Anregend: Ein Zentrum für Fermentation

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Lisa und Björn vom „Zentrum für Fermentation“ (ZfF) wissen, was Bioreaktionen bewirken können. Bild: ZfF

Gärungen haben es Lisa und Björn angetan. Mit dem „Zentrum für Fermentation“ wollen die Leipziger Hobbyköche nun ein neues Startup etablieren, das Fermentation als Teil gesellschaftlichen Wandels versteht.

Eine in Zeiten moderner Lebensmittelproduktion fast in Vergessenheit geratene Kulturtechnik wollen die Initiatoren des Zentrums für Fermentation wiederbeleben. Gärungsprozesse ermöglichen nicht nur die Herstellung gesunder probiotischer Lebensmittel, sondern eröffnen auch ganz neue geschmackliche Horizonte. Im Leipziger Zentrum für Fermentation wollen Lisa und Björn zeigen, wie etwa Sauerkraut, Kimchi oder Kefir hergestellt werden. Wir haben mit den Initiatoren und Hobbyköchen gesprochen.

BIORAMA: Einkochen, Konservieren, Haltbarmachen – Wieso erfahren traditionelle Haushaltstechniken derzeit solchen Aufschwung? Und warum ist das Fermentieren von Lebensmitteln beinahe in Vergessenheit geraten?

In Deutschland kennen wir uns kulturellbedingt ja eigentlich super aus mit Sauerkraut, Sauerteig und Bier. Nur der Begriff der Fermentation selbst ist lange irgendwie untergegangen. Das hat sich geändert: Heute interessieren sich immer mehr Menschen nicht nur für das Sauerteigbrotbacken oder Bierbrauen, sondern eben auch für die dahintersteckenden biochemischen Reaktionen. Dass das Fermentieren in Privathaushalten nicht mehr üblich ist, hat vor allem damit zu tun, dass unsere Gesellschaft immer stärker arbeitsteilig wird und wir die Lebensmittelverarbeitung immer mehr an die Industrie abgeben.

Für die großindustrielle Lebensmittelherstellung sind fermentierte Produkte relativ kompliziert handzuhaben, da man es mit lebenden Organismen zu tun hat, die manchmal unberechenbar sind. Außerdem müssen die meisten fermentierten Produkte, wenn sie roh bleiben sollen, gekühlt werden, können Gase entwickeln und eventuell ihre Verpackung sprengen. Deshalb bevorzugt es die Lebensmittelindustrie meist, alle Bakterien abzutöten und dann eine andere Herstellungsmethode zu wählen.

Dass Fermentation aktuell in Europa wieder bekannter wird, haben wir wohl dem überschwappenden Fermentationshype aus Amerika zu verdanken. Ein vielleicht weiterer Aspekt ist, dass der Autor Sandor Katz mit den Büchern „Wild Fermentation“ und „The Art of Fermentation“ dem Thema einen moderneren Anstrich verpasst hat und auch Methoden der Lebensmittelbehandlung mithilfe von Mikroorganismen vorstellt. Konsumenten werden immer experimentierfreudiger und ein Trend in Richtung bewusstes Essen und verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen ist unübersehbar.

BIORAMA: Ihr habt euch das ambitionierte Ziel gesetzt, mit Fermentation auch den gesellschaftlichen Fortschritt foranzutreiben. Wie soll das funktionieren?

Durch die Haushaltspraktik des Fermentierens wird ja automatisch weniger weggeschmissen. Es findet sich fast immer eine Möglichkeit, aus Resten bzw. etwas älteren Zutaten tolle Fermente zu kreieren. Fängt man einmal an, alle Lebensmittel zu verwerten, achtet man außerdem stärker darauf, was man überhaupt einkauft. Zum einen, weil richtig gutes Gemüse auch nach dem Fermentieren einfach besser schmeckt als industrielle Massenware, zum anderen, weil der Kontakt und Austausch zu den Herstellern bewusster wird.

Was man sicher auch als „sozialen Wandel“ verstehen kann, ist die Tatsache, dass durch das Wiederaufkommen traditioneller Einkoch- bzw. Konservierungsmethoden vielerlei Produkte in Eigenregie hergestellt werden können. Aus Wasserkefir beispielsweise lässt sich leckere Limonade zaubern. So schafft man sich seine ganz eigenen Alternativen und ernährt sich selbstbestimmt, ohne verzichten zu müssen.

BIORAMA: Neben dem Verkauf von Fermentationsprodukten wollt ihr im Zentrum für Fermentation (ZfF) auch Workshops und Veranstaltungen anbieten. Was steht da auf dem Programm?

Bei den stattfindenden Veranstaltungen geht es zunächst einmal darum, Aufmerksamkeit und Interesse für das Thema zu generieren. Konkret wollen wir etwa ein regelmäßiges Abendbrotbuffet veranstalten, wo Menschen zusammenfinden, gemeinsam Fermente verkosten und ins offene Gespräch kommen. Sauerkraut und eingemachte Gewürzgurken hat wohl jeder schon mal probiert, aber „Tempeh“ oder „Kombucha“ sind nicht vielen ein Begriff. Außerdem gibt’s vielfältige Variationsmöglichkeiten, zum Beispiel Sauerkraut mit Hollerblüten und Chili oder Zwiebel-Dill-Gurken.

Weitere Themenfelder ergeben sich dann sicher auch aus Kooperationen. Im kommenden Herbst sind wir bei einem Erntecamp im Umland von Leipzig mit Cider-Workshops vertreten. Stichworte dazu sind Diversität und Streuobstwiesen. Im Rahmen einer „Schnippeldisko“ wollen wir Foodsaving thematisieren, in kooperativer Arbeit mit Gemeinschaftsgärten Einkochevents starten und auf Selbstversorgung eingehen.

BIORAMA: Das Social Impact Lab unterstützt euch bei der Verwirklichung eures Vorhabens. Wie wichtig ist die Vernetzung sozialer Startups?

Die Agentur für soziale Innovationen hilft vor allem dabei, Gleichgesinnte zusammenzubringen. Gemeinsam stellt man sich ähnlichen Herausforderungen und Fragen. Man erfährt persönliches Coaching, wird von Fachpersonal beraten und lernt, auch die eigene Arbeit kritisch zu sehen. Wir hoffen, mit Hilfe des Programms ein gutes Netzwerk für die Umsetzung unserer Ideen aufbauen zu können.

BIORAMA: Welchen Tipp habt ihr für Personen, die sich für das Fermentieren interessieren? Was gelingt gerade Anfängern gut? Und was fermentiert ihr denn eigentlich am liebsten?

Für Anfänger bietet sich Sauerkraut und Kimchi an. Hierzu bedarf es keinem speziellen Equipment und man darf sich schnell über köstliche Leckereien freuen. Auch Kefir, Wasserkefir oder Kombucha können relativ einfach angesetzt werden, lediglich die richtigen Kulturen muss man sich erst besorgen. Für exotische Bierliebhaber ist das Aufziehen eines eigenen Gingerbug ein guter Tipp. Ganz ohne Kessel kann man so sein eigenes Ingwerbier brauen.

Wir selbst beschäftigen uns regelmäßig mit Krauts, Kefir, Kimchis oder auch Kombucha. Am faszinierendsten ist aber aktuell das Experimentieren mit Sauerteig. Je nach Lust und Laune entsteht Brot, Pizza oder andere spannende Dinge.

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Ihr seid neugierig geworden und wollt mehr über Björn, Lisa und ihr Zentrum für Fermentation erfahren? Hier geht’s zu ihrem Gründerprofil bei Social Impact und ihrer Facebook Page!

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