Schneeschuh-Wandern mit Rücksicht auf Wald und Wild
Skitouren und Schneeschuhwanderungen locken Erholungssuchende in die alpine Winterlandschaft. Was entspannt und bezaubert, sollte allerdings auch beim Wild keinen Stress verursachen.
Lang hat der Schnee in diesem Winter auf sich warten lassen. Mancherorts soll es ihn aber geben – und das nicht nur aus Schneekanonen. Mit dem richtigen Equipment lässt sich die Winterlandschaft ganz naturnah erkunden. Schneeschuhe und Tourenski haben, als dafür bevorzugte Hilfsmittel, einiges gemeinsam: Als Sportart gehören sie zu den sanften Winteraktivitäten, die es allein aufgrund ihrer Langsamkeit ermöglichen, den Naturraum aktiv zu erleben. Sie sind für den gesamten Bewegungsapparat gesund, stärken gleichzeitig das gesamte Kreislauf- und damit auch das Immunsystem, verbessern Fitness und Ausdauer. Dabei ist mit dem heutigen Equipment – ob sanft durch die Wälder streifen oder steil hinauf auf die höchsten Berggipfel – längst alles möglich. Außer Acht gelassen werden darf dabei freilich nicht, dass wir Freizeitsportler die Naturlandschaft mit Wildtieren teilen. Dass die kalten Wintermonate für viele Wildtiere äußerst entbehrungsreich sind. Ruhe und wenig Stress sind die wichtigsten Voraussetzungen für diese, den Winter unbeschadet zu überstehen.
Der Skitourensport und das Schneeschuhwandern boomen schon seit Jahren. Auch in naher Zukunft dürfte die Kurve steil nach oben führen. Immer bessere Ausrüstung, eine gute Kondition und Ausdauer sowie die zunehmende alpine Erfahrung, ermöglicht nicht mehr bloß die Bewältigung von Standardtouren, sondern auch individuelle Touren und Schneeschuhwanderungen abseits vielbegangener Routen. Fraglos zählt das Erreichen eines Berggipfels oder das einsame Umherstreifen im Wald zu den schönsten Naturerlebnissen – um schließlich für kurze Zeit seine vergänglichen Spuren im Schnee zu verewigen. Das bedeutet aber auch, dass immer mehr Freizeitsportler flächendeckend in das Reich der Wildtiere eindringen und dadurch den gesamten Lebenszyklus durcheinander bringen können. Denn das draußen oft gefühlte elementare Alleinsein ist nur in den allerseltensten Fällen Realität. In allen Höhenstufen – vom Talboden bis in die höchsten Gebirgsregionen – sind Wildtiere beheimatet und versuchen dort unbeschadet durch den Winter zu kommen. Für Wildtiere ist der Winter eine Zeit, in welcher sie mit den Kräften sparsam umzugehen haben, sich den Energieverbrauch genau einteilen müssen und deshalb nur in den allernötigsten Fällen die Flucht ergreifen. Bei der gesamten Tourenplanung sei deshalb geraten, auch die Wildtierverträglichkeit (mittels Kartenmaterial, Wanderführerliteratur, usw.) mit einzubeziehen.
Im Folgenden sollen Vorkommen und Lebensweisen der Tierarten dargestellt werden, mit denen man als Skitourengeher und Schneeschuhwanderer häufig in Berührung kommt.
Zu Gast bei den Raufußhühnern
Alpenschneehuhn
Gerade Raufußhühner wie das Schneehuhn verlassen sich in den Wintermonaten auf ihre perfekte schneeweiße Tarnung – sofern sie sich nicht in Schneehöhlen eingegraben haben. Kein Wunder also, dass man diesen Hochgebirgsvogel oft aus nächster Nähe beobachten kann, ergreift er doch zumeist sehr spät die Flucht. Schneehühner verbringen die Nacht in selbst gegrabenen Schneehöhlen, wo sie sich vor der Kälte schützen. Am Tag suchen sie Nahrung auf schneefreien, vom Wind abgewehten Kuppen und Kanten, wo sie sich von den kargen Zwergsträuchern ernähren. Tourengeher und Schneeschuhwanderer sollten deshalb auf Gratrücken besonders achtsam sein und diese strukturierten Naturräume umgehen oder meiden.
Birkhuhn
Ein weiterer Vertreter der Raufußhühner ist das im Bereich der Waldgrenze (also ein Stockwerk tiefer) lebende Birkhuhn, welches aufgrund seiner doch schon recht stattlichen Größe mit lautem Flügelschlag die Flucht ergreift. Im Gegensatz zum weißgefärbten Alpenschneehuhn besitzt der Birkhahn ein dunkles und die Birkhenne ein braunes Federkleid. Den Großteil der kalten Wintertage verbringen Birkhühner in selbstgegrabenen Schneehöhlen, wo sie vor allem steilere Tiefschneehänge bevorzugen. Die Gefahr, bei einer Abfahrt über die Schneehöhle zu fahren und ein Birkhuhn dabei zu verletzen, ist durchaus gegeben. Die Balzzeit des Birkhuhns findet von April bis Ende Mai statt und ist aufgrund der Hahnenkämpfe ein Erlebnis der besonderen Art. Wald- und strauchfreie Plateaus und Rücken an der Waldgrenze sind zu dieser Zeit die bevorzugten Plätze und sollten, unter dem Aspekt der alpinen Sicherheit, bei Skitouren und Schneeschuhwanderungen in den frühen Morgenstunden umgangen werden. Da die Waldgrenze generell als sensibler Wildtierlebensraum eingestuft wird, bedeutet ein Anstieg auf kürzestem Weg den geringsten Störeinfluss auf das Birkhuhn.
Auerhuhn
Das Auerhuhn, unser größtes Raufußhuhn mit bis zu 5 Kilogramm Körpergewicht, bewohnt die urigen, aber doch etwas lichten Fichten- und Lärchenwälder mit reichlich Heidelbeere als Unterwuchs. Gerade Abfahrten oder auch Schneeschuhwanderungen durch derartige Waldabschnitte, verursachen auf Dauer eine Verdrängung dieses stattlichen Vogels aus seinem angestammten Lebensraum. So verlockend insbesondere Schneeschuhwanderungen durch urige Bergwälder sind, wäre es dennoch ratsam, verstärkt ausgeschilderte Routen, ausgewiesene Schneisen oder auch vorhandene Forststraßen zu wählen.
Das Auerhuhn, unser größtes Raufußhuhn mit bis zu 5 Kilogramm Körpergewicht, bewohnt die urigen, aber doch etwas lichten Fichten- und Lärchenwälder mit reichlich Heidelbeere als Unterwuchs.
Wie das Schalenwild mit der Energie haushaltet
Stein- und Gamswild
Das Stein- und Gamswild kann sich auf die Skitourengeher und Schneeschuhwanderer in vielfältig strukturierten Naturräumen durchaus gut einstellen, da es zumeist für den Menschen unerreichbar auf steile und schneefreie Südhänge ausweicht. Direkte Überschneidungen mit dem Lebensraum des Gamswildes lassen sich aber auch im Hochgebirge nicht vermeiden. Hier gilt es, sich ruhig zu verhalten, die Tiere nur aus der Distanz zu beobachten und falls möglich eine alternative Routenwahl zu treffen. Gerade im Frühjahr, wenn sich die wärmenden Sonnenstrahlen über die Südhänge legen und der Firn die Tourengeher und Schneeschuhwanderer ein letztes Mal in die Berge lockt, wird man häufig in den Morgenstunden ganze Rudel von Gämsen antreffen. Diese werden von den Geißen mit ihren Kitzen gebildet, die im Gegensatz zu den einzeln lebenden Böcken äußerst sensibel auf Störungen reagieren. Bei einer panikartigen Flucht steigt ihr Energieverbrauch dann bis zum 8-12-Fachen an, wodurch die Fettreserven drastisch reduziert werden. Bei häufigen Störungseinflüssen durch den Menschen, führt dies zu einer Schwächung der Gämsen, was in strengen und langen Wintern auch den Tod einzelner Tiere bedeuten kann.
Das Rot- und Rehwild
Das Rot- und Rehwild lebt in Waldgebieten des gesamten Alpenbogens. Früher zog das Rotwild über die Wintermonate in die Ebenen und Aulandschaften der Täler und verbrachte dort seinen Winter. Heute ist das aufgrund der vielfachen Zerstörung dieser Landschaftsräume, des enormen Siedlungsdruckes und der laufenden Zerschneidung mit Straßen nicht mehr möglich. Dadurch wurde das Rotwild in unseren Gebirgsräumen zu einem „Standwild” und wird heute, so wie auch das Rehwild, zumeist ab Oktober bis in den Mai hinein gefüttert. Bei der Tourenplanung ist deshalb darauf zu achten, dass Fütterungsbereiche gemieden werden, da das Rot- wie auch das Rehwild in den Tagesstunden oft nur wenige Meter entfernt seine Ruhephasen einlegt. Erfolgt insbesondere beim Rotwild eine häufige Störung, verlagert es seine Äsungsaufnahme in die umliegenden Wälder und richtet dort zum Teil schwere Schälschäden an den Bäumen an, was zu einer Schwächung der Bergwälder führt und gleichzeitig für die Forstwirtschaft eine massive Holzentwertung bedeutet.
Bergwaldschutz = Lebensraumschutz
Neben den Wildtieren gilt es aber auch Rücksicht auf unseren Bergwald zu nehmen, der uns Menschen einen wichtigen Schutz vor elementaren Naturgefahren (Lawinen, Steinschlag, Muren) bietet. Dass freie Waldschläge oder Schneisen gerade unter den SkitourengeherInnen zu einer Abfahrt einladen, ist durchaus nachvollziehbar, doch sollte hier bedacht werden, dass es sich um Aufforstungsflächen handeln kann und man bei einer Abfahrt große Schäden an den Jungbäumen anrichtet, indem man die Wipfel, die oft nur wenige Zentimeter unter der Schneedecke verborgen sind, mit den scharfen Skikanten regelrecht köpft. Die Jungbäume werden dadurch krank oder sterben ab und können damit in den Folgejahren keinen Schutz des Lebensraumes gewährleisten. Für SkitourengeherInnen und Schneeschuhwanderer gilt gleichermaßen, dass das Österreichische Forstgesetz das Betreten und Befahren von aufgeforsteten Flächen bzw. Jungbäumen bis zu einer Höhe von 3 Metern untersagt. Eingezäunte bzw. mit Tafeln ausgewiesene Aufforstungsflächen sollten ohnehin ein Tabu darstellen.
In einigen vielbegangenen Gebieten Österreichs wurde in den letzten Jahren der Druck der Freizeitsportler auf die Naturräume und Wildtiere ungemein groß, sodass Maßnahmen zur Besucherlenkung notwendig waren. Ziel dieser Lenkungsprojekte ist es, den Wildtieren einen störungsfreien Rückzugsraum zu ermöglichen, um die harten Wintermonate gut zu überstehen. Für uns Freizeitsportler ist dies bloß mit ein wenig Verständnis, Rücksicht und etwas Verantwortung verbunden, ohne gleichzeitig auf grandiose und unvergessliche Naturerlebnisse verzichten zu müssen.
Dieser Beitrag ist auch erschienen in Skills – Magazin zum Abenteuer des Lebens.
Autor Josef Essl ist mittlerweile Geschäftsführer von CIPRA Österreich.