die Nationalsozialisten. Insofern war das Umweltthema ursprünglich eine Sache der Rechten. Diese Verbindung, diese ideologische Affinität und persönliche Beteiligung, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg nicht aufgearbeitet. Die alten Kameraden setzten ihre Karrieren fort. Paradebeispiele für Österreich sind Günther Schwab, ein alter Nazi, der den Weltbund zum Schutz des Lebens aufbaute, der seinerseits die zweite Umweltbewegung, die Anti-Atom-Bewegung sowie die Grünen in ihrer Gründungsphase beeinflusste. Umweltschutz bedeutete für Schwab Lebensschutz im Sinne des Erhalts der weißen Rasse. Noch berühmter ist Konrad Lorenz, Mitglied der NSDAP, registrierter Redner des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP, zeitlebens ein überzeugter Rassenhygieniker, der die Ausmerze von Minderwertigen forderte und hoffte, dass Aids die Afrikaner dezimieren würde.
Was genau bedeutet der Begriff „Ökofaschismus“?
Peter Bierl: Ich verwende den Begriff für Gruppen und Personen, die mit tatsächlichen oder vermeintlichen Anforderungen des Umwelt- und Naturschutzes oder Erkenntnissen der Ökologie antisemitische, nationalistische, rassistische oder sozialdarwinistische Ansichten rechtfertigen.
Inwiefern ist Artenschutz ein rechtsideologischer Code?
Peter Bierl: Teile der Linken und der Umweltbewegung wollen eine Vielfalt der Kulturen gegen eine globale Monokultur verteidigen. Das wird auf eine Stufe gestellt werden Biodiversität von Pflanzen und Tieren, die es in der Tat zu erhalten gilt. Das halte ich für falsch. Diese Vorstellung von klar voneinander getrennten Kulturen hat die sogenannte Neue Rechte in den 1970er-Jahren entwickelt. In Wirklichkeit gibt es immer fließende Übergänge, wechselseitige Einflüsse, Dynamik und Entwicklung. Die Rechte hat den historisch belasteten Begriff der Rasse durch Kultur ersetzt, spricht von einem Nebeneinander der Kulturen, einem Ethnopluralismus. Dahinter verbirgt sich die alten Vorstellungen von Rassentrennung, Apartheid und Ausländer raus. Manche Linke und Umweltschützer teilen die Menschheit auch in verschiedene Kulturen auf und wollen eine Art Ethnozoo erhalten, statt zu fragen, was den Inhalt verschiedener Kulturen ausmacht. Inhaltliche Ansprüche werden fallengelassen. Die Kritik von Diktaturen, theokratischen Regimen und patriarchalen Strukturen, Gewalt gegen Frauen oder Homophobie wird als eurozentristisch diffamiert. Paradebeispiel ist der Begriff der „Islamophobie“, mit dem Kritik an reaktionären und konservativen Anhänger des Islam oder gar den Islamismus als faschistoide Bewegung mundtot gemacht werden soll. Bestimmte kulturell verankerte Praktiken wie die Klitorisbeschneidung, das hinduistische Kastensystem oder das Auspeitschen und Steinigen von Menschen gehören bekämpft. Sie sind zu überwinden zugunsten einer globalen Monokultur der Emanzipation und Solidarität und nicht als eine Art Ethnozoo erhalten
„Naturschutz ist Heimatschutz“ – bei dieser Parole sollte der Hintergrund durch das Wort „Heimatschutz“ eigentlich klar sein – doch wie verpacken Rechte diesen Inhalt als legitim?
Peter Bierl: Die Rechten müssen gar nichts verpacken, weil der Begriff Heimat – zumindest in Deutschland – total angesagt ist, gerade auch im grünen, alternativen und linken Spektrum. Ob Kultur, Medien oder Politik, jeder nutzt den emotionalen Mehrwert des Begriffs. Heimat klingt nach heimelig und geborgen, nach dazugehören und sich wohlfühlen. Das wärmt das Herz in einer verrückten Welt und lässt einen vergessen, dass nicht das Fremde oder die Fremden die vermeintliche Idylle bedrohen. Denn es sind, was Bausünden, Umwelt- und Landschaftszerstörung betrifft, in der Regel heimische Unternehmen, Landwirte und Kommunalpolitiker, die für Neubauten, Umgehungsstraßen, Gewerbegebiete oder Aussiedlerhöfe sorgen.
Dabei war Wort Heimat nie unschuldig. Zuerst war Heimat ein juristischer Begriff. Das Heimatrecht entstand zur Zeit der Reformation und besagte, dass die Armen von der Dorfgemeinschaft unterstützt werden mussten. Gleichzeitig schloss das Heimatrecht Fremde in Not rigoros aus, Dörfer wehrten sich gegen Zuwanderer. Seit der Romantik wurde der Begriff emotional aufgeladen. Aus der Heimatliebe sollte die Liebe zum großen Ganzen, zu Volk und Nation erwachsen. Heimat- und Vaterlandsliebe schlossen die vermeintlich Fremden aus, die „Welschen“, die Juden sowie Sinti und Roma.
Inhalte wie Tierschutz, Anti-Atomkraft etc. werden auch häufig von Linken forciert. Wie kann man (abgesehen von rechten Partei-Programmen, wo der Hintergrund relativ klar sein sollte) im Natur-und Tierschutz nun hinter die Fassaden blicken und rechte Inhalte so enttarnen?
Peter Bierl: Man muss sich im Einzelfall genau anschauen, was mit Tierschutz, Umweltschutz oder Anti-Atomkraft genau gemeint ist, welche konkreten Forderungen erhoben werden und mit welchen Begründungen. Anti-Akw-Parolen werden von der NPD oder der FPÖ genutzt, um Stimmung gegen Polen oder die Slowakei zu machen. Der Kampf gegen Gentechnik wird als Kampf um den Erhalt des deutschen Volkes und seines Erbgutes ausgegeben.
Wie sieht es mit der Stadt als Feindbild aus? Ist dies bei Ökofaschisten auch heute noch aktuell?
Peter Bierl: Der Bezug auf die Scholle, ein idealisiertes Landleben findet sich bis heute in rechtsökologischen Kreisen, während die Stadt als Moloch gilt. In diese Richtung gehört die Siedlungsbewegung von Neonazis in Niederbayern oder in Mecklenburg-Vorpommern, die in der Tradition der völkisch-nazistischen Artamanen zurück aufs Land gehen und vor Ort als Ökobauern oder Gentechnikgegner auftreten.
Die Alternative für Deutschland fährt ja nun eine ganz andere Schiene. Unter den Parteimitgliedern gibt es ja bekanntlich „Klimawandelskeptiker“, die wissenschaftliche Fakten noch immer als „persönlich Meinung“ abtuen. Wie schätzen sie die AfD ein? Werden durch ihr Parteiprogramm andere Rechte als die Ökofaschisten beeinflusst?
Die AfD hat mit Ökologie und Umweltschutz nichts am Hut, außer ein paar Lippenbekenntnissen. Die AfD ist im Prinzip für Gentechnik und Atomkraftwerke, fordern einen Stopp der Energiewende, lehnt den Ausbau von Photovoltaik und Windkraft ab. Sie fordern mehr Straßen, mehr Autobahnen, sind gegen ein allgemeines Tempolimit. Es fehlt eigentlich nur noch eine Agitation gegen Kondome, dann fände sich in AfD-Programmen alles, was der deutsche Mann hasst.
Welche Inhalte, die für eine breite Masse von Interesse sind, werden von Rechten neben Umwelt- und Tierschutz noch missbraucht?
Peter Bierl: Die Rechten greifen jeden Konflikt und jeden Widerspruch auf, interpretieren ihn gemäß ihrer Weltanschauung und versuchen, damit Anhänger zu rekrutieren. Das gilt für die soziale Frage, die Frauenbewegung, Tierschutz, Religion und eben das Thema Ökologie. Das ist durchaus legitim, das tun alle politischen Strömungen. Ich würde deshalb nicht von Missbrauch sprechen. Es kommt darauf an, sich mit Ökofaschisten und Nazi-Ökologen auseinanderzusetzen, mit ihrer Ideologie, ihren Forderungen, zu erkennen, was daran menschenfeindlich und gefährlich ist, und die eigenen Positionen zu schärfen. Eine praktische Aufgabe ist, die Aktivitäten von Rechten im Umweltbereich aufzudecken und zu bekämpfen, aber fast noch wichtiger scheint mir, Elemente rechter Ideologie in der linken und globalisierungskritischen Szene zu kritisieren und zu überwinden, wie etwa das merkwürdige Kulturverständnis, das ich angesprochen habe. Die Legende von der Überbevölkerung, die Eugeniker nach dem Ersten Weltkrieg erfanden, und die sich in rassistischer Weise gegen Menschen aus dem globalen Süden richtet, wurde von Anfang an auch von manchen Liberalen und Linken geteilt. Diese Vorstellung hat sich durch die Umweltbewegung weit verbreitet und findet sich heute immer noch, etwa in Teilen der Tiefenökologie, der Tierrechtsbewegung oder bei Gruppen wie Earth First.
Als Autor von Büchern wie „Grüne Braune: Umwelt-, Tier- und Heimatschutz von rechts“ sind Sie auf dem Gebiet der „rechtsextremen Verschleierung“ Experte. Seit wann interessieren Sie sich für diese Thematik und wie erwies sich die Recherche dazu?
Peter Bierl: Mit Verschleierung hat das weniger zu tun, abgesehen von Fällen, wo Neonazis sich in irgendwelche Gruppen einschleichen. Ich habe für dieses Buch in erster Linie Literatur zusammengesucht, Zeitungen, Zeitschriften und Bücher oder Dokumente aus Archiven. Das alles ist im Prinzip öffentlich zugänglich. Das Problem ist eher das Desinteresse und die Ignoranz von Teilen der Linken und Umweltbewegten, die gar nicht so genau wissen wollen, mit wem sie zusammenarbeiten. Ich selber habe angefangen, mich mit der Thematik zu beschäftigen, als ich im zarten Alter von 17 Jahren bei den Grünen eingetreten bin. Da gab es Leute vom Weltbund zum Schutz des Lebens, Anthroposophen oder Anhänger der abstrusen Zinstheorie Silvio Gesells, auf die sich heute die Regionalgeldgruppen, manche Strömungen der Postwachstumsökonomie, von Transition Town und Occupy aber auch ein Marxist wie David Harvey bezieht. Ich fand damals manche Ideen unverständlich, anderes war offensichtlich, etwa wenn Leute sagten, wir dürften keine Ausländer reinlassen, weil das die Umwelt belastet. Für mich war klar, dass man solche Leute bekämpfen muss und dafür muss man sich auch mit ihnen auseinandersetzen.