Bike-Sharing in aller Welt
Billig, öffentlich verfügbar und praktisch. So kennen wir Bike-Sharing Systeme in Großstädten. Eine kurze Geschichte des Leihrads und ein Blick auf die Stadträder der Welt.
Fahrradverleihsysteme unterscheiden sich von gewinnorientierten Fahrradmietsystemen darin, dass sie billiger sind, weil sie meist von öffentlicher Hand gefördert werden, dass keine handelsüblichen Fahrräder angeboten werden, sondern Spezialanfertigungen und vor allem dass die Räder jederzeit öffentlich verfügbar sind. Bike-Sharing-Projekte sind soziale und umweltfreundliche Initiativen um Luft- und Lebensqualität in der Stadt zu verbessern, Fahrraddatendiebstahl zu verringern und eine Ergänzung zum öffentlichen Verkehr zu bieten. Moderne Elemente eines solchen Verleihsystems beinhalten Equipment wie selbstverständlich eine Fahrradflotte, Fahrradstationen mit automatischen Absperrmechanismen und Terminals, in denen man sich einloggen kann, um diese zu entsperren. Außerdem spielen das Internet und Smartphone-Apps eine immer größere Rolle. Doch das war nicht von Anfang an so.
Erste Ansätze für öffentliche Bike-Sharing-Systeme entstanden Ende der 1960er Jahre in der europäischen Fahrradhauptstadt Amsterdam. Dort wurden weiße Fahrräder ohne Schlösser und Identifizierungsmerkmale an die Bevölkerung zum gemeinsamen Gebrauch verteilt, allerdings nicht von der Stadt, sondern von einer politischen Untergrundorganisation. Die weißen Fahrräder galten als Zeichen für Anarchismus und waren Ausdruck der so genannten Provo-Bewegung, die auf die Polizeigewalt in den Niederlanden aufmerksam machen wollte. Solche unregulierten Systeme wurden oft imitiert, verlaufen aber meistens wenig erfolgreich, da die Verlustquote durch Diebstahl und Vandalismus sehr hoch ist.
In Helsinki war bis 2010 ein Pfandbasiertes System im Einsatz, wo man Fahrräder mit einer Münze lösen konnte, wie einen Einkaufswagen. Das System musste allerdings aus Geldmangel eingestellt werden. Es ist bereits ein neues, von den Pariser Vélib’s inspiriertes System in Planung. In Wien führte das Pfand-System – Viennabikes genannt – Anfang der 2000er zu hohen Diebstahlquoten und wurde gegen ein System auf Mitgliedsbasis mit Hilfe von Magnetkarten, Handys und dem Internet zur Identifizierung der Benutzer und Benutzerinnen eingetauscht. Bei den von der Außenwerbefirma, Gewista und der Stadt Wien Co-finanzierten Wiener Citybikes kostet die Registrierung 1 Euro, was einem jedoch für spätere Fahrten gutgeschrieben wird. Die erste Stunde mit dem Rad ist gratis und wird von den meisten Fahrern und Fahrerinnen nicht überschritten. Die zweite Stunde kostet 2 Euro, die dritte 3, ab der 4. Stunde kostet jede weitere 4 Euro. 2015 wurden die rund 2500 Fahrräder, die auf 121 Stationen aufgeteilt sind insgesamt über 1 Mio. Mal ausgeführt. Damit ist Citybikes eines der wenigen Systeme, die quasi kostenlos genutzt werden können.
Das viel gerühmte Pariser Bike-Sharing-System, Vélib‘ läuft auf Abonnement-Basis. Ein 24-Stunden Abo kostet 1,70, eines für die ganze Woche 8 Euro und ein Jahres-Abo 29 Euro. Studierende unter 26 erhalten einen Rabatt. Möchte man sich damit ein Fahrrad ausborgen, muss man noch in der Lage sein, eine Kaution von 150 Euro zu hinterlegen, die einem vom Konto abgezogen wird, wenn man das Rad nicht rechtzeitig zurückbringt. Hier ist nur die erste halbe Stunde gratis, bis zu 2 Stunden wird im 30-Minuten-Takt 1 Euro verrechnet. Danach kostet jede weitere halbe Stunde mit demselben Rad 4 Euro. Diese Kosten fallen für die Benützung der Räder an, obwohl das Projekt sowohl von öffentlichen Geldern, als auch von dem Werbeunternehmen, JCDecaux unterstützt wird. Die Instandhaltung der Radflotte ist äußerst kostspielig. Wegen der hohen Ausfallquote durch Schäden an den Rädern musste eigens eine Werkstatt auf einem Schiff, das die Seine auf- und abfährt eingerichtet werden. Die Pariser und Pariserinnen haben außerdem eine einfache wie innovative Methode erfunden, einander vor defekten Fahrrädern zu warnen sowie das Service-Personal darauf aufmerksam zu machen; sie drehen einfach in der Station den Sattel um. Dennoch wird das Projekt seit Beginn im Sommer 2007 sehr gut angenommen. Es werden mit den über 20 000 Fahrrädern, die auf 1200 Stationen auch in den Außerbezirken verteilt sind jährlich mehr als 100 Mio. Fahrten getätigt.
In Deutschland gibt es zwei große Anbieter von Leihfahrrädern, Nextbike und Call-a-Bike. Nextbike funktioniert ebenfalls auf Abo-Basis, doch muss man hier ein Guthaben aufladen, um die Fahrräder benützen zu dürfen. Dafür verfügen die Räder über ein Zahlenschloss, dessen Code man telefonisch oder via App abrufen kann. Damit kann man sie überall in der Stadt abgesperrt stehen lassen und ist nicht auf fixe Fahrradstationen angewiesen.
Call-a-Bike ist das Fahrradverleihsystem der Deutschen Bahn-Tochterfirma, DB Rent, entspricht also dem Typus der Partnerschaften mit dem öffentlichen Verkehrssektor. Das System funktioniert jedoch nicht an allen Standorten nach dem gleichen Prinzip. In kleineren Städten, wie bspw. Hannover oder Würzburg können die Räder nur am Bahnhof ausgeliehen und wieder zurückgegeben werden. In größeren Städten, wie München, Frankfurt oder Hamburg können die Räder flexibel überall in der Stadt abgestellt, wie bei Nextbike. Damit man die Räder leichter findet, sind mit einem GPS-Trackern ausgestattet, die man mit dem Smartphone orten kann. Man kann zwischen 2 Tarifen wählen. Vielfahrer zahlen 49 Euro im Jahr – 39 wenn sie im Besitz einer DB-Ermäßigungskarte sind – und fahren damit die erste halbe Stunde gratis. Jede weitere halbe Stunde kostet 1 Euro, ein ganzer Tag 12 Euro. Den Basis-Tarif erhält man schon um 3 Euro pro Jahr. Damit zahlt man 1 Euro für eine halbe Stunde Fahrt und 15 Euro für 14 Stunden. Das am Bahnhof fixierte System funktioniert von der Bezahlung her ähnlich. Beide Angebote richten sich an Touristen, Pendler und Einwohner gleichermaßen.
In vielen Städten gibt es auch Parkhäuser, die Bike-Sharing speziell für Pendler und Pendlerinnen anbieten.
Das aus Montreal stammende Fahrradverleihsystem, Bixi ist eines der am weitesten verbreiteten Systeme der Welt. Es existiert auch in anderen kanadischen Städten, in Mexiko, Australien und den USA, allerdings teilweise unter anderen Namen, wie bspw. Capital Bikeshare in Washington DC. Bixi musste 2014 aufgrund fehlender Förderungen Insolvenz anmelden und von dem franko-kanadischen Unternehmer, Bruno Rodi aufgekauft werden. Auch hier muss man Abonnements abschließen. Mit einem 1 bis 3-Tages-Abo für 7 bis 15 kanadische Dollar fährt man 30 Minuten gratis, mit einem Monats- oder Jahres-Abo um 30 bzw. 80 Dollar sogar 45 Minuten. Danach zahlt man abgestufte Beträge, je nachdem, wie lange man mit demselben Rad unterwegs ist. Die Bezahlung erfolgt ausschließlich über die Kreditkarte. Dieses System wird ausschließlich durch die Gebühren der Nutzer und Nutzerinnen sowie Förderungen finanziert. Trotz finanzieller und technischer Probleme, die teilweise hohe Kosten verursachen, ist Bixi sehr beliebt. Die kanadische Hip-Hop-Gruppe, Da Gryptions hat dem Fahrradverleih im Sommer 2010 eine musikalische Liebeserklärung gewidmet.
Die wohl ungewöhnlichste Form des Bike-Sharings ist die Fahrrad-Bibliothek oder Velothek. Die Arcata Bicycle Library in Kalifornien existiert bspw. schon seit 1997. Hier kann man sich Fahrräder für bis zu 6 Monate um nur 20 Dollar ausborgen. Dieser geringe Preis ist nur mit der Arbeit von Freiwilligen und sowohl privaten als auch öffentlichen Fördermitteln möglich. Die Idee dahinter ist es, Menschen mit geringen finanziellen Mitteln zu ermöglichen, auf längere Zeit ein Fahrrad benützen zu können, den Autoverkehr in der Stadt zu minimieren und natürlich zum Klimaschutz beizutragen. Der Verein ist nicht nur in Arcata, sondern im ganzen Bundesstaat, Kalifornien tätig und kümmert sich unter anderem darum, dass Kinder aus benachteiligten Familien kostenlose Fahrräder bekommen.