Brot, Spiele und politische Ziele

DeGustibus_Collage_02

Teil 3 unserer Serie ESSEN IN DER ANTIKE: Auch das alte Rom kannte Populisten. Mit großen Festbanketten wurde versucht, die Wählergunst zu steigern. Und deshalb gab es sogar Beschränkungen für die Anzahl der Gäste. 

Korruption ist so alt wie die Politik selbst. Wo auch immer Menschen andere Menschen beherrschen, wuchern Vetternwirtschaft und Bereicherung. Das war auch im Alten Rom nicht anders, ganz im Gegenteil: Die von wenigen aristokratischen Familien regierte Republik und später das von einer Kaiserfamilie regierte Imperium basierten auf einem System des quid pro quo, des do ut des, des manus manum lavat. In unseren modernen westlichen Demokratien versucht man diesem Urantrieb des homo politicus mit Gesetzen entgegenzusteuern, dennoch sind diese Mechanismen nach wie vor aktiv – wenn auch nicht mehr so deutlich an der Oberfläche.

Die Wähler in den römischen Zenturien, welche die obersten Magistrate in der Republik wählten, hatten oft keine andere Entscheidungshilfen bei der Auswahl der Kandidaten als die Höhe der Summe, die ein jeder versprochen hatte. Die römischen Magistratskandidaten hatten schlicht kein politisches Programm, keine Wahlinhalte und unterschieden sich oft nur in Aussehen und  Familiennamen (im Gegensatz zu heute…!) So waren diese Bestechungsgelder kein wichtiger finanzieller Beitrag für die Wähler, sondern einfach notwendig, damit das politische System überhaupt am Laufen blieb, sie waren part of the game.

Das perfekte Dinner

Jetzt aber genug mit den Anspielungen auf moderne Verhältnisse. Widmen wir uns nun einem besonders wichtigen politischen Instrument der antiken Politik – dem Essen. Liebe geht bekanntlich durch den Magen und Kontakte werden immer noch am besten bei einem Geschäftsessen geknüpft. Nun saßen die reichen Römer bekanntlich ja nicht bei Tisch, sondern sie lagen auf Triklinien, also Liegen, auf denen jeweils drei Personen schief so aufgefädelt lagen, dass ein jeder kräftig zugreifen konnte. Um einen zentralen Tisch herum waren in einem normalen römischen Aristokratenhaushalt drei solche Liegen angeordnet, macht also neun Personen, die maximal einer durchschnittlichen Abendgesellschaft beiwohnen konnten.

Alles was über diese Zahl hinausging überstieg ein ideales gesittetes Abendmahl, was natürlich vor allem neureiche Emporkömmlinge in der römischen Oberschicht nicht davon abhalten konnte, ihren Reichtum in riesigen Gastmählern zu zelebrieren. Wer sich davon ein Bild machen will, muss nur zur „cena Trimalchionis“ greifen, einer Satire des römischen Autors Petron, in welcher der ungebildete neureiche Gastgeber die aufwendigsten und dekadentesten Speisen unter Musik- und Tanzbegleitung servieren lässt. Übrigens war es bei römischen Gastmählern kein Problem, von der reichhaltigen Kost Kleinigkeiten in die große Serviette einzupacken, um sie nach dem Abendessen mit nach Hause zu bringen. Solche Abendessen konnten für die Gäste also einiges abwerfen.

Ein Tisch für … neun?

Interessant ist nun, dass die Römer durchaus versuchten, der Wählerbestechung mit Gesetzen Einhalt zu gebieten. Nicht nur in Rom, sondern auch in den kleineren Provinzstädten wurden daher Gesetze in Kraft gesetzt, die zur Maßregelung der Kandidaten dienen sollten. Ein solcher interessanter Paragraph ist uns etwa aus der von Cäsar errichteten Kolonie Urso aus dem südlichen Spanien bekannt. Dort heißt es, dass keine Person in dem Jahr, in dem sie eine Kandidatur anstrebt, ein Bankett mit mehr als neun Menschen halten oder Geschenke verteilen darf. Ein gesetzlich-geregeltes Fairnessabkommen, das im Gegensatz zu der Wahlkampfbeschränkung bei österreichischen Wahlkämpfen (dort liegt die Grenze nicht bei Gastmählern mit bis zu neun Teilnehmern, sondern bei sieben Millionen Euro) auch Sanktionen nach sich zog, nämlich 5000 Sesterzen – zum Vergleich, ein Legionär verdiente so etwa 2,5 Sesterzen am Tag.

Der Gesetzgeber überlegte sich also durchaus, wo man die Grenze ziehen sollte zwischen einer üblichen römischen Abendgesellschaft und einer Wahlkampfveranstaltung, wo keine Stifte, sondern feinste Fleischstücke verteilt wurden.

Clodius, der Meisterbäcker

Die nette Idee mit der Tischbegrenzung mag vielleicht in kleineren spanischen Provinzstädten den Wahlkampf gezügelt haben, in Rom hätte es aber mehr gebraucht als solch eine Klausel. Die Massen an Wählern hätte man dort auch mit hunderten an Gastmählern von der Art eines Trimalchios nicht auf seine Seite ziehen können, abgesehen davon, dass man nach solch einer orgiastischen Entgleisung seine letzte Toga hätte verpfänden müssen. Wirkungsvoller war es, die stadtrömische Bevölkerung über panem et circensem zu erreichen, also über Brot und Spiele.

Ein Meister der populistischen Agitation war dabei der römische Volkstribun Clodius Pulcher („der Schöne“), der Erzfeind des berühmten Redners Cicero. Der ehrgeizige Politiker, der aus dem altehrwürdigen Geschlecht der Claudier stammte, hatte sogar seinen Namen geändert, um mit „Clodius“ der nasalen Aussprache seines Namens durch die römische Unterschicht entgegenzukommen.

Nicht nur, dass Clodius einer von ihnen wurde – als Volkstribun setzte er durch, dass das Getreide, mit dem Rom damals schon massenhaft aus den Provinzen versorgt werden musste, einmal im Monat kostenlos unter den Plebejern verteilt werden sollte. Weitaus effektiver, als ein großes Abendessen zu veranstalten, war es in Rom also, wenn man die gesamte Bevölkerung einlud. Clodius konnte es sich daraufhin mit einem Tross treu ergebenster Gefolgsleute und mit den Massen im Rücken leisten, der gegnerischen Senatspartei den Kampf anzusagen und für viel Unruhe zu sorgen. Heutzutage muss man den Wählerinnen und Wählern schon mehr bieten als ein Abendessen. Wenn sie aber auch kein Brot mehr brauchen, die Spiele wollen sie immer noch.

Niklas Rafetseder ist Magister des Lehramtes Geschichte und Latein sowie Doktorand am Institut der Alten Geschichte in Wien. Seine Texte entführen in längst vergangene Zeiten und nehmen den Leser mit auf eine historische wie kulinarische Reise, auf der man erfährt, welche Speisen der große Dichter Homer seinen Helden servierte und auf welche Weise die Römer ihr Essen zubereiteten.

VERWANDTE ARTIKEL