Wohngruppen – Gemeinsam planen, bauen und wohnen

Bild (c) Marlene Mautner

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Gemeinsam planen und bauen – das ist in Österreich (noch) selten. Wir haben uns in der Seestadt Aspern angesehen, wie es sich in einem Haus wohnt, das von seinen Bewohnern gemeinsam geplant wurde. 

Baugruppen sind eine in Österreich noch sehr schwach vertretene gemeinschaftliche Art des Häuserbaus. In Skandinavien entstanden, tun sich gemeinschaftliche Bauprojekte in Österreich oft schwer mit bürokratischen Auflagen und hohen Grundstückspreisen. Da Baugruppen privat finanzierte Projekte sind, machen hohe Planungskosten und komplizierte Verfahren ein Bauprojekt inmitten einer Stadt oft unmöglich. Die Stadt Wien hat aber unter anderem in der Seestadt Aspern ein Baufeld für Baugruppen reserviert, damit sich die zukünftigen BewohnerInnen ihr Mehrparteienhaus nach eigenen Vorstellungen und Wünschen gestalten können. Klingt doch schön! Eines dieser bereits realisierten Projekte nennt sich JAspern und wurde vom Architekturbüro POS entworfen. Wir haben bei einem Bewohner und dem Geschäftsführer von Cofabric, Fritz Öttl, und der verantwortlichen Architektin von POS, Ursula Schneider, nachgefragt, wie es sich so in der Seestadt wohnt und wie man ein Baugruppenprojekt umsetzt.

 Biorama: Bevor wir gleich über Konkreteres sprechen, ihr seid jetzt seit September 2014 eingezogen, wie habt ihr euch in Aspern eingelebt, wie geht’s euch hier?

Öttl: Wir waren sogar die ersten BewohnerInnen der Seestadt. Wir waren das erste fertige Haus und haben das erste Seestadtbaby. Uns geht’s gut. Ich kann im See schwimmen, mit dem Rad überall hinfahren, das ist toll. Für Leute, die von auswärts kommen, ist das teilweise eher nervig, die kommen mit dem Auto und müssen dann in den Sammelgaragen parken, die oftmals nicht direkt am Arbeitsort liegen.

Schneider: Das ist die Macht der Gewohnheit. Der Ansatz, dass die Parkplätze gleich weit weg sind wie die Öffistationen, ist jetzt auch schon 20-30 Jahre alt, wird hier aber in großem Maßstab mit Sammelgaragen umgesetzt. Und das funktioniert großteils gut.

Bild (c) Marlene Mautner

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Biorama: Ihr habt ja als Baugruppe hier euer Haus quasi eigenständig gebaut. Wer seid ihr denn eigentlich?

Öttl: Wir sind ganz verschiedene Leute, Alt und Jung, in konventionellen oder nicht-konventionellen Partnerschaften, mit und ohne Kindern. Wir sind 18 Parteien und haben uns so nach und nach gefunden. Da wir aber ein geförderter Wohnbau sind, wurden die letzten vier Wohnungen über das Wohnservice Wien vergeben. Das war ein bisschen komplizierter, da haben sich über 100 Leute gemeldet.

Biorama: Wie kann man sich das vorstellen, wie finden die Leute da zusammen? Das sind ja viele Menschen, die sich gemeinsam ein Haus teilen und es gemeinschaftlich planen und finanzieren. Auch das Leben mit vielen Gemeinschaftsräumen läuft ja nicht anonym, sondern eben gemeinschaftlich ab. Wie entscheidet man sich hier füreinander?

Öttl: Nach und nach sind die Leute zusammengekommen, vor Baubeginn gab es Gruppentreffen, um sich gegenseitig und neue Interessierte kennenzulernen. Das hat sehr gut funktioniert. Wenn man sich für eine Baugruppe entscheidet, eint einen ja schon eine gewisse Grundhaltung und eine gemeinsame Vorstellung. Mit dem Wohnservice Wien gab es das Problem, dass aufgrund der internen Vorgangsweise und Antikorruptionsrichtlinien ziemlich viele BewerberInnen zusammengetragen wurden, die aber oft mit dem Grundgedanken und dem Leben in einer Baugruppe nicht viel anfangen konnten. Es gab im Wohnservice schlicht kein Instrumentarium für Baugruppen. Die über 100 Personen, die sich über Wohnservice Wien beworben haben, spiegeln nicht den Bedarf nach Plätzen in Baugruppen wieder. Aber auch hier haben wir uns zum Schluss gut zusammengefunden, es funktioniert gut, es herrscht ein gutes Zusammenleben.

Bild (c) Marlene Mautner

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Biorama: Stichwort Zusammenleben. Im Gebäude gibt es ja großzügige Gemeinschaftsräume, wie einen gemeinsamen Dachgarten mit Grillplatz, je einen Gruppenraum am Dach, im Erdgeschoss und im Keller. Kann man sich diese Räume auch ein bisschen als Agora, als Ort der Mediation und Konfliktlösung, vorstellen? Es wird in so einem Projekt, bei so engem Zusammenleben, ja Konflikte geben?

Öttl: Nein Konflikte gibt es in dem Sinn nicht wirklich. Die Gemeinschaftsräume werden in der Regel gut genutzt, man trifft sich, sitzt zusammen, und diskutiert informelle Dinge des Hauses. Der Rest wird über einen internen E-Mailverteiler geregelt, wo Dinge wie Schneeräumungen und Putzdienste geregelt werden, da wir ja das Haus selbst verwalten.

Biorama: Wie lief denn die Planung selbst ab? Das Grundstück, auf dem gebaut wurde, findet sich an der Ecke eines Platzes mit guter städtischer Infrastruktur, das ist ja eine durchaus prominente Stelle.

Schneider: Die Stadt Wien hat ein Baufeld für Baugruppen vorgesehen, wir sind dann mit 4 anderen Baugruppen ausgewählt worden. Da bei uns ein Apotheker mit an Bord war, wollte die Stadt Wien, dass wir einen zentralen Platz bekommen. Im Planungsprozess haben wir uns dann mit den anderen Baugruppen abgestimmt, damit jeder genug Licht und Aussicht hat. Wir haben auch einen gemeinsamen Innenhof. Das hat also sehr gut funktioniert.

Biorama: Und in der konkreten Planung für das Gebäude selbst? Normalerweise gibt ja beim Bau eines Hauses nur einen Bauträger. In dem Fall durften aber 18 Parteien bei der Planung des Hauses mitreden.

Schneider: Ja, es gab in der Tat viele Wünsche von vielen Personen, das war für uns als Architekten neu. Wir hatten durch die Wohnbauförderung finanzielle Vorgaben, innerhalb dessen konnten wir uns aber halbwegs flexibel bewegen. So haben wir etwa weniger Geld in Dekoration des Kellers gesteckt, dafür aber ein ausgefalleneres, schöneres Lichtkonzept verwirklicht. Ein normaler Bauträger würde in dem Fall wohl sagen, dass die zukünftigen BewohnerInnen das nicht wünschen würden. Nun, unsere BewohnerInnen wollten das. Natürlich hat das Bauen mit Genossenschaften auch Vorteile, aber der direkte Kontakt zu den zukünftigen BewohnerInnen der Baugruppe, das war schon schön. Die Wohnungen sind statisch so gestaltet, dass man Wände jederzeit baulich verändern kann. Somit sind die Grundrisse der Wohnungen allesamt unterschiedlich und wurden mit den jeweiligen NachbarInnen ausgehandelt. Das war eine Herausforderung, da werde ich schon versuchen in Zukunft ein bisschen standardisierter zu arbeiten.

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Biorama: Wie ist denn die Lage in Wien, gibt es momentan weitere Baugruppenprojekte?

Öttl: Momentan sind mir zwei bekannt. Baugruppen sind Nischenprojekte, die von der Stadt wohlwollend ermöglicht werden. In jedem größeren Planungsgebiet wird mittlerweile versucht, ein Baufeld für Baugruppen zu reservieren, wie etwa am Hauptbahnhof oder beim Gaswerk Leopoldau.

Biorama: Und wie sieht es mit dem Bedarf aus? Warum gilt hier Wohnservice Wien nicht als Spiegel?

Öttl: Zwischen Bedarf und Wohnservice Wien gibt es nicht wirklich einen Zusammenhang. Das Wiener Wohnservice ist angehalten, allen Leuten dieses Projekt anzubieten. Baugruppen unterscheiden sich aber maßgeblich von anderen Projekten. Das Wohnservice geht streng nach Vorgabe vor, auch um Manipulation vorzubeugen, niemand darf ausgeschlossen werden, auch wenn die Wohnform vielleicht gar nicht passt. Baugruppen sind sicher was für Pioniere. Man investiert in der Planungs- und Bauphase viel Zeit. Das sind aber nicht die Hauptknackpunkte, das Problem ist die Nicht-Verfügbarkeit von Grundstücken in Wien.

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Biorama: Generell für Baugruppen oder für Baugruppen in Verbindung mit gefördertem Wohnbau? Oftmals sind in Wien ja die Grundstückspreise so hoch, dass Bauprojekte dadurch aus den Richtlinien für geförderten Wohnbau fallen.

Öttl. Genauso ist es. Es gibt zwar schon Modelle, wo die Grundstückspreise umverteilt wurden. Manche Grundstücke wurden versteigert und andere wurden zu einem Grundpreis vergeben, der in der Fördergrenze liegt. Aber es gibt dieses Bewerbungsverfahren. Baugruppen sind am Anfang kleine Häufchen. Bei einem Grundstück oder einem Bewerbungsverfahren muss man aber viel Zeit und auch Geld investieren. Selten gibt es die Chance, dass die Baugruppe genug Zeit hat, sich zu konstituieren. Am Hauptbahnhof gab es das zwar, aber da war es sehr frustrierend, dass die Baugruppen, die nicht zum Zug gekommen sind, private Mittel für im Endeffekt Nichts ausgegeben haben. Es gab 10 BewerberInnen pro Grundstück. Und nur einer bekommts am Ende. Für Private ist das abschreckend. Die haben auch die Mittel nicht. Der öffentliche Grundstücksmarkt ist hier wirklich hinderlich. Auf der einen Seite wegen den Verfahren und auf der anderen wegen der hohen Grundstückspreise. Die Starthürden sind erheblich.

Biorama: Also sind Baugruppenprojekte noch nicht wirklich in den planerischen Mainstream vorgedrungen. An wen kann ich mich denn wenden, wenn ich an einem Baugruppenprojekt interessiert bin?

Öttl: Es gibt eine Plattform für Baugruppen. Die kümmern sich genau um diese Themen, an diese Plattform sollte man sich bei Interesse wenden. Da werden zum Beispiel Workshops angeboten, es gibt auch eine Art Börse für Projekte.

 

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