Als Paul zu uns kam – Ein Baby in der WG
Ein Säugling als WG-Bewohner, funktioniert das? Unsere Autorin wohnt in einer Wohngemeinschaft, in der es vor einiger Zeit Nachwuchs gab.
Ein ganz normaler Morgen. Ich liege noch im Bett, ich bin immer die Letzte die aufsteht. Dann höre ich auch schon die ratternde Kaffeemühle. Glucksendes Gemurmel aus sich abwechselnden Stimmen meiner beiden Mitbewohner, Melanie und Marvin, meinem Freund Thorsten, und Paul.
Paul ist der kleinste in unserer WG, aber mit seinem einen Jahr und zwei Monaten weiß er schon ziemlich genau wie er uns allesamt um den Finger wickelt.
Nur zwei Wochen nachdem Thorsten und Ich eingezogen waren stellte Melli fest, dass sie schwanger ist – Mist –Wie sollte es nun weitergehen? Müssen wir wieder ausziehen? Ein Baby in einer WG, geht das überhaupt? Eigentlich hatten wir uns das alles gaaanz anders vorgestellt. Wie sollte das bloß funktionieren? Ohne recht zu wissen was uns erwartet, beschlossen wir das Abenteuer „WG-Baby“ zu wagen.
Paul kam in der Nacht oder besser gesagt am frühen Morgen. Wir hatten am Abend zuvor Topinambur gegessen, der uns allen kleinen Stürmchen durch die Darmwindungen schickte.
Und da die Stürme kein Ende nahmen, fuhren Melli und Marvin, trotz der festen Überzeugung Blähungen zu haben, in das Wiener Krankenhaus „zum Göttlichen Heiland“ um( wider)zuerwarten seiner Niederkunft. Drei Tage später durften wir eine frisch gebackene Mama willkommen heißen und endlich unseren neuen Mitbewohner begutachten.
Damals wussten wir ja gar nicht was da auf uns zukommt…
Wäscheleinen voller Stoffwindeln, tropische Temperaturen in der Wohnung, ständig umherschleichende Eltern bei Tag und bei Nacht. Man selbst auf der Couch liegend, eine Panzerwand aus Kissen um das Kleinod herum bauend, damit nicht unbemerkt herunter gepurzelt werden kann. Später dann, Schweißausbrüche im Winter, weil man in voller Montur im Gang steht und sich der Kleine weigert sich anzuziehen. Am Morgen aufstehen und in Essbares treten. Auf Bauklötzen, Schleichtierchen und Bilderbüchern ausrutschen. Lernen was Baby-Led-Weaning ist und das dadurch unbemerkt Essensreste auf die Klamotten gelangen. Stundenlange Versuche ins Träumeland zu wiegen, bis man dann endlich Bob Marley auflegt und sich innerhalb weniger Sekunden der Schlaf einstellt – Ob Bob wohl wusste welche Wirkung er auf Babys hat?
Unser Einzug ist nun fast 2 Jahre her und natürlich, seit Paul auf der Welt ist haben sich viele Dinge verändert, vieles ist aber auch gleich geblieben. Nur sind wir nun eben keine gewöhnliche WG mehr, sondern eine WG-Familie. Ein Vorteil ist wohl besonders der, dass immer jemand da ist im sich um Paul zu kümmern. Für Melli und Marvin ist das eine ziemliche Entlastung, da beide nicht aus Wien sind und ihnen somit keine Großeltern zur Seite stehen können. Aber auch für Thorsten und mich ist es sehr spannend zu sehen, wie das alles so ist wenn Knirpse zu kleinen Riesen werden.
Man kann mit ihm immer was erleben. Manchmal fragen wir uns sogar was wir früher so gemacht haben, als er noch nicht da war. Kaum ist er aufgewacht, geht’s ab. Da werden Kästen ausgeräumt, jeder Millimeter unseres Fußbodens zwischen Freestyle-Breakdance-Einlagen inspiziert und was wirklich erstaunlich ist, ist wie genügsam er dann plötzlich doch wieder sein kann. Da gibt es die teuersten Spielsachen und er nimmt sich trotzdem ein Werbeprospekt und bestaunt die vielen bunten Bilder. Oder auch wenn er mal nicht so gut drauf ist oder sich wehgetan hat, stellt man sich mit ihm ans Fenster und sobald das Erste Auto vorbeirauscht, sind all seine Sorgen vergessen.
Wenn man es nicht selbst erlebt, kann man es sich vermutlich nur sehr schwer vorstellen. Natürlich ist es ein Unterschied wenn es nicht das Eigene Kind ist, aber einer der coolsten Momente ist wohl, wenn man zum Ersten Mal Namentlich bezeichnet wird und man merkt dass man Teil dieses kleinen Lebens ist.